Depressionen, chronische Erschöpfung, Ängste: Der Arbeitsausfall aufgrund psychischer Erkrankungen erreichte 2022 einen neuen Höchststand. Mit 301 Fehltagen je 100 Versicherte lagen die Fehlzeiten wegen dieser Erkrankungen um 48 Prozent über dem Niveau von vor zehn Jahren. Das zeigt der aktuelle Psychreport der DAK-Gesundheit auf Basis der Krankschreibungen von 2,4 Millionen DAK-versicherten Beschäftigten. Im Vergleich zum Vorjahr hatten junge Berufstätige den stärksten Anstieg mit 24 Prozent bei den 25- bis 29-jährigen Frauen und 29 Prozent bei den gleichaltrigen Männern. Die mit Abstand meisten Krankschreibungen gab es im Gesundheitswesen.
„Der neue Höchststand bei den psychischen Erkrankungen ist besorgniserregend, weil zunehmend auch junge Erwachsene betroffen sind und im Job ausfallen“, sagt Andreas Storm, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Stressreiche Phasen – auch während der Pandemie – haben für sie das Risiko erhöht, etwa an einer Depression zu erkranken. Wir müssen Fragen der seelischen Gesundheit am Arbeitsplatz noch mehr Beachtung schenken, insbesondere, wenn es um Auszubildende und junge Beschäftigte geht.“ Diese seien erst am Anfang ihres Berufslebens und dürften nicht Gefahr laufen, eines Tages verfrüht ausgebrannt zu sein und aussteigen zu müssen.
Über alle Altersgruppen hinweg waren auch 2022 Depressionen der wichtigste Krankschreibungsgrund mit 118 Fehltagen je 100 Versicherte. Auf Platz zwei kamen Belastungs- und Anpassungsstörungen mit 77 Tagen. Sie hatten mit einem Plus von 12,4 Prozent den stärksten Zuwachs. Auf andere neurotische Störungen, wie zum Beispiel chronische Erschöpfung entfielen 34 Fehltage je 100 Versicherte und auf Angststörungen 23 Tage.
Ältere Beschäftigten haben auch bei psychischen Erkrankungen mehr Fehlzeiten als jüngere. Für 2022 zeigen sich jedoch bei jüngeren die deutlichsten Zuwächse: Besonders auffällig ist bei den Männern die Altersgruppe zwischen 24 und 29 Jahre mit 29 Prozent mehr Fehltagen. Bei weiblichen Beschäftigten gab es im gleichen Alter einen Zuwachs von 24 Prozent. Die 20- bis 24-Jährigen hatten ebenfalls fast ein Viertel mehr Fehltage als gleichaltrige Frauen im Vorjahr.
Wegen psychischer Probleme hatte erneut das Gesundheitswesen die meisten Ausfälle, gefolgt von der öffentlichen Verwaltung. Diese Branchen sind die einzigen, die sehr deutlich über dem Durchschnitt liegen, und zwar um 44 beziehungsweise 20 Prozent. Mit Blick auf die Berufe fällt auf: Beschäftigte, die sich in ihrem beruflichen Alltag um das Wohlbefinden anderer Menschen kümmern, sind psychisch am meisten belastet. Erzieher, Sozialpädagogen und Theologinnen haben zwei Drittel mehr Fehltage wegen psychischer Erkrankungen als andere, 2022 bezogen auf 100 Versicherte 494 Tage. Altenpflegekräfte gehören mit 480 Fehltagen je 100 Versicherte ebenfalls zu denjenigen, die besonders betroffen sind.
Der erneute Anstieg bei den Fehltagen hängt nach Ansicht der DAK-Gesundheit zum Teil auch mit der neuen elektronischen Meldung der Krankschreibungen zusammen. Seit Anfang 2022 gehen Krankmeldungen von den Arztpraxen direkt an die Krankenkassen und müssen nicht mehr von den Versicherten selbst eingereicht werden. Durch die sogenannte eAU tauchen nun auch Krankheitsfälle in der Statistik auf, die in der Vergangenheit nicht erfasst wurden, weil die gelben Zettel bei den Versicherten liegenblieben. „Wir haben in der aktuellen Statistik 31 Prozent mehr Krankschreibungen von sehr kurzer Dauer. Vermutlich hatten wir bisher insbesondere bei Menschen eine Untererfassung, die nur wenige Tage bei einem Fall erkrankt sind“, sagt Andreas Storm.
Firmen und Arbeitgeber sollten sich vor diesem Hintergrund verstärkt mit Fragen der psychischen Gesundheit ihrer Belegschaft beschäftigen. Im betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) geht es dabei zunehmend um die sogenannte Resilienz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch der gesamten Organisation. Resilienz wird von Fachleuten als „Immunsystem der Psyche“ bezeichnet und meint unter anderem die Fähigkeit, trotz Stress handlungsfähig und gesund zu bleiben. Das geht nur mit den passenden Rahmenbedingungen in der Organisation.
Quelle: DAK-Gesundheit