Lernen von der Queen: So setzen Kandidatinnen und Kandidaten in Online-Job-Interviews die richtigen Akzente
Durch die Pandemie hat sich auch die Rekrutierung von Führungskräften und Top-Executives deutlich verändert: anstatt persönlicher Gespräche dominieren Videokonferenzen – auch auf höchster Ebene mit Aufsichts- oder Beirat, Vorstand oder Geschäftsführung. Damit ändern sich einige Spielregeln. Floriane Ramsauer von der Personal- und Organisationsberatung Korn Ferry erklärt, auf welche Feinheiten Kandidatinnen und Kandidaten bei der virtuellen Vorstellung heute unbedingt achten müssen.
1) Richtigen Rahmen schaffen: Wählen Sie gezielt Ihr Setting aus
„Wer bisher zu einem persönlichen Interview erscheinen durfte, der hat penibel auf die Spielregeln der jeweiligen Branche und Hierarchieebene geachtet“, sagt Floriane Ramsauer, Partnerin im Bereich Executive Search von Korn Ferry. „Mit der Video-Konferenz kommt eine neue Dimension dazu: nicht mehr nur der potenzielle Arbeitgeber gibt den Rahmen und die Umgebung für das Meeting vor. Kandidatinnen und Kandidaten bringen ihre eigene Umgebung plötzlich mit ins Gespräch ein. Die Sockenfarbe spielt da keine Rolle mehr, denn die kann man nicht sehen. Genauso wenig das Auto, mit dem man vorfährt – denn niemand fährt vor. Ganz anders sieht es aber mit den Umgebungsdetails aus.“ Kandidatinnen und Kandidaten sollten darum genau überlegen, in welcher Umgebung sie ein Meeting stattfinden lassen: im Wohnzimmer? Auf dem Dachboden? Im Keller? Auf der Terrasse? Mit digitalem Hintergrund? Floriane Ramsauer sagt: „Überdenken Sie genau: Was ist angemessen? Ich empfehle, auf eine gepflegte, funktionale Umgebung zu setzen. Das kann auch schon mal ein paar Einblicke in die privaten Räumlichkeiten erlauben, sollte aber dennoch nicht zu viel des Guten sein. Wer über keine geeignete Location verfügt, sollte einen digitalen Hintergrund wählen.“
2) Keinen Grusel-Film präsentieren: Stellen Sie die Kamera richtig ein
„In Grusel- und Gangsterfilmen werden die Bösen immer von unten gezeigt“, sagt Floriane Ramsauer. „Denn Menschen erscheinen so besonders unvorteilhaft. Mit einer solchen Bild- Einstellung sollten Sie auf keinen Fall ins Interview gehen.“ Die Personalberaterin rät: „Probieren Sie das ideale Bild unbedingt vorher aus. Nutzen Sie die richtige Distanz zwischen Ihnen und der Kamera. Sorgen Sie für genug Licht im Raum, setzen Sie sich nicht vor eine Fensterscheibe – sie werden dann für Ihren Interview-Partner kaum sichtbar sein. Und teilen Sie, soweit möglich, auch den Bildausschnitt angenehm auf. Geben Sie zwei Drittel zum Beispiel Ihrem Hintergrund, platzieren Sie sich in einem Drittel. Sie müssen kein Regie- oder Fernsehprofi sein, um eine gute Einstellung zu finden. Probieren Sie aus und verlassen Sie sich auf Ihre Intuition. Stellen Sie sich die Frage: Wie wirke ich gerade auf einen Dritten, der mich nicht kennt?“
3) Lernen von der Queen: Setzen Sie Gegenstände strategisch ein
Wenn die Queen of England Ihre Ansprachen abhält, dann hat sie stets Bilder gezielt platziert. „Die halbe Welt spricht danach darüber, welche Familienmitglieder nun auf den Bildern zu sehen waren und welche nicht. Auch bestimmte Gegenstände werden strategisch eingesetzt“, sagt Floriane Ramsauer. „Und damit sendet die Queen ein Zeichen, ohne auch nur ein Wort zu verlieren, wie es gerade um wen im Königshaus steht. Nutzen auch Sie subtil diese Technik, um einige Informationen über sich preiszugeben.“ Wenn Sie transportieren möchten, dass Sie Kinder haben, könnten sie ein von Ihren Kindern gemaltes Bild platzieren. Möchten Sie auf ein Hobby hinweisen, überprüfen Sie, ob Sie den entsprechenden Ball auf dem Schreibtisch ablegen können. Wollen Sie Interesse für Ihren internationalen Background untermauern, platzieren Sie ein Souvenir. Floriane Ramsauer sagt: „Denken Sie einfach daran, was Sie sonst mit Ihrer Kleidung versuchen, subtil zu transportieren. Und gehen Sie in diesem Kontext ähnlich vor. Je nach Position und Branche haben Sie hier ganz unterschiedliche Möglichkeiten, strategisch Botschaften zu senden. Ich empfehle aber auch, diese Möglichkeit nicht zu übertreiben. Wenn Ihr Schreibtisch ‚künstlich‘ vollgepackt wirkt, wird das eher unvorteilhaft interpretiert werden. Und rechnen Sie damit, dass Sie auf einen Gegenstand angesprochen werden. Wenn sie nicht Golf spielen, dann lassen Sie den Ball weg. Sonst kann es schnell peinlich werden.“
4) Physische Nähe simulieren: Tun Sie nichts, was Sie nicht auch in einem persönlichen Meeting machen würden
Floriane Ramsauer sagt: „Mir ist es zuletzt passiert, dass ein Kandidat noch vor Ende des Gesprächs angefangen hat, seinen Schreibtisch aufzuräumen – als ob er ganz ungestört und allein wäre. Damit hat er sich selbst aus dem Rennen genommen. Er hatte wohl vergessen: Kamera einmal an, Kamera immer an.“ Die Personalberaterin rät, sich jederzeit zu verdeutlichen, dass die physische Abwesenheit keine Einladung dazu ist, sich anders als in einem persönlichen Meeting zu verhalten. „Tun Sie einfach so, als ob Ihre Gesprächspartner mit Ihnen im gleichen Raum sitzen würden. Spielen Sie nicht mit Gegenständen, schauen Sie nicht aufs Handy und fokussieren Sie Ihre Gesprächspartner.“
5) Digitale Ablenkung minimieren: Stellen Sie alle Nachrichtendienste aus
Um diesen Fokus in Offline-Meetings sicherzustellen genügt es zumeist, das Handy auf ‚lautlos‘ zu schalten und keine digitalen Endgeräte hervorzuholen. „Das passiert auch sehr selten“, sagt Floriane Ramsauer. „Und wenn mal eine Präsentation gehalten wird, dann sind Notebooks häufig offline. Das sieht bei den meisten Kandidatinnen und Kandidaten zu Hause natürlich ganz anders aus. Jeder kennt das Problem: gerade findet ein wichtiges Gespräch statt – und das Mail-Programm, der Messenger oder auch nur eine News-Seite blenden über das Video Nachrichten ein. Sofort ist die Konzentration dahin, vor allem wenn der Inhalt auch noch brisant erscheint. Das kann jede Interview-Situation ruinieren, wenn einem plötzlich der Faden fehlt.“ Ramsauer empfiehlt darum so viele Programme wie technisch irgendwie möglich zu schließen, Handy und Tablet ebenfalls wie in einem physischen Meeting wegzupacken und die möglichen Störungsquellen so gut es geht vollständig zu beseitigen. „Investieren Sie auch die Zeit noch einmal zu klären, wie Sie zum Beispiel Websites davon abhalten, Ihnen automatisiert News zuzusenden“, sagt Floriane Ramsauer. „Das mag im Vorfeld kleinteilig erscheinen. Aber im Gespräch zahlt sich absolute Ungestörtheit aus.“
Quelle: Korn Ferry (DE) GmbH