Familienunternehmen winkt steuerliche Entlastung
Nürnberg – Die im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 eingeführte Zinsschranke ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) verfassungswidrig (Az.: I R 20/15). Die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben zu begrenzen, verstößt nach Ansicht des höchsten Steuergerichts gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) könnte nun die bei Unternehmen umstrittene Regelung kippen. Unternehmen würden dadurch steuerlich entlastet.
„Die Zinsschranke führt zu einer Substanzbesteuerung, die es Unternehmen erheblich erschwert, Krisen zu überstehen. Die Vorlage des BFH bietet eine große Chance, zum Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zurückzukehren“, erklärt der für die Steuerrechtspraxis verantwortliche Geschäftsführende Partner Dr. Hans Weggenmann von Rödl & Partner. „Die Zweifel daran, ob die Zinsschranke mit dem Grundgesetz vereinbar ist, sind so alt wie die Regelung selbst. Es wird höchste Zeit, für die betroffenen Unternehmen für Planungssicherheit hinsichtlich der Abzugsfähigkeit ihrer Finanzierungskosten zu sorgen. Wie bei der Erbschaftsteuer erweist sich der Gleichheitsgrundsatz einmal mehr als Bollwerk gegen die Flickschusterei bei der Steuergesetzgebung.“
Auch wenn die Finanzverwaltung in der Vergangenheit immer wieder betont hatte, dass die Regelung aufgrund der hohen Freigrenze von 3 Millionen Euro Zinssaldo eigentlich nur auf Großkonzerne abzielt, hat die Praxis gezeigt, dass auch viele mittelständische Unternehmen von der Zinsschranke betroffen waren. Das gilt insbesondere in Fällen von Immobilienfinanzierungen.
„Die Zinsschranke ist ein reines Schönwettergesetz. In der Krise wirkt sie wie ein Bumerang“, kritisiert Dr. Isabel Bauernschmitt, Steuerrechtsexpertin bei Rödl & Partner. „Gerade für den Mittelstand wäre ihr Wegfall ein großer Fortschritt. Fremdfinanzierte Investitionen sind häufig alternativlos, um Wachstum zu generieren.“
Sollte das Bundesverfassungsgericht die Zweifel des BFH teilen, könnte es die Anwendung der Zinsschranke rückwirkend aufheben oder dem Gesetzgeber eine Frist zur Änderung der Regelung setzen. „Betroffene Unternehmen sollten ihre Steuerbescheide mit Verweis auf die ausstehende Entscheidung in Karlsruhe offen halten“, betont Bauernschmitt. „Nachdem das Bundesfinanzministerium schon 2014 die Zweifel des BFH an der Zinsschranke mit einem Nichtanwendungserlass ausgehebelt hat, stehen die Chancen auf Steuerrückzahlungen nicht schlecht. Das könnte bei vielen Unternehmen einen Investitionsschub auslösen.“
Die Entscheidung hat auch Auswirkungen auf die jüngsten Pläne der Europäischen Kommission zur Steuervermeidung. Sie sehen im Zuge der Umsetzung der OECD-Initiative „Addressing Base Erosion and Profit Shifting“ (BEPS) unter anderem vor, eine europaweit geltende Zinsschranke einzuführen. Damit soll die Möglichkeit begrenzt werden, Gewinne ins Ausland zu verlagern, während Zinsaufwendungen im Inland geltend gemacht werden. „Es wäre nicht zielführend, eine voraussichtlich in Deutschland verfassungswidrige Regelung europäisch auszuweiten“, so Bauernschmitt.
Quelle: Rödl & Partner – Unternehmer beraten Unternehmer