
Richtig ist unzweifelhaft, dass Arbeitnehmern mehr Netto vom Brutto übrigbleiben muss. Eine reine Nettolohnoptimierung, wie sie von vielen Beratern empfohlen und vom Staat goutiert wird, ist aber der falsche Weg. Wer allein durch Gutscheine, Incentives und andere Sachbezüge den Nettolohn optimiert, macht damit einen strategischen Fehler. Denn dadurch werden auch die Sozialabgaben reduziert. Das ist kurzfristig ein kleiner Gewinn auf dem Lohnzettel, langfristig ergeben sich dadurch aber geringere Renten und reduzierte Sozialleistungen.
Nur Wissende profitieren
Die klassische Nettolohnoptimierung ist ein Rezept aus der Vergangenheit, das weder einer alternden Gesellschaft Rechnung trägt noch den wahren Bedürfnissen der Beschäftigten und Unternehmen entspricht. Ohnehin sind diese steuerlichen Schlupflöcher höchst ungerecht. Von ihnen profitieren nur Wissende, Unternehmen mit findigen Steuer- und großen HR-Abteilungen. Und die Kosten dieser Optimierung sind immens. Würden diese Gelder gleich an die Beschäftigten fließen, hätten alle mehr davon.
Mehr als Trinkgelder nötig
Gleichwohl kann es sinnvoll sein, die steuerlichen Sachbezugsfreigrenzen pauschal nach oben anzupassen, um so den Unternehmen und Beschäftigten, die dieses Mittel nutzen möchten, den Zugang zu erleichtern und einen echten Mehrwert zu schaffen. Freibeträge und Pauschalen etwa für Werbungskosten müssen steigen. Ebenso muss die Anrechenbarkeit für Kosten durch berufsbedingte Abwesenheiten, die sogenannte Auslöse, verbessert werden. Und wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter zusätzlich besser krankenversichert, Zuschüsse zur Altersvorsorge leistet oder andere soziale Benefits anbietet, muss sich dies auch tatsächlich mehr als bisher für beide Seiten lohnen. Im Ergebnis müssen mehr als Trinkgelder bei den Arbeitnehmern ankommen.
Kompliziert und ungerecht
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Vereinfachung und Standardisierung das Gebot der Stunde werden, damit tatsächlich alle Unternehmen profitieren können. Die jetzigen Möglichkeiten sind kompliziert und ungerecht, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die es ohnehin schwerer haben mit der Bürokratie klarzukommen.
Inflation intelligent ausgleichen
So mancher Mitarbeiter-Gutschein ergibt zudem aus taktischen Gründen keinen Sinn mehr. Wer vor zehn Jahren seinem Mitarbeiter einen monatlichen Tankgutschein in Höhe von 50 Euro spendiert hat, konnte noch mit Dank und Anerkennung rechnen. Heute ist das nicht mal mehr ein halber Tank voll. Der gewünschte Effekt, beim Tanken als Arbeitgeber positiv im Gedächtnis der Mitarbeiter zu sein, bleibt aus, wenn er sich nicht gar ins Gegenteil verkehrt. Die 50 Euro verpuffen schlicht im Strudel der allgemeinen Preissteigerungen.
Mitarbeiter-Benefits sind Teil der Markenidentität
Man muss heute seine Attraktivität als Arbeitgeber viel intelligenter angehen als früher. Die Inflation frisst viele vermeintliche Vorteile schlicht auf. Und einfache, schnelle rein monetäre Benefits verlieren ohnehin an Bedeutung. Hinzu kommt die Frage, ob beispielsweise ein Tankgutschein unter Umweltgesichtspunkten noch sinnvoll ist. Hier werden teils widerstreitende Interessen staatlich subventioniert und gesellschaftliche Anstrengungen konterkariert. Was dem einen sein Tankgutschein, ist dem anderen sein Job-Rad.
Wer etwas für seine Mitarbeiter tun möchte, sollte ganzheitlich auf das Thema schauen und die eigenen Nachhaltigkeitsziele und Positionierungen in die Gedanken einbeziehen. Mitarbeiter-Benefits sind auch Teil der eigenen Markenidentität. Pauschale Einzelmaßnahmen nach dem Motto eine Lösung für alle verfangen nicht mehr und schaden vielleicht sogar dem eigenen Image.
In Arbeitgeberattraktivität statt in Fluktuation investieren
Unternehmen brauchen sehr individuelle Mitarbeiterbindungs- und Mehrwertprogramme zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität. Diese müssen sich jedoch auch im Portemonnaie derjenigen ausdrücken, die Leistung bringen. Die reine Nettolohnoptimierung oder die einfachen Lösungen wie Obstteller und Tischtennisplatten sind längst kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Vielmehr geht es heute um individuelle Lösungen für die Beschäftigten wie flexible Arbeitszeiten, Work-Life-Balance und betriebliche Versorgungswerke, vor allem aber auch um eine verständliche Kommunikation dieser Angebote sowohl in die Belegschaften hinein als auch am Bewerbermarkt. Zudem sind Fragen der Führung und der Nachhaltigkeit relevant. Das macht echte Arbeitgeberattraktivität aus.
In Arbeitgeberattraktivität zu investieren, ist allemal besser als die Kosten einer ständigen Fluktuation zu schultern. Jeder Mitarbeiter, der geht, weil er unzufrieden ist, nimmt Know-how und Kundenbeziehungen mit. Eine Neubesetzung kostet Zigtausende. Es gibt keine effektiveren Maßnahmen als die, die eigenen Mitarbeiter zu begeistern und zu binden. Die klassische Nettolohnoptimierung ist dafür nur selten eine Lösung.
Autorenprofil:
Reiner Huthmacher ist MiNa-Kolumnist und seit mehr als 30 Jahren Unternehmer und Geschäftsführer mit umfassender Expertise in der Personal- und Versicherungsbranche. Als Entwickler des Spezialkonzeptes „Das kleine 1×1 der Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung” sowie als Bezirksdirektor der Gothaer Versicherung wird er als Vortragsredner häufig gebucht. Er hat schon in zahlreichen Betrieben in ganz Deutschland für mehr Motivation und Begeisterung in den Belegschaften gesorgt. Oft hat er sogar dafür sorgen können, dass Bewerber weitere Bewerber geworben haben.