Kaum ist die Frauenquote für Aufsichtsräte im Bundestag abgenickt, sorgt ein neues Projekt von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig für Aufregung in der Wirtschaft. Und diesmal geht es um sehr viel Weitreichenderes: ums Geld – genauer gesagt, um eine gerechte Entlohnung für Frauen.
Neues Gesetz zur Überprüfbarkeit von Löhnen geplant
Die heutige Arbeitswelt scheint – endlich – auch für Frauen genügend Anreize und Möglichkeiten zu bieten. Home Office, flexible Arbeitszeitmodelle und Babypausen für Väter sollten es ihnen leichter machen, Beruf und Familie zu vereinbaren. Doch leider hinkt die Realität immer noch weit hinter den Möglichkeiten und Erwartungen her. Die deutlichste Hürde ist nach wie vor die ungleiche Bezahlung: Im Durchschnitt verdienten lt. statistischem Bundesamt noch 2013 Frauen brutto 22 Prozent weniger als Männer – ein Wert, der sich bisher kaum geändert haben dürfte.
Nun könnte noch in diesem Sommer Bewegung in das Thema kommen. Denn im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung ist eine gesetzliche Regelung vorgesehen, die nach Absicht von Ministerin Schwesig in den kommenden Monaten erarbeitet wird: Frauen in Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sollen nachschauen können, ob ihr Gehalt fair ist oder hinter dem der männlichen Kollegen zurückbleibt. „Es wird nicht möglich sein, das Gehalt eines einzelnen Kollegen zu erfragen,“ erklärte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig laut dpa, „aber es wird möglich sein zu prüfen, ob die eigene Einstufung in einer vergleichbaren Gruppe erfolgt ist.“
Die Rechtslage erfordert schon heute Gleichbehandlung
Es überrascht nicht, dass die Wirtschaft dagegen Protest einlegt. Denn mit der Überprüfbarkeit gleicher Entlohnung ist zwangsläufig verbunden, dass eine der heiligsten Kühe der deutschen Arbeitswelt geschlachtet wird: das Schweigen über Löhne und Gehälter. Während man in den USA diese Information oft schon fast aufgenötigt bekommt („I’m making XY bucks a year …“), rangiert das Thema bei uns als Tabu noch hinter sexuellen Vorlieben. Oft steht sogar im Arbeitsvertrag, dass über das Gehalt nicht gesprochen werden darf. Dabei ist eine solche Klausel unzulässig: So hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteil 2 Sa 237/09) schon 2009 entschieden, dass es Angestellten möglich sein muss, Ungerechtigkeiten beim Entgelt zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen.
Ferner besteht zwar in Deutschland bisher der Grundsatz der Vertragsfreiheit: Ein Arbeitgeber kann das Gehalt und andere Vergünstigungen und Zuwendungen in einem nicht tariflich geregelten Arbeitsvertrag nach eigenem Ermessen festlegen. Doch Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) schreibt gleiches Gehalt bei gleicher Tätigkeit für Männer und Frauen vor: Diskriminierende Regelungen sind in der gesamten EU auch in individuellen Verträgen verboten – und dies kann laut EuGH ein Arbeitnehmer auch jederzeit einklagen. Ein entsprechendes Diskriminierungsverbot enthält auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG (§ 2 Abs. 1 Satz 2 AGG): Danach muss ein Arbeitgeber, wenn er für eine bestimmte Arbeit eine Gehaltshöhe festgelegt hat, alle Arbeitnehmer gleich bezahlen, die in diese Kategorie fallen.
Wer zuerst Offenheit zeigt, gewinnt
Was jedoch bei all der Aufregung über Ministerin Schwesigs neues Gesetz leicht verloren geht, sind die Chancen, die sich einem Unternehmen hier bieten. Gerade Frauen und ihre Denkansätze sind es, die laut der im vergangenen September erschienen Studie „Gute Führung“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Arbeitswelt der Zukunft gebraucht werden. Wer hier vorausgeht und eine gerechte Entlohnung offensiv als Element seines Arbeitgeber-Images nutzt, hat gute Chancen, beim Wettkampf um die besten Talente die Nase vorn zu haben. Dabei lassen sich auch andere geldwerte Vorteile wie ein Essens- oder Fahrtkostenzuschuss, die Übernahme von Mobiltelefongebühren oder weitere, steuerfreie Zuzahlungen als Pluspunkte einsetzen. Last not least ist Gerechtigkeit an sich ein Motivationsfaktor: Wo jeder definitiv weiß, dass alle gleich behandelt werden, ist auch die Zusammenarbeit besser und vertrauensvoller.