Coaching für Unternehmer: Warum der deutsche Mittelstand noch zu oft im toten Winkel fährt
Eine Kolumne von Christian Holzhausen

In den USA gehört es längst zur Kultur: Unternehmer arbeiten gezielt an ihrer Persönlichkeit und Identität, um ihr Unternehmen erfolgreicher zu führen. Persönlichkeitsentwicklung ist dort kein Tabuthema, sondern ein wesentlicher Baustein für unternehmerischen Erfolg. Man weiß: Ein Unternehmen wächst nur so stark wie der Mensch, der es führt.
Im deutschen Mittelstand hingegen herrscht häufig Zurückhaltung. Coaching wird skeptisch betrachtet, oft begleitet von Fragen wie: „Wozu brauche ich das? Kann ich das nicht allein?“ Dahinter steckt meist das verbreitete Leistungsdenken: Viel Arbeit = viel Erfolg. Doch gerade hier liegt das Problem. Wer sich nur auf harte Arbeit und äußere Strategien verlässt, übersieht den entscheidenden Hebel – sich selbst.
Was Coaching ist – und was es nicht ist
Coaching ist nicht die nächste „geheime Erfolgsstrategie“, die über Nacht Millionen verspricht. Es ist kein Zaubermittel und schon gar keine Sammlung von schnellen Tricks. Coaching ist der bewusste Prozess der Reflexion. Es geht darum, sich selbst klarer zu sehen: die eigenen Stärken zu erkennen, Werte zu definieren und unbewusste Blockaden aufzudecken.
Was Coaching nicht bietet, sind allgemeine Fahrpläne oder Lösungen, die jedem Unternehmer gleichermaßen passen. Denn gerade diese „Einheitsstrategien“, die oft von selbsternannten „Erfolgscoaches“ verkauft werden, führen häufig zu Frustration. Ein Unternehmen ist so individuell wie sein Gründer – daher braucht es auch individuelle Antworten.
Der tote Winkel: Was Unternehmer oft übersehen
Ein toter Winkel entsteht nicht nur im Straßenverkehr. Auch im Unternehmertum gibt es Bereiche, die wir selbst nicht sehen, weil wir zu tief im Tagesgeschäft stecken. Viele deutsche Unternehmer arbeiten hart, optimieren Prozesse und Strategien – und wundern sich, warum sie trotz all dieser Anstrengung nicht weiterkommen.
Oft sind es unbewusste Überzeugungen, Selbstzweifel oder fehlende Klarheit über das eigene „Warum“, die den Fortschritt blockieren. Diese toten Winkel bleiben unentdeckt, solange Unternehmer glauben, sie müssten alles allein bewältigen. Das Problem: Was wir nicht sehen, können wir nicht verändern.
Im internationalen Vergleich fällt auf: Während Persönlichkeitsentwicklung in anderen Ländern wie den USA längst als Teil der Unternehmerarbeit gilt, tun sich deutsche Unternehmer oft schwer, diesen Schritt zu gehen. Der Mittelstand verlässt sich lieber auf Altbewährtes – auch wenn der Druck wächst und die Erfolge stagnieren.
Warum der deutsche Mittelstand zögert
Ein Grund für die Zurückhaltung liegt im tief verankerten Glauben, dass Erfolg ausschließlich durch harte Arbeit und operative Maßnahmen entsteht. Persönliche Entwicklung wird hingegen als „weicher Faktor“ abgetan. Hinzu kommt ein Misstrauen gegenüber dem Begriff Coaching – zu oft wurde er durch marktschreierische Erfolgsversprechen in Verruf gebracht.
Doch Coaching ist weder Luxus noch Schwäche. Es ist eine bewusste Entscheidung, den toten Winkel sichtbar zu machen. Denn: Kein Unternehmer sieht sich selbst vollkommen klar. Blinde Flecken existieren bei uns allen. Wer sie erkennt, kann neue Wege einschlagen und bisher ungenutztes Potenzial entfalten.
Unternehmerische Identität: Der Schlüssel zu Wachstum
Ein Unternehmen spiegelt oft den Menschen wider, der es führt. Unsicherheit, fehlende Klarheit oder unbewusste Blockaden übertragen sich auf das Business. Persönlichkeitsentwicklung bedeutet, sich den Fragen zu stellen, die wirklich entscheidend sind:
- Was treibt mich an?
- Welche Werte leiten mich?
- Welche inneren Überzeugungen blockieren mich?
Wer Antworten auf diese Fragen findet, gewinnt Klarheit. Diese Klarheit sorgt für bessere Entscheidungen, mehr Gelassenheit in Krisen und eine stärkere Ausrichtung auf das Wesentliche. Unternehmer, die an ihrer Identität arbeiten, erleben oft, dass plötzlich mehr Leichtigkeit und Wachstum möglich sind – ohne noch härter arbeiten zu müssen.
Wachstum beginnt bei der inneren Arbeit
Die großen Hebel für Erfolg liegen nicht in der nächsten Strategie oder im nächsten Prozess. Sie liegen in der inneren Arbeit: in der Auseinandersetzung mit sich selbst, den eigenen Werten und mentalen Mustern. Fragen wie:
- „Wer bin ich als Unternehmer?“
- „Was hält mich wirklich zurück?“
- „Welche Stärken will ich bewusster nutzen?“
Diese innere Klarheit schafft die Grundlage für alles Weitere. Wer sich selbst führt, kann sein Unternehmen besser führen. Wer seine blinden Flecken erkennt, vermeidet es, immer wieder in dieselben Fallen zu tappen.
Fazit: Der Blick in den Spiegel entscheidet
Der deutsche Mittelstand steht vor der Herausforderung, sich neu zu definieren. In einer Welt, die immer dynamischer und komplexer wird, reicht es nicht aus, nur an Prozessen und Strategien zu arbeiten. Unternehmer müssen bereit sein, in sich selbst zu investieren – nicht als Zeichen von Schwäche, sondern als Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg.
Persönlichkeitsentwicklung und Coaching bieten die Möglichkeit, die toten Winkel zu überwinden und das eigene Potenzial voll auszuschöpfen. Wachstum beginnt nicht im Außen, sondern in der Auseinandersetzung mit sich selbst.
Wer sich traut, diesen Blick in den Spiegel zu wagen, wird nicht nur klarer sehen, sondern auch klarer führen.
Autorenprofil:
Christian Holzhausen ist MiNa-Kolumnist, Moderator, Coach und Business-Trainer mit langjähriger Erfahrung in der Unternehmenswelt. Seine Schwerpunkte liegen in der Förderung von Gelassenheit im Business-Alltag sowie in der sinn- und werteorientierten Gestaltung von Unternehmen und Leben. Er begleitet Unternehmer und Führungskräfte dabei, ihre Potenziale zu erkennen, Klarheit zu gewinnen und nachhaltigen Erfolg zu gestalten. Mit Empathie und einem Fokus auf das Wesentliche teilt er als Autor praxisnahe Impulse, die inspirieren und echte Transformation ermöglichen.