Der Online-Handel boomt. Ungebrochen und mit steigender Tendenz. Und Online-Bezahldienste boomen in gleichem Maße mit. Ob das mittlerweile schon klassische Onlinebanking der Hausbank, Dienste wie PayPal oder Amazon Payments oder gänzlich virtuelle Währungen wie beispielsweise Bitcoins – sie alle verdrängen allmählich die Barzahlung. Das jedoch nicht nur im World Wide Web, sondern auch im realen Alltag. Was bedeutet das für die Zukunft? Eine Entwicklung, die wir unter Umständen kaum mehr bewusst wahrnehmen, die aber lohnt, einmal genauer durchleuchtet zu werden. Denn mit einem immer virtuelleren Geldverkehr verschwindet nach und nach auch das Bargeld. Und damit auch ein Teil unserer Selbstbestimmtheit.
Unser Bezahlverhalten verändert sich zusehends. Ob wir im Supermarkt sind oder online shoppen – immer häufiger verzichten wir mittlerweile auf Bargeld. Wir zahlen stattdessen mit Kredit- oder EC-Karte, mit Diensten wie PayPal oder Amazon Payments oder ziehen an der Kasse direkt unser iPhone oder Samsung Galaxy über den Scanner um den Einkauf eintüten zu dürfen. Herrlich einfach und schnell. All diesen technischen Neuerungen wohnt eine natürliche Faszination inne. Was neu und bequem erscheint, begeistert im ersten Moment, überschattet aber gleichzeitig eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Konsequenzen dieser neuen Technik. Denn hinter der glitzernden Fassade des Fortschrittes steht auch immer die Frage, mit welchem Preis wir diesen Fortschritt bezahlen. Nicht selten geben wir heutzutage für ein bisschen mehr Bequemlichkeit unsere Privatsphäre auf. Sei es mit dem Akzeptieren der neuen Facebook AGBs oder ganz offensichtlich mit der Teilnahme am Online-Gewinnspiel. Im Falle unseres Geldes müssen wir uns aber auch Gedanken über ganz grundlegende Aspekte unseres gesellschaftlichen Lebens machen. Die Fragestellung sollte hier sein, wer vom virtuellen Geld am meisten profitiert. Aber auch, wer im Zuge dieser Entwicklung unter Umständen auf der Strecke bleibt. So stellen sich ganz alltägliche Situationen und Problemchen, die auf den ersten Blick unerheblich scheinen.
Überblick über Kontostand behalten
Beispielsweise der Überblick über unseren Kontostand. Dass man diesen bei den vielen virtuellen Transaktionen schnell mal verlieren kann, ist nur allzu verständlich. Zwar bieten Konto-Manager-Apps die Möglichkeit, seine Finanzen stets im Blick zu behalten, die allgemeine Tendenz ist dennoch die, dass man mit Karte und App schneller zum Ausgeben neigt. Hier mal ein kleiner Betrag, da noch ein kleines Schnäppchen mitgenommen und schon haben wir ein mittelgroßes Loch in unser Monatsbudget gerissen. Die Hemmschwelle scheint niedriger. Vielleicht auch, weil wir diese Beträge nicht mehr in die Hand nehmen und diesen Trennungsschmerz nicht haben, wenn wir das Geld dann aus der Hand geben.
Missbrauch unterbinden
Ein weiteres Problem stellt die Kriminalität dar. Denn je mehr Möglichkeiten wir für das Bezahlen haben, desto mehr Möglichkeiten bieten sich selbstverständlich auch Betrügern, sich in diese Prozesse einzuklinken und sich an uns zu bereichern. Ob dubiose Abzockmails oder aber scheinbar seriös erscheinende Bankenseiten – Betrugsfälle im Netz häufen sich. Aus diesem Grund muss der Nutzer immer äußerst penibel prüfen, ob Seiten und Benachrichtigungen tatsächlich von vertrauenswürdigen Quellen stammen oder nicht. Security Programme bieten da teilweise Schutz, dennoch sollten Links, URLs und Inhalte immer genau überprüft werden. Das gilt aber auch für den Geldautomaten selbst. Hier gibt es nicht selten getürkte Oberflächen und Bedienelemente, durch die wir unsere Bankdaten direkt an Kriminelle weitergeben. Da wird der technische Fortschritt schnell zum Fluch.
Mündig bleiben
Wie bei so vielem, was das Internet bequem und komfortabel für uns macht, gilt auch beim Bezahlen, dass wir persönliche und oftmals äußerst sensible Daten preisgeben müssen. Das nehmen wir etwas zähneknirschend hin, mit dem Denken, dass wir einerseits ja nichts zu verbergen haben und zum anderen schon kein Schindluder mit diesen Daten getrieben wird. Schaut man aber genauer hin, wird klar, dass private Nutzerdaten für Konzerne wie Google oder Amazon Gold wert sind. Die klassischen Datenkraken eben. Je vollständiger und lückenloser unser Profil im Netz, desto gezielter kann individualisierte Werbung für uns geschaltet werden. Das mag für einige schon gruselig genug wirken. Richtig gefährlich wird die Sammelsucht aber, wenn diese gesammelten Daten durch Dritte entwendet werden. In Hinsicht auf unseren Zahlungsverkehr sitzen aber noch weitaus größere Instanzen hinter den Kulissen. Namentlich Banken und Kreditinstitute. Aufgrund unseres Kauf- und Bezahlverhaltens kann beispielsweise die Kreditwürdigkeit errechnet werden oder aber auch eine detaillerte Bewegungskarte erstellt werden. Was wurde wann und wo durch wen gekauft? Solche Profile werden immer umfang- und aufschlussreicher. Mit einer Abwendung vom Bargeld hin zu immer mehr automatisierten Zahlmethoden wird diese Entwicklung noch verstärkt. Zugute kommt das in erster Linie den Banken, die mit unserem „eingelagerten“ Geld spekulieren können. Das natürlich vollends zu unserem Ungunsten. Verzockt sich eine Bank, ist dieses Geld weg. Laufen wir hingegen mit Bargeld durch die Welt, fehlt dieses den Banken für ihre Geschäfte, Umso logischer erscheint es, dass die Bargeldlosigkeit eine große und starke Lobby hat. Dänemark beispielsweise hat als erstes Land bereits ein Gesetzespaket initiiert, das die schrittweise Abschaffung des Bargeldverkehrs zum Ziel hat. Hier wird unter anderem mit einer Entlastung für den Mittelstand argumentiert, der seine Unkosten durch die Verarbeitung und Weiterleitung des Bargeldes reduzieren soll. Auch sollen durch Bargeldobergrenzen Geldwäschegeschäfte eingedämmt werden, auch wenn dieser Punkt von etlichen Experten als marginal sinnvoll eingeschätzt wird. Letztlich bedeutet Bargeld für den Menschen, dass er ein Stück weit mündig und selbstbestimmt und vor allem unbeaufsichtigt agieren kann. In Zeiten von Massenüberwachung ein wichtiger Teilaspekt.
Bevor wir das nächste Mal also unsere EC-Karte zücken oder virtuelles Geld via PayPal hin und her schicken, sollten wir uns bewusst machen, dass diese unbestreitbar praktischen Technologien auch ihre Schattenseiten haben.