Gegen den Fachkräftemangel helfen keine Sonntagsreden
Eine Kolumne von Reiner Huthmacher

Der Fachkräftemangel war Wahlkampfthema. Und in der Tat: Wenn die deutsche Wirtschaft wieder wachsen soll, müssen Fachkräfte gewonnen und vor allem gehalten werden. Das ist unstreitig. In Sonntagsreden der Politiker aller Parteien ist viel von „Respekt“, „Wertschätzung“ und „Gerechtigkeit“ die Rede. Viel Konkretes haben die Parteien aber nicht im Angebot. Es bleibt zumeist bei Allgemeinplätzen. Dabei wird sich das Problem weder allein über die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte lösen lassen noch über Appelle an die Arbeitgeber, bessere Arbeitsbedingungen zu ermöglichen. Die Unternehmen sind bereits am Anschlag und können nicht auch noch für Wahlgeschenke herhalten. Der Staat selbst hat hingegen einige Hebel in der Hand, um etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun.
Mehr als Einzelmaßnahmen nötig
Einzelne Maßnahmen sind sinnvoll. Sachbezugsfreigrenzen könnten pauschal erhöht werden, um Unternehmen und Beschäftigten den Zugang zu erleichtern. Auch Freibeträge und Pauschalen etwa für Werbungskosten könnten steigen. Ebenso sollte die Anrechenbarkeit für Kosten durch berufsbedingte Abwesenheiten, die sogenannte Auslöse, verbessert werden. Und Unternehmen, die ihre Mitarbeiter zusätzlich besser krankenversichern, Zuschüsse zur Altersvorsorge leisten oder andere freiwillige soziale Benefits anbieten, sollten mehr Entlastung spüren – auf dem Konto und in Bezug auf die damit verbundene Bürokratie. Hier muss die neue Regierung handeln – durch einfache und transparente Lösungen, nicht durch aufwendige Winkelzüge.
Vereinfachen, standardisieren, pauschalieren und entbürokratisieren sind gefragt. Hier hat die Politik zukünftig eine wichtige Aufgabe. Die jetzigen Möglichkeiten sind kompliziert und ungerecht, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die es ohnehin derzeit schwer haben.
Politik muss handeln
Appellieren hilft nicht. Die Politik muss handeln – auch über die Erhöhung von Freigrenzen und steuerliche Anreize hinaus. Die bisherigen Ansätze reichen nicht. Am Ende wird sich dieses Handeln auch für den Staat rechnen, weil mehr Motivation und Mehrarbeit auch zu mehr Steuereinnahmen und höherer Produktivität führen. Wachstum wird letztlich nur von den Beschäftigten erreicht. Das muss auch den Parteien klar sein.
Arbeitgeberattraktivität ist Standortattraktivität
Unternehmen können durch sehr individuelle Mitarbeiterbindungs- und Mehrwertprogramme zur Steigerung ihrer Arbeitgeberattraktivität beitragen. Hier ist tatsächlich an vielen Stellen mehr Respekt möglich. Dieser Respekt muss sich jedoch auch im Portemonnaie derjenigen ausdrücken, die Leistung bringen. Dieser Gedanke sollte die Politik leiten. Neben steuerlichen Stellschrauben muss es zudem darum gehen, bürokratische Hürden etwa im Arbeitsrecht oder bei der Beantragung von Zuschüssen abzubauen. Fachkräftemangel ist ein Querschnittsthema der Politik und muss sich durch nahezu alle Ministerien und Behörden ziehen. Alle politischen Fragen sollten unter dem Aspekt betrachtet werden: Schafft der Ansatz Möglichkeiten zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität? Nutzt das den Unternehmen und den Beschäftigten? Fördert es deren Motivation? Die Politik ist schließlich für einen Großteil der Unzufriedenheit und Demotivation verantwortlich. Das muss sie heilen, egal, wer zukünftig regiert. Die Politik muss es Unternehmen leicht machen, Mitarbeiterbindungs- und Mehrwertprogramme zu entwickeln und so ihre Arbeitgeberattraktivität zu steigern. Gezielte Förderungen und Anreize sind sinnvoll. Denn Arbeitgeberattraktivität ist Standortattraktivität.
Es geht nicht um Steuergeschenke
Unternehmen müssen sich ihrerseits Gedanken über wirklich nachhaltige Konzepte machen. Plumpe Nettolohnoptimierung, bunte Pausenräume und Kickertische sind längst kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Vielmehr geht es heute um flexible Arbeitszeiten, Work-Life-Balance, Kinderbetreuung oder betriebliche Versorgungswerke. Zudem sind Fragen der Führung und der Nachhaltigkeit relevant. Das macht Arbeitgeberattraktivität aus, insbesondere für junge Beschäftigte.
Unternehmen und Politik müssen Hand in Hand arbeiten, um dies besser zu gewährleisten. Dann gelingt auch das, was in den politischen Sonntagsreden mit den Begriffen „Respekt“ und „Wertschätzung“ gemeint ist – nämlich eine belastbare Wertschöpfungsgemeinschaft, die spürt, dass man es gut mit ihr meint – im Portemonnaie und im Herzen. Es geht hier nicht um Steuergeschenke, wie viele zu Unrecht behaupten, sondern um die Zukunft ganzer Branchen.
Autorenprofil:
Reiner Huthmacher ist MiNa-Kolumnist seit mehr als 30 Jahren Unternehmer und Geschäftsführer mit umfassender Expertise in der Personal- und Versicherungsbranche. Als Entwickler des Spezialkonzeptes „Das kleine 1×1 der Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung” sowie als Bezirksdirektor der Gothaer Versicherung wird er als Vortragsredner häufig gebucht. Er hat schon in zahlreichen Betrieben in ganz Deutschland für mehr Motivation und Begeisterung in den Belegschaften gesorgt. Oft hat er sogar dafür sorgen können, dass Bewerber weitere Bewerber geworben haben.