Ein Urteil mit weitreichenden Konsequenzen für Unternehmen
Leipzig – Lange Zeit blickten Unternehmer mit Spannung, aber auch mit Sorge nach Karlsruhe. Seit Juli befasste sich das dortige Bundesverfassungsgericht intensiv mit der aktuellen Erbschaftsteuerregelung und den Steuerprivilegien von Unternehmenserben. Nun hat das Gericht entschieden: Die Erbschaftsteuer in ihrer derzeitigen Form verstößt gegen das Grundgesetz.
Weniger Steuervorteile für Unternehmenserben
Die Verfassungsrichter in Karlsruhe haben entschieden, dass bei der Übergabe von Betriebsvermögen auf die nächste Generation die Erbschaftsteuerregelung nicht dem Grundgesetz entspricht. „Von der Entscheidung des BVerfG´s sind vor allem familien- und eigentümergeführte Unternehmen negativ b etroffen. Eine erhöhte Steuerbelastung wird Betriebsübergaben in diesen Unternehmen künftig deutlich erschweren“, erklärt Rechtsanwalt Detlef Bischoff, Geschäftsführer der Connex Steuer- und Wirtschaftsberatung, der Firmen bei Übergaben berät.
Spätestens ab Juli 2016 sollen die neuen Vorschriften in Kraft treten. Bis der Gesetzgeber eine Neuregelung trifft, können Unternehmer somit die Verschonungsregelungen und Freibeträge zu den aktuellen Konditionen weiterhin nutzen. „Die Ungleichbehandlung von privatem und betrieblichem Vermögen ist insofern gerechtfertigt, als dass es für Unternehmen eine wichtige Voraussetzung ist, um die Nachfolgeplanung zu erleichtern und den Fortbestand der Familienbetriebe zu sichern“, sagt Detlef Bischoff.
Hoher Entscheidungsspielraum bei der Neuregelung
Das Karlsruher Gericht hat beschlossen, dass es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers liegt, kleine und mittlere Unternehmen steuerlich zu begünstigen. Wie die künftige Neuregelung konkret aussehen wird und welche Konsequenzen sich daraus ableiten, bleibt abzuwarten. „Der hohe Spielraum, der nun dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einer neuen Regelung zu Teil wird, ist mit einem großen Risiko verbunden. Theoretisch könnten nun die Steuerprivilegien nur für bestimmte Unternehmensrechtsformen beschränkt werden. Ein mögliches Szenario wäre, dass Kapitalgesellschaften, also nicht personengeführte Unternehmen, keinerlei Aussicht mehr auf die Verschonungsregelungen hätten“, erklärt Unternehmensexperte Detlef Bischoff.
Bisher: Unternehmensnachfolge zum Schnäppchenpreis
Zuletzt 2009 reformiert, verschonte die Erbschafts- und Schenkungssteuerregelung maßgeblich das Betriebsvermögen vor zusätzlicher Steuerbelastung. Bislang waren familieninterne Lösungen bei Firmenübergaben mit erheblichen Steuervergünstigungen von sogar bis zu 100 Prozent verbunden. Voraussetzung hierfür war die Fortführung des Unternehmens über mehrere Jahre und die Sicherung der Arbeitsplätze. Kleinere Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten waren von dieser Voraussetzung sogar ganz befreit. 2012 forderte der Bundesrat eine erneute Reform. Der Bundesfinanzhof beanstandete daraufhin das geltende Erbschaftsteuerrecht als verfassungswidrig. Unternehmer nutzten infolge dessen, aus Angst vor drohenden Planungsunsicherheiten bei Betriebsübergaben, vermehrt die Schenkungsfreibeträge für nahe Angehörige und erzielten dadurch immense Steuereinsparungen.