In seiner Serie „Ersatzverfahren des Jahres“ konzentriert sich der Bundesverband Menschen für Tierrechte diesmal auf ein neues Verfahren, mit dem man Schädigungen der Nervenzellentwicklung des Kindes im Mutterleib feststellen kann. Studien zeigen, dass die Fälle von Verhaltensstörungen, die durch schädliche Substanzen ausgelöst werden, zunehmen. Hinzu kommt, dass in Tests auf Entwicklungsneurotoxikologie (ENT) unzählige Tiere ihr Leben lassen. Beim „Ersatzverfahren des Jahres“ geht es um eine Lösung für beide Probleme: die leidvollen Tierversuche zu beenden und neue Verfahren für sichere Vorhersagen zu finden.
Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Wissenschaftler warnen, dass Autismus, Lernbehinderungen oder Aufmerksamkeitsdefizitstörungen bei Kindern zunehmen. Um schädliche Substanzen rechtzeitig ausfindig zu machen, schreibt der Gesetzgeber noch immer Tierversuche vor. Jährlich fallen in Deutschland ungefähr ein Viertel aller „Versuchstiere“ solch gesetzlich vorgeschriebenen Versuchen zum Opfer. Laut Bundesstatistik waren das 2017 insgesamt 556.946 Tiere, der Großteil davon Mäuse und Ratten. Knapp die Hälfte davon starb für Giftigkeits- und Sicherheitsprüfungen.
1000 Tiere pro Prüfsubstanz
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gibt in der Richtlinie 426 vor, wie die nervenschädigende Wirkung von Substanzen gemessen werden muss. Da die potenziell schädlichen Stoffe an Rattenweibchen und ihren Welpen getestet werden, müssen dafür derzeit etwa 1000 Tiere pro Prüfsubstanz gezüchtet und getötet werden. Abgesehen vom Leid der Tiere kritisieren Wissenschaftler die Tests auf Entwicklungsneurotoxikologie (ENT) wegen ihrer mangelhaften Übertragbarkeit, der langen Laufzeit und den hohen Kosten.
Unsicher und grausam: Tests am Tier
„Die meisten entwicklungsneurotoxischen Phänomene können am Tier gar nicht gemessen werden. Zudem sind die Versuche für die Pharmabranche enorm kosten- und zeitintensiv. Umso dringlicher ist der Bedarf an neuen leistungsfähigen Verfahren„, so Dr. Christiane Hohensee, wissenschaftliche Referentin beim Bundesverband und Leiterin von InVitro+Jobs, dem Portal für die tierversuchsfreie Forschung.
In der Entwicklung:
Neue tierfreie TeststrategieUm Gefahren auf die Hirnentwicklung sicher feststellen zu können, arbeitet die European Food Safety Authority (EFSA) derzeit gemeinsam mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen an einer kosteneffizienten Strategie auf Basis einer zuverlässigen in-vitro-Testbatterie. Das Verfahren ist schon weit fortgeschritten: Derzeit sind bereits 17 in-vitro-Methoden bei der europäischen Validierungsbehörde EURL ECVAM im Beurteilungsprozess.
Tierfreie Forschung ausbauen
„Es ist großartig, dass die neue Teststrategie endlich validiert wird. Doch es gibt ein Problem: Das Anerkennungsverfahren dauert zwischen sechs und 15 Jahre! Das muss schneller gehen. Außerdem muss die tierversuchsfreie Forschung massiv ausgebaut werden, insbesondere durch die Erhöhung der Forschungsgelder innerhalb Deutschlands und der EU. Es ist im Interesse aller, dass diese neue Teststrategie so schnell wie möglich angewendet wird“, mahnt Hohensee.
Quelle: Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.