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Zukunft der Arbeit

Zwischen Entgrenzung und Begrenzung – die Arbeit von morgen fordert einen Wandel in den Unternehmen

Berlin – Neue Ansprüche, alte Denkmuster: Die deutsche Wissensökonomie ist unter Spannung. Einerseits werden die Aufgaben in Forschung, Beratung, IT oder Management zunehmend komplex. Projektbezogene Arbeit ist der Lösungsansatz. Vernetzte Teams, die neue Anforderungen an Mitarbeiter stellen. Andererseits sind Führungskräfte und auch Personalabteilungen noch zu oft in überholten Prozessen gefangen. Bis zu 80 Prozent der Versuche, einen entsprechenden Wandel in der Unternehmenskultur herbeizuführen, scheitern, hieß es auf dem zweiten DKB-Zukunftsforum am 24. September.

Hartmut Deiwick (Aponeo) auf dem DKB-Zukunftsforum am 24. September auf Schloss & Gut Liebenberg bei Berlin: „Man muss hinter dem Wandel stehen. Und ihn dann auch kommunizieren." /// Foto: Monique Wüstenhagen
Hartmut Deiwick (Aponeo) auf dem DKB-Zukunftsforum am 24. September auf Schloss & Gut Liebenberg bei Berlin: „Man muss hinter dem Wandel stehen. Und ihn dann auch kommunizieren.“ /// Foto: Monique Wüstenhagen

Ein Schlüsselfaktor für die Arbeit der Zukunft scheint Kommunikation zu sein. „Kommunikation unter den Mitarbeitern war früher nicht gewünscht. Mehr noch. Sie war ein Störfaktor, der nicht an den Arbeitsplatz gehörte“, sagt Christiane Funken. Sie ist Professorin für Soziologie an der Technischen Universität Berlin. Heute sei Kommunikation kein Störfaktor mehr. Im Gegenteil: „Sie ist längst die eigentliche Arbeit. Die Kommunikation und das Vernetzen von Wissen ist in der projektbezogenen Teamarbeit wichtiger denn je.“ Emphatisch, mit psychologischem Gespür, teamfähig – das seien die Anforderungen an die Mitarbeiter von heute und morgen. Auch Kreativität, früher ebenfalls eher störend, ist mittlerweile Teil der Norm, ein neues Leitbild. Zudem werde ein Höchstmaß an Flexibilität und Motivation gefordert. „Mitarbeiter sollten sich möglichst mit Haut und Haaren als ganze Person in die Firma einbringen.“

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Einher gehe damit eine gewisse Entgrenzung der Arbeit – und zwar in Zeit und Raum. „Die Arbeit ist schon da, wenn ich morgens aufstehe“, beschreibt Funken das Gefühl vieler Menschen, die mit dem Smartphone neben dem Bett schlafen. „Früher wurde Anwesenheit am Arbeitsplatz mit Leistung gleichgesetzt. Heute ist es die permanente Erreichbarkeit. Die klassische Arbeitszeit ist kein Begriff mehr, der zählt.“ Eine Entgrenzung, die man kritisieren oder begrüßen mag: „Sie ist Realität. Umkehren lässt sich das nicht.“

Gerade die jungen Generationen seien durchaus bereit, alles zu geben. Es entwickelten sich hier zunehmend so genannte Arbeitskraftunternehmer, die ihre eigene Leistung permanent zu optimieren versuchten. Aber: Sie fänden nicht immer die erforderlichen Rahmenbedingungen. Es gebe in vielen Unternehmen noch immer ein bremsendes Nebeneinander von alten Werten und neuem Anspruch. Die Folge sind Widersprüche und Frustration, wenn beispielsweise ein traditionell autoritärer Führungsstil mit engen Vorgaben innovative Lösungen fordert. „Kreativität ist nicht auf Knopfdruck zu haben. Wenn jemand den ganzen Menschen fordert, dann muss er das auch zulassen.“ Die Unternehmen seien hier in der Pflicht, es gehe auch um Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber.

Maren Lehky, ebenfalls Soziologin und Beraterin, fordert einen entsprechenden neuen Führungsstil. „Mitarbeiter verlassen nicht Unternehmen, sie verlassen ihre Vorgesetzten.“ Erneut spiele Kommunikation eine wichtige Rolle, beispielsweise beim Thema Wertschätzung. „Menschen brauchen Nestwärme. Wenn eine Führungskraft einen Mitarbeiter loben möchte, dann bitte nicht kurz per Mail, sondern persönlich, von Angesicht zu Angesicht.“ Lehky betont, dass Führungskräfte auch zunehmend die Sinnhaftigkeit von Aufgaben vermitteln müssten. Vor allem junge Menschen wollen keine bloßen Erfüllungsgehilfen sein. „Ich will den Sinn nicht in einer Weltreise nach der Rente finden, sondern täglich“, zitiert sie einen 31-jährigen Werbestrategen.

Ähnlich wie Funken sieht auch Lehky zu enge Vorgaben als Problem. Sie plädiert für flexible Leitplanken statt starre Vorschriften. Für Experimentierfreude und Vertrauen. Und insgesamt für eine größere Sensibilisierung in Führungsfragen. Manchmal sei der Seitenschritt, also eine Expertenkarriere, besser als ein Aufstieg, wenn eine Person als Führungskraft mehr schade als helfe – ein Punkt, in dem sich Lehky und Funken ebenfalls einig sind. Und: „Neben die neue Führungskultur müssen auch neue Strukturen treten“, so Lehky. Beides solle gleichermaßen die sich ändernden Anforderungen an die Unternehmen und auch die neuen Ansprüche der Mitarbeiter berücksichtigen.

Leicht sei das nicht. „Viele Führungskräfte stehen in Wirklichkeit gar nicht hinter dem Wandel, den sie vorgeblich wollen. Außerdem ist die Kommunikation oft nach wie vor nicht angemessen.“ Es werde zu selten kommuniziert, was dazu geführt habe, dass sich etwas ändern müsse. „Nur dann kann man doch über Veränderungen reden. Wenn man sie erklärt.“

Hartmut Deiwick hat gute Erfahrungen mit Veränderungen gemacht. Er ist kaufmännischer Leiter der Online-Apotheke Aponeo. Ursprünglich eine reine stationäre Apotheke, sei das Unternehmen zusätzlich zu einem Versandhändler geworden. Ein erster großer Schritt. Zunächst wurden Medikamente, Beautyprodukte und Co. per Hand sortiert und verschickt, später teilautomatisiert – ein weiterer drastischer Wandel. Das Unternehmen ist gewachsen, die Folge waren neue Organisationsformen und neue Führungspositionen. Auch bei den Services habe es immer wieder Veränderungen gegeben, ein Beispiel sei die Zustellung von Paketen noch am Tag der Bestellung. Die so genannte Same-Day-Delivery gelte als Zukunftsfeld, an das sich viele E-Commerce-Unternehmen aber noch immer nicht herantrauten. Demnächst stehe ein Unternehmensumzug an, der Automatisierungsgrad werde in diesem Zusammenhang noch einmal erhöht.

Viel Wandel, viel Bewegung, neue Führungskräfte – und natürlich auch Ängste und teilweise Ablehnung der Mitarbeiter. „Bei uns arbeiten Apotheker und gut ausgebildete pharmazeutische Fachangestellte. Sie wollen wissen, warum Prozesse, die doch eigentlich gut funktionieren, immer wieder hinterfragt und geändert werden.“ Auch Deiwick plädiert dafür, zunächst einmal hinter dem Wandel zu stehen. Und ihn dann entsprechend zu kommunizieren. „Wenn wir im Team beschließen, etwas zu ändern, egal ob die Idee von unten oder oben kommt, stellt sich die Frage, wer es am besten erklären kann. Oft ist es derjenige, der die Idee hatte. Ich würde hier nicht indirekt über Dritte kommunizieren, dabei geht immer viel verloren. Letztendlich ist es doch die Freude, etwas Besonderes zu machen, die uns Menschen antreibt. Und das Gefühl schwappt dann irgendwann auch auf die anderen über.“

Quelle: APONEO Apotheke

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