Hamburg – Der Immobilienmarkt wird für Investoren zu einer Gleichung mit immer mehr Unbekannten. Doch erlegen sich die europäischen Immobilienprofis selbst in diesem fortgeschrittenen Immobilienmarktzyklus keine gesteigerte Zurückhaltung auf. Im Gegenteil: Rendite ist im Vergleich zum Vorjahr für noch mehr Investoren zum zentralen Anlagemotiv geworden. Treiber der weiter gestiegenen Risikobereitschaft ist der anhaltende Renditedruck und ein Marktumfeld, in dem sich Klopfgeräusche einer Trendumkehr erst sehr verhalten vernehmen lassen. Dies ist das Ergebnis der aktuellen, im halbjährlichen Turnus durchgeführten Immobilien- Investitionsklima-Studie von Union Investment, für die diesmal 171 professionelle Immobilienanleger in Deutschland, Frankreich und Großbritannien repräsentativ befragt wurden.
Folgt man den Einschätzungen der interviewten Investoren, dann zeichnet sich ein Umschwung in keinem der drei europäischen Immobilienkernmärkte ab: 86 Prozent der Profianleger sind überzeugt, dass sich in den nächsten zwölf Monaten die generelle Investitionsbereitschaft auf den gewerblichen Immobilienmärkten in ihrem jeweiligen Land noch weiter verbessern oder zumindest nicht abschwächen wird. „Europa steht gut da. Das makroökonomische Gesamtbild ist weiterhin positiv. Das hohe Investitionsinteresse in Europa auch aus Übersee trägt dazu bei, dass sich das Klima für Immobilieninvestments in den maßgeblichen europäischen Märkten trotzt schwieriger werdender Rahmenbedingungen vergleichsweise stabil erweist“, sagt Olaf Janßen, Leiter Immobilienresearch bei der Union Investment Real Estate GmbH. „Gleichzeitig zwingt die sinkende Verfügbarkeit und das Preisniveau von Prime Assets den Immobilieninvestoren jedoch eine wachsende Risikoorientierung auf.“
So glauben 51 Prozent der Studienteilnehmer, dass sie in den kommenden drei Jahren ihre selbstgesteckten Renditeziele nicht erreichen werden – sie also mit anhaltend hohen Preisen und entsprechend niedrigen Renditen zu rechnen haben. Und selbst auf Fünfjahressicht fürchtet jeder zweite Befragte, die erhoffte Verzinsung seiner Investments zu verfehlen.
Mehr Risiken eingehen, ist folglich für viele Immobilieninvestoren die Devise, um den drohenden weiteren Fall der Renditen abzufedern. 81 Prozent der britischen Investoren geben in der Umfrage an, Immobilieninvestments hauptsächlich bzw. nur nach Renditegesichtspunkten zu beurteilen. Dies bedeutet eine nochmalige Steigerung im Vergleich zur letzten Befragung im Mai 2015. Damals war noch für 76 Prozent der traditionell risikoaffineren britischen Investoren „Rendite“ das zentrale Anlagemotiv. Demgegenüber sank die Quote der auf „Sicherheit“ fokussierten Anleger in UK um fünf weitere Punkte auf aktuell 13 Prozent. In Deutschland und Frankreich halten sich Rendite- und Sicherheitsorientierung derzeit die Waage – aber auch hier mit einer klaren Tendenz Richtung „Rendite“. Demgegenüber spielt „Liquidität“ in der Anlageentscheidungen bei allen Befragtengruppen eine untergeordnete Rolle.
Portfoliodeals mit mehr Risiko
Wie die Union Investment-Umfrage zeigt, werden auf der Suche nach renditestarken Investments auch Immobilienportfolios immer interessanter – vor allem bei den Immobilieninvestoren in Frankreich und Großbritannien. So gibt die Hälfte aller Befragten an, sich aktiv mit dem Ankauf von Immobilienportfolios zu beschäftigen. In Frankreich fällt das Interesse mit 74 Prozent besonders stark aus, gefolgt von den britischen Investmentprofis mit 67 Prozent. Auffällig gering ist das Interesse noch bei den deutschen Investoren. Dort beschäftigen sich nur 24 Prozent der befragten Immobilieninvestoren mit möglichen Paketkäufen; die überwiegende Mehrheit von 57 Prozent gibt an, sich in keiner Weise mit Portfoliodeals – weder im An- noch im Verkauf – zu befassen.
Besonders aufschlussreich ist dabei die Erwartung von 80 Prozent der Befragten, dass 2016 vor allem risikobehaftetere Portfolios verstärkt gehandelt werden dürften – eine Bestätigung der zunehmenden Renditeorientierung britischer, französischer, aber auch internationaler Anleger. Denn 74 Prozent der befragten Immobilienprofis sind überzeugt, dass Investoren aus Asien und Nordamerika verstärkt in Europa auftreten werden. Internationale Investoren könnten Paketdeals als Möglichkeit zum raschen Einstieg in den gesamteuropäischen Markt nutzen: Mit 70 Prozent erwartet die überwiegende Mehrheit der befragten Marktteilnehmer, dass mehr und mehr paneuropäische Portfolios auf den Markt kommen werden. Und immerhin 58 Prozent glauben, dass dabei Pakete mit Immobilien unterschiedlicher Nutzungsarten stärker gehandelt werden.
Portfoliodeals sind kein neues Phänomen; 2015 war ein Spitzenjahr für großvolumige Pakettransaktionen in Europa. Nachdem im vergangenen Jahr jedoch Portfolios mit einem klaren Nutzungsfokus, nämlich Büro oder Retail, dominierten, lässt sich seit dem 4. Quartal 2015 ein verstärkter Trend zu gemischtgenutzten Portfolios feststellen. „Unter dem Einfluss der derzeit niedrigen Finanzierungskosten und der ausgeprägten Fähigkeit, große Kapitalmengen für eine einzige Transaktion bereitzustellen, wird das Interesse an paneuropäischen Portfolio stark befeuert“, sagt Olaf Janßen. „Hinzu kommt, das Investoren aus Übersee ihre Allokation in Europa erhöhen und das Zinsfenster sowie den schwachen Euro nutzen wollen, um große Deals in diesem Jahr über die Ziellinie zu bringen.“
Märkte unter Beobachtung
Die hierin liegenden Chancen zur Portfoliobereinigung bzw. zur Mitnahme von Verkaufsgewinnen wollen die europäischen Immobilieninvestoren in gesteigertem Maß nutzen. Sowohl 70 Prozent der deutschen als auch der britische Investoren kündigen an, in den nächsten zwölf Monaten verstärkt als Verkäufer von Gebäuden in Erscheinung zu treten. In Frankreich will immerhin noch jeder zweite Investor das sich nach und nach schließende Zeitfenster für Objektverkäufe im großen Stil nutzen. „2016 wird ein spannendes Transaktionsjahr. Käufer und Verkäufer werden genau beobachten, in welche Richtung sich die einzelnen Märkte entwickeln und möglicherweise ihren Peak bereits erreicht haben“, so Olaf Janßen.
Investitionsklima für Immobilien verbessert sich nur in Deutschland Seit der letzten Umfrage im Mai 2015 verzeichnet das Klima für Immobilieninvestments nur noch in Deutschland einen leichten Aufwärtstrend. Der unter deutschen Investoren erhobene nationale Index legte um 0,6 Punkte zu und steht nun bei 69,9 Punkten. Damit beurteilen die deutschen Investoren das Klima für Immobilieninvestments in ihrem Land erstmals seit 2013 wieder besser als ihre Counterparts sowohl in Frankreich als auch in UK. Der in Großbritannien gemessene Wert büßte von allen Ländern mit 3,2 Punkten am stärksten ein und liegt nun bei 68,3 Punkten. In Frankreich bleibt die gemessene Stimmung – abzulesen am nationalen Index mit aktuell 67,0 Punkten (minus 1,3 Punkte) – auch im fünften Jahr in Folge hinter den beiden anderen großen europäischen Immobilienmärkten zurück. Kennzeichen des französischen Index bleibt seine vergleichsweise hohe Volatilität, die aktuell den Unsicherheiten u.a. in Folge der Terroranschläge von Paris im November 2015 geschuldet sein dürfte.
Quelle: ots