Notenbanken agieren in der Regel unaufgeregt und bereiten die Märkte schonend und langfristig auf Änderungen ihrer Geldpolitik vor. Für das erste Quartal 2019 ergibt sich jedoch eine dramatische Neuausrichtung: Die Europäische Zentralbank (EZB) schließt Zinserhöhungen für das laufende Jahr aus und verschiebt damit die Abkehr von der Nullzinspolitik. Auch die amerikanische Notenbank FED sagt zusätzliche Erhöhungen bis auf weiteres ab. Michael Hoppstädter, informiert darüber, welche Auswirkungen diese Entwicklung für Unternehmen mit Pensionszusagen hat und was sie tun können.
Rahmenbedingungen für Pensionsverpflichtungen
Hat ein Unternehmen seinen Mitarbeitern Pensionszusagen erteilt und steht es für diese unmittelbar ein (sogenannte Direktzusagen), muss es für die eingegangenen Verpflichtungen Rückstellungen bilden. Deren Höhe ist abhängig vom zugrunde liegenden Abzinsungsfaktor, mit dem die künftigen Verpflichtungen auf den Bilanzstichtag abgezinst werden. Der Zins bemisst sich nach den einschlägigen Rechnungslegungsstandards, die sich im Wesentlichen an der Rendite von Unternehmensanleihen orientieren, und wird damit indirekt von der Geldpolitik der Zentralbanken bestimmt. Die Faustformel ist dabei: Je niedriger der Zins, desto höher die Rückstellung. „Über die letzten Monate war, wenn auch auf niedrigem Niveau, zumindest eine langsame, aber kontinuierliche Erholung zu beobachten. Durch das Beibehalten der Nullzinspolitik kippt diese Entwicklung und die Renditen befinden sich im freien Fall“, so Michael Hoppstädter.
Konkrete Auswirkungen für IFRS- und HGB-Bilanzierer
Unmittelbar sind Unternehmen betroffen, die nach internationalen Standards wie dem IFRS bilanzieren. Anleiherenditen schlagen sich direkt im Zins nieder. Seit Beginn des Jahres hat sich für typische Bestände von mittlerer Kapitalbindungsdauer das Zinsniveau von ca. 2 auf 1,50 Prozent reduziert. „Das hat für viele Unternehmen den Anstieg der Pensionsverpflichtungen von 10 bis 15 Prozent innerhalb des ersten Quartals 2019 zur Folge“, erläutert der Geschäftsführer. „Es ist nicht auszuschließen, dass es im Laufe des Jahres zu einem weiteren Anstieg kommt.“ Aber auch Unternehmen, die nach Handelsgesetzbuch (HGB) bilanzieren, bekommen die Auswirkungen zu spüren: Der Zins für die Pensionsrückstellungen wird hier als Zehnjahresdurchschnitt der Anleiherenditen ermittelt. Das seit Jahren niedrige Renditeniveau führt zu einem Nachlaufeffekt, der sogenannten Zinsschmelze. Das bedeutet: Der Rechnungszins fällt kontinuierlich und sorgt für Zusatzbelastungen – Zinsänderungseffekte – in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Für gewöhnlich werden kurzfristige Marktschwankungen durch den langfristigen Zinsdurchschnitt ausgeglichen. Dadurch bleibt die Entwicklung gut planbar. „Dies ist durch die aktuellen Entscheidungen der EZB aber nun anders: Die Verwerfungen sind so deutlich, dass sie trotz allem unmittelbar spürbar sind. So hat sich die Erwartung für den HGB-Zins zum Ende 2019 in den ersten drei Monaten von 2,80 auf 2,75 Prozent eingetrübt, was einen Anstieg nur des Zinsänderungseffekts für 2019 von etwa 12 Prozent nach sich zieht. Konkret bedeutet das bei Pensionsverpflichtungen von 1 Mio. Euro einen Anstieg des erwarteten Zinsänderungseffekts von rund 65.000 Euro auf 73.000 Euro“, so der Experte. Für die folgenden Jahre ist die Entwicklung noch dramatischer: In den kommenden drei Jahren ist für die bislang geplanten Zinsänderungseffekte ein zusätzlicher Anstieg von rund 20 Prozent zu erwarten. Für den längerfristigen Zeitraum, ab 2022, war bisher von einer Entspannung auszugehen. Diese Prognose ist nun hinfällig, denn die bislang geplanten Zinsänderungseffekte werden sich mehr als verdoppeln – mit den entsprechenden Auswirkungen auf die GuV.
Was tun?
„Wer bisher gehofft hatte, das Thema Zinsschmelze aussitzen zu können, wird nun endgültig eines Besseren belehrt. Unternehmen, die auf diese Entwicklung nicht reagieren, werden voraussichtlich noch über Jahre mit erheblichen Zusatzaufwänden in ihren Bilanzen belastet“, weiß Hoppstädter. Auch der Effekt aus der HGB-Reform im Jahr 2016 ist weitgehend verpufft. In der vagen Hoffnung, die Zinsen würden wieder steigen, hat die Regierung den Zins für die Pensionsrückstellungen von einem Sieben- auf einen Zehnjahresdurchschnitt angehoben. Folge: Die Unternehmen müssen die in 2016 und 2017 eingesparten Aufwände nun über die kommenden Jahre sukzessive nachholen. Optionen zur Vermeidung der Zinsschmelze sind jedoch durchaus vorhanden. „Lagern Unternehmen ihre Direktzusagen zum Beispiel auf einen Pensionsfonds aus, ist die Versorgungszusage aus dem Einflussbereich des Unternehmens herausgelöst und Zinseffekte können vollständig vermieden werden“, so der Geschäftsführer. Vermeiden lassen sich die Aufwände auch durch eine kongruente Rückdeckung der Direktzusagen. „Versicherung und Direktzusage bilden dann eine Werteinheit und die Rückstellungen werden von den Zinsentwicklungen an den Kapitalmärkten abgekoppelt. Voraussetzung für die kongruente Rückdeckung ist aber häufig eine Neuordnung der Altersversorgung.“
Quelle: HARTZKOM Strategische Markenkommunikation