Frankfurt – Durch die positive Zinsentwicklung im Jahr 2015 sinken die Verpflichtungswerte (DBO) der DAX-30-Unternehmen von etwa 372 Mrd. Euro deutlich auf 362 Mrd. Euro. Die Pensionsvermögen steigen im selben Zeitraum von etwa 228 Mrd. Euro auf 236 Mrd. Euro an. Insgesamt erreicht der Deckungsgrad damit wieder etwa 65 Prozent. Dies sind die Ergebnisse einer Analyse des internationalen Beratungsunternehmens Mercer. Herangezogen wurden hierfür die bereits erschienenen Geschäftsberichte von 25 DAX-Unternehmen, die fast 90 Prozent der Pensionsverpflichtungen und Pensionsvermögen im DAX repräsentieren.
Entspannung bei den Verpflichtungswerten
Nachdem im Jahr 2014 bis in das erste Quartal 2015 hinein ein deutliches Absinken des Rechnungszinssatzes nach IAS 19 um über zwei Prozentpunkte zu beobachten war, zeigte sich in den folgenden Quartalen und im Jahr 2015 insgesamt eine Entspannung. Die Verpflichtungswerte der DAX-Unternehmen sind dadurch von etwa 372 Mrd. Euro auf etwa 362 Mrd. Euro gesunken.
Der Rechnungszins für gemischte Bestände nach der Mercer Yield Curve, einem Verfahren zur Herleitung des Rechnungszinssatzes nach IAS 19, ist im Jahr 2015 von etwa 2,0 auf etwa 2,4 Prozent gestiegen. In dieser Größenordnung lagen auch die Anpassungen beim Rechnungszins für die DAX-Unternehmen. Dadurch entstanden versicherungsmathematische Gewinne in Höhe von etwa 16 Mrd. Euro. Diese wurden erfolgsneutral vereinnahmt – sie erhöhen zwar das Eigenkapital, verbessern aber nicht das Jahresergebnis.
Ein zu diesen Erleichterungen gegenläufiger Effekt ergab sich im Jahr 2015 vor allem aus rein bilanziellen Währungsumrechnungen. Durch den gesunkenen Eurokurs im Vergleich zu anderen wichtigen Währungen wurden insbesondere Verpflichtungen in den USA, UK und der Schweiz höher bewertet. Ohne diesen Effekt wäre die DBO um weitere 7 Mrd. Euro gesunken.
Das Verpflichtungsvolumen hat sich zu einem kleineren Teil aufgrund der Veränderung im DAX verringert: Lanxess ist aus dem DAX ausgeschieden, Vonovia wurde neu aufgenommen. Dies führt zu einer Verringerung der Verpflichtungswerte um etwa 2 Mrd. Euro.
Ohne die Veränderungen bei Zins, Währungsumrechnung und DAX-Zusammensetzung wären die Verpflichtungswerte nur unwesentlich gestiegen, weil der planmäßige Anstieg der Verpflichtungen durch Verzinsung und weitere Dienstjahre in etwa genauso groß war wie die getätigten Zahlungen.
Geringe Steigerungen beim Planvermögen
Die Entwicklung beim Pensionsvermögen der DAX-Unternehmen spiegelt das durchwachsene Kapitalanlagejahr 2015 wider. Das aggregierte Planvermögen stieg von etwa 228 Mrd. Euro auf etwa 236 Mrd. Euro. Die Rendite lag bei etwa 1 Prozent.
„Die erfreulichen Kursanstiege der Aktienmärkte bis zum Frühsommer wurden im August und September wieder aufgezehrt. Die anschließende Erholung im Herbst holte diese Verluste wieder auf, führte aber nur zu einem geringen Anstieg über das Niveau vom Jahresanfang hinaus“, so Dr. Carl-Heinrich Kehr, Principal und Investmentexperte bei Mercer in Deutschland. Mit dem Börsenstand zum Jahresende ergab sich ein Performance-Beitrag aus Aktien von ca. 1,8 Prozent, wobei europäische Aktien in Folge der Ausweitung des Liquiditätsprogramms der EZB um rund 7 Prozent zulegten, während globale Aktien mit -2 Prozent aufgrund schwächerer US-Märkte leicht an Wert einbüßten.
Auch zinsbasierte Anlagen in Staatsanleihen hoher Bonität leisteten über das Gesamtjahr betrachtet mit ca. 1,7 Prozent nur geringfügig positive Beiträge für die Wertentwicklung der Pensionsvermögen. Unternehmensanleihen haben mit -1,2 Prozent schwächer rentiert und damit die positiven Beiträge aus Aktien und Staatsanleihen wieder nach unten gedrückt. Dabei haben insbesondere Unternehmensanleihen mit niedriger Bonität (sogenannte „Hochzinsanleihen“) aufgrund einer gestiegenen Ausfallwahrscheinlichkeit in Bezug auf den Ölsektor mit rund -4 Prozent am deutlichsten verloren.
„Alternative Vermögensklassen haben sich insgesamt positiv ausgewirkt, bilden aber nach wie vor nur einen kleinen Teil des Planvermögens. Die Unternehmen reagieren auf die geringeren erwarteten Erträge aus klassischen Anlagen wie Aktien und Anleihen durch Ausbau der alternativen Investments, wobei besonderes Interesse an realen Vermögenswerten wie Immobilien und Infrastruktur festzustellen ist“, erläutert Dr. Kehr. Dieser Trend wird auch von Mercers jährlicher European Asset Allocation Survey bestätigt.
Ein größerer Beitrag zum Anstieg der Pensionsvermögen ist wiederum auf Währungsumrechnungen für im Ausland gehaltenes Vermögen zu verzeichnen: Etwa 6 Mrd. Euro sind hierauf zurückzuführen. Damit werden die Effekte der Währungsumrechnungen bei den Verpflichtungswerten fast vollständig ausgeglichen.
Neben dieser Veränderung sind die Pensionsvermögen durch die Änderung in der Zusammensetzung des DAX um etwa 1 Mrd. Euro gesunken. Ohne die Effekte aus Rendite, Währungsumrechnung und geänderter DAX-Zusammensetzung wäre das Pensionsvermögen nur unwesentlich gestiegen, weil sich Ein- und Auszahlungen in etwa die Waage halten.
Deckungsgrad wieder gestiegen
Durch die deutliche Entlastung beim Verpflichtungsumfang ist der Deckungsgrad mit 65 Prozent wieder fast auf den Stand von 2013 angestiegen, während er im Vorjahr bei etwa 61 Prozent lag. „Dabei muss berücksichtigt werden, dass zumindest in Deutschland keine Mindestdotierung vorgeschrieben ist. Da die Insolvenzsicherung über den Pensions-Sicherungs-Verein und nicht über eine zwingende Kapitaldeckung erfolgt, können die Unternehmen frei entscheiden, ob und in welchem Umfang sie Pensionsvermögen schaffen“, kommentiert Thomas Hagemann, Chefaktuar bei Mercer in Deutschland. „Entsprechend findet sich im DAX auch fast das gesamte Spektrum von vollständiger Abdeckung bis hin zum Verzicht auf Pensionsvermögen.“ Handlungsbedarf für die Unternehmen
Handlungsbedarf ergibt sich in zwei Feldern: Zum einen werden die Unternehmen noch stärker als bisher über breit diversifizierte Anlagestrategien nachdenken und alternative Kapitalanlagen verstärkt nutzen müssen, um auch für eine weiter anhaltende Niedrigzinsphase gewappnet zu sein.
Zum anderen sind die Pensionszusagen selbst im Blickfeld. In den letzten Jahren waren zunehmend die Pensionsberechtigten ins Risiko für die langfristigen Ergebnisse der Altersversorgungssysteme einbezogen worden. „Die Unternehmen müssen sich allerdings fragen, wie sie diesen Ansatz angesichts der demografischen Entwicklung und des „War for Talent“ an ihre Mitarbeiter kommunizieren und ggf. kreative Lösungen suchen um die benötigten Arbeitskräfte und Spezialisten für sich gewinnen und binden können“, so Thomas Hagemann.
Deutliche Entspannung in den USA, weiteres Wachstum in UK
In UK wuchs die Deckungslücke bei den im FTSE 350 gelisteten Unternehmen weiter an. Sie stieg von £ 107 Mrd. zum 31. Dezember 2014 auf £ 133 Mrd. zum 31. Januar 2015. Der Dotierungsgrad hat sich von 85 auf 83 Prozent reduziert, wobei die Verschlechterung im Wesentlichen durch eine Erhöhung der Verpflichtungen bedingt ist, die von einem besonders starken Rückgang der Unternehmensanleiherenditen im Laufe des Dezember getrieben wurde.
Der geschätzte Dotierungsgrad von Pensionsplänen bei den S&P 1500-Unternehmen in den USA erhöhte sich von 79 Prozent zum 31. Dezember 2014 auf 82 Prozent zum 31. Dezember 2015. Die Verringerung des Eigenkapitals und des Anteils an festverzinslichen Wertpapieren wurden durch die Zinssatzerhöhungen mehr als ausgeglichen, so dass der Dotierungsgrad um 3 Prozent ansteigen konnte. Damit hat sich die geschätzte Deckungslücke zum Ende des Jahres 2015 von $504 Mrd. im Dezember 2014 auf $404 Mrd. reduziert.
Pensionsaufwand 2016 wieder etwas geringer
Die Veränderung des Zinsniveaus hat auch Auswirkungen auf den Pensionsaufwand des Jahres 2016. Der Dienstzeitaufwand für das Jahr 2015 (also der planmäßige Aufwand ohne Zinsaufwand) betrug laut unserer Hochrechnung gut 7 Mrd. Euro. Für das Jahr 2016 wird dieser Betrag um etwa eine halbe Mrd. Euro absinken.
Differenzierte Verfahren zur Anwendung der Zinsstrukturkurve in der Bewertung von Pensionsverpflichtung und Aufwandsgrößen könnten weitere Entlastung bringen.
Ein Verfahren, das Mercer bereits vor zwei Jahren in die Diskussion gebracht hat, wird mittlerweile auch von einigen Unternehmen angewandt: Bisher war es üblich, den durchschnittlichen Zinssatz, der für die Ermittlung der Verpflichtungswerte hergeleitet wird, auch für die Ermittlung der Aufwandsgrößen anzusetzen. Speziell beim Dienstzeitaufwand ist jedoch zu beachten, dass hier nur der Teilbestand der Aktiven betroffen ist. Um zu vermeiden, dass der Dienstzeitaufwand mit einem Zins ermittelt wird, der auch durch die kürzeren Laufzeiten von Verpflichtungen gegen Rentner bestimmt ist, haben wir vorgeschlagen, für die Ermittlung des Dienstzeitaufwandes einen abweichenden Rechnungszins herzuleiten.
Noch stärkere Entlastung könnte durch die Anwendung der kompletten Zinsstrukturkurve (an Stelle eines mittleren Abzinsungssatzes) möglich werden. Hierbei werden alle zukünftigen Zahlungsströme einzeln betrachtet und mit dem zur entsprechenden Restlaufzeit passenden Zinssatz bewertet. Bei diesem Ansatz fallen sowohl Dienstzeit- als auch Zinsaufwand geringer aus als beim klassischen Verfahren unter Anwendung eines einheitlichen Zinssatzes. Während dieses Verfahren unter US GAAP akzeptiert wird, ist die Anerkennung unter IAS 19 nicht sicher.
Sorgen im Mittelstand
Für den Mittelstand ist vor allem der Sinkflug des HGB-Rechnungszinses Grund zur Sorge. Der Gesetzgeber hat hierzu zwar eine Gesetzesänderung vorgenommen, so dass an Stelle des 7- nun ein 10-Jahres-Durchschnittszins zu verwenden ist (siehe auch: . „Der Gesetzgeber gibt sich jedoch mit einer halbherzigen Lösung zufrieden. Lange Zeit war ein 12- oder sogar 15-Jahres-Durchschnittszins im Gespräch“, so Thomas Hagemann. „Die jetzt beschlossene Änderung bringt nur im Jahr 2016 Entlastung und hat keine nachhaltige Wirkung.“
Gerade bei der HGB-Bilanzierung gibt es aber wirksame Maßnahmen, die das Unternehmen selbst ergreifen kann. So können die Verpflichtungswerte verringert werden, indem Betriebsrentnern an Stelle der laufenden Rente eine einmalige Kapitalzahlung angeboten wird. Die Praxis zeigt hier Zustimmungsquoten von 30 bis 50 Prozent. Und da das deutsche Handelsrecht ein Passivierungswahlrecht für mittelbare Zusagen vorsieht, kann der Aufwand über einen Durchführungswegwechsel deutlich geglättet werden. Zinsschwankungen spielen dann keine große Rolle mehr.
Mit der aktuellen Zinsentwicklung stellt sich auch zunehmend die Frage nach dem steuerlichen Rechnungszins. Während Pensionsverpflichtungen im HGB-Abschluss Ende 2015 mit einem Zins von 3,89 Prozent abzuzinsen waren, sind für die Steuerbilanz weiterhin 6 Prozent maßgeblich. So kann es sein, dass ein Unternehmen wegen des Aufwandes aus der Entwicklung der Pensionsverpflichtungen einen handelsrechtlichen Verlust ausweist, in der Steuerbilanz wegen der beschränkten Anerkennung dieses Aufwandes dagegen einen Gewinn zeigen muss. Kurzfristige Entlastung ist hier allerdings nicht zu erwarten.
Quelle: ots