Der MiNa-Kolumnist Thomas Pförtner ist Projekt- und Interim Manager. Er realisiert neue Geschäftswerte durch fokussierte Projekte und ist immer dann gefragt, wenn es um strategisches Wachstum durch technische Innovationen geht. Zu seinen Auftraggebern zählen wachstumsorientierte Unternehmen aus der ITK-Branche, der Chip- und Halbleiterindustrie sowie aus Produktion und Fertigung. Bei mittelstand-nachrichten.de teilt er Insides aus der ITK-Branche sowie zu den Themen Infrastruktur, digitale Netze, Business Development, Projektmanagement und Technologie.
Was beschäftigt Sie derzeit am meisten? Was treibt Sie in Ihrem beruflichen Alltag um?
Die Wettbewerbssituation vieler deutscher Unternehmen, die die Umsetzung notwendiger Veränderungen verschlafen oder verzögern. In Sachen Innovation, Transformation und Digitalisierung sind viele hintendran und zu wenig strategisch unterwegs. Es geht hier nicht um einzelne Technologien oder das neueste technische Gimmick, sondern um neue, innovative Geschäftsmodelle, die sinnvoll umgesetzt werden müssen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.
Wo liegen aktuell die größten Hindernisse des deutschen Mittelstandes?
Lassen Sie mich vier Dinge nennen. Da ist zum einen die mangelnde Nachfolgeperspektive vieler Unternehmen. Diese führt zwangsläufig auch zu einer reduzierten Innovationsfreudigkeit. Zweitens ist es die Verfügbarkeit qualifizierter oder auch nur qualifizierbarer Mitarbeiter. Drittens die in Deutschland überbordende Bürokratie. Und viertens die wachsende Abschottung der nationalen Märkte. Im Gegensatz zu internationalen Konzernen können Mittelständler nicht so leicht und in dem Ausmaß Wertschöpfung global verschieben. Der unterschiedliche Verlauf von DAX und MDAX zeigt dies überdeutlich. Leider nimmt die Politik diesen Unterschied nicht zur Kenntnis und glaubt, der DAX würde den Erfolg der deutschen Wirtschaft anzeigen. Das ist aber weit gefehlt.
Die Themen fehlende Arbeitskräfte und Bürokratie hängen zudem stark zusammen:
Der Staat hat in den letzten Jahren rund 600.000 zusätzliche Stellen in der Verwaltung aufgebaut, obwohl er durch Digitalisierung die Zahl der Verwaltungsangestellten eher hätte um diesen Wert reduzieren können – oder müssen. Per Saldo hat der Staat damit der Wirtschaft weit über eine Million Arbeitskräfte entzogen und zugleich die mögliche und notwendige Digitalisierung verzögert. All diese neuen und alten Mitarbeiter in der Verwaltung sind nun damit beschäftigt, neue Regeln und Berichtspflichten zu schaffen, auch, um damit ihre eigene Existenz zu legitimieren.
Wo liegen aktuell die größten Chancen des deutschen Mittelstandes?
In der Innovationsfreude und Innovationsfähigkeit. Der deutsche Mittelstand ist diesbezüglich wesentlich flexibler als die Konzerne und nicht selten sogar auf Startup-Niveau, was die Beweglichkeit angeht – nur eben etwas professioneller und organisierter. Damit dies so bleibt, müssen aber die Voraussetzungen und adäquate Rahmenbedingungen geschaffen werden. Alle, Staat, Unternehmen und die Gesellschaft, müssen weitere Fesseln lösen.
Was muss sich dringend ändern in Deutschland, in Europa, in der Welt?
Die Welt werden wir nicht verändern können. Der freie Weltmarkt, von dem Deutschland so sehr profitiert hat, wird immer kleiner. Neben den genannten Hindernissen liegt jedoch eine große Chance in der EU. Diese muss zu einem einheitlichen, in jeder Hinsicht schrankenfreien Heimatmarkt werden und auch so betrachtet werden. Abschottung schadet uns. Dieser EU-Heimatmarkt wäre größer als Nordamerika. Derzeit schottet man aber die nationalen Märkte immer noch gegeneinander ab. Der Wettbewerb liegt aber nicht innerhalb der EU, sondern in Asien und in Nordamerika – spätestens dann, wenn Trump die Wahl gewinnen sollte. Leider sendet auch Brüssel eher Signale der Abschottung und beteiligt sich immer mehr an wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen.
Manches darf auch gerne bleiben, wie es ist. Das zumindest lehrt die Erfahrung. Was sollte sich aus Ihrer Sicht keinesfalls ändern?
Die EU als Zielbild eines einheitlichen Marktes und Wirtschaftsraumes war und ist nach wie vor richtig. Nur ist der Kern etwas aus dem Blick geraten. Auch wird gerade Deutschland für einige Tugenden nach wie vor weltweit bewundert. Nur wir selbst nehmen diese Tugenden und Eigenschaften nicht mehr als sonderlich wertvoll wahr. Jede Strategiearbeit beinhaltet eine sorgfältige Analyse der eigenen Stärken, statt den Stärken der Wettbewerber nachzueifern. Ähnliches gilt für unser Bildungs- und Ausbildungssystem, an dem leider sehr viel herumdiktiert und europäisiert wurde, so dass wir heute schlechter dastehen als vorher. Jede Veränderung muss aber vor allem eine Bewahrung bewährter Stärken beinhalten.
Was bereitet Ihnen persönlich aktuell die größten Sorgenfalten?
Bildung, Veralterung, Verwaltung, Bürokratie, Verkrustung und die mangelnde Vorausschau politischer Weichenstellungen. Gerade eine Wirtschaft wie die deutsche, die wesentlich stärker auf Industrie als auf Serviceleistungen ausgerichtet ist – im Gegensatz zu der der USA – braucht langfristige Planungshorizonte.
Was hat Sie bewogen, Unternehmer zu werden beziehungsweise sich selbständig zu machen? Und was von Ihren damaligen Motiven treibt Sie noch heute an?
Beweggründe waren neben damaligen familiären Restriktionen und daraus eingeschränkter beruflicher Mobilität beim erzwungenen Jobwechsel vor allem die einmalige Chance, die Unabhängigkeit, die Möglichkeit, Chancen zu nutzen, und ein gewisses Sendungsbewusstsein in Bezug auf die Umsetzung von Innovationen und Veränderungen. Das alles treibt mich heute noch an.
Was würden Sie heute anders machen als damals? Und: Wie würden Sie die Entscheidung heute treffen, wenn man Sie nochmals fragen würde, ob Sie sich selbständig machen wollen würden?
Das ist aus meiner Einstellung heraus die falsche Frage. Zum einen schaue ich eher voraus als zurück. Zum anderen macht es auch keinen Sinn, Fragestellungen von damals mit dem Wissen von heute zu bewerten. Die Welt bewegt und verändert sich ständig und wir sind gut beraten, diese Veränderungen im Blick zu behalten und darauf jeweils aktuell zu reagieren. Dies schließt natürlich die Berücksichtigung von Erfahrungen mit ein, aber diese sind dann eher ein geschultes Bauchgefühl als ein expliziter Vergleich oder sich wiederholende Kausalzusammenhänge.
Was treibt Sie an, sich jeden Tag Ihren Aufgaben und Herausforderungen zu stellen?
Die Neugierde vor allem in Bezug auf neue Technologien, und der Spaß daran, diese gewinnbringend einzusetzen. Ich glaube nicht daran, dass Veränderungsbereite und Bewahrer in der Gesellschaft gleichmäßig verteilt sind – schon gar nicht in Deutschland. Insofern gehöre ich zur Minderheit der ersten Gruppe. Dabei gelingt es mir meist, Mitstreiter zu finden oder – abgesehen von Hardcore-Bewahrern – einige in mein Lager hinüberzuziehen. Und mit dem richtigen Team entsteht nicht nur Freude, sondern auch die notwendige Durchsetzungskraft.
Was tragen Sie und Ihr Unternehmen zur Gesellschaft bei? Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Gemeinwohl in Ihrer Tätigkeit?
Gerade Nachhaltigkeit ist mir sehr wichtig. Allerdings interpretiere ich diesen Begriff etwas mehr im Wortsinn und weniger hochtrabend und ökologieorientiert. Wenn es um konkrete Entscheidungen im Projekt oder in der Konzeptentwicklung geht, bevorzuge ich oft die langfristige, nachhaltige Lösung. Das mache ich auch im Privatleben. Manchmal ist ein Quickfix notwendig, aber oft ist dieser auch nur der Bequemlichkeit geschuldet. Als Freiberufler mit wechselnden Einsätzen habe ich zudem den Vorteil, diese Kriterien bei der Projektauswahl mit berücksichtigen zu können. Wobei ich in der Innovation, meinen Kernthemen Digitalisierung und Technologie und dem Einbringen meiner Veränderungsbereitschaft an sich schon einen Beitrag zum Gemeinwohl sehe.
Autorenprofil:
Thomas Pförtner ist Projekt- und Interim Manager. Er realisiert neue Geschäftswerte durch fokussierte Projekte und ist immer dann gefragt, wenn es um strategisches Wachstum durch technische Innovationen geht. Zu seinen Auftraggebern zählen wachstumsorientierte Unternehmen aus der ITK-Branche, der Chip- und Halbleiterindustrie sowie aus Produktion und Fertigung. Als Universalist verbindet er umfassendes technologisches Wissen über Chips und Halbleiter sowie moderne Fertigungsverfahren und Werkstoffe mit Praxiswissen über Netze, Server, moderne IT-Services und EDV.
Ergänzt wird sein Kompetenzportfolio um strategisches Unternehmensmanagement-Know-how und Erfahrungen in den Bereichen Qualitätssicherung, Risikobewertung, Finanzen, Einkauf, Fertigung, Vertragswesen, Führung und Prozessteuerung. Er wirkt als Generalist. Technologie ist für ihn Mittel zum Zweck – mit und für die Menschen, die sie anwenden. Er steht für greifbare Ergebnisse und eine nachhaltige Umsetzung in der betrieblichen Praxis. Seine ganzheitliche Sicht auf menschliche, technologische, betriebswirtschaftliche, gesellschaftliche und ethische Fragestellungen in einer volatilen Geschäftswelt bringt der Diplom-Ingenieur und ausgezeichnete Interim Manager auch in verschiedene Fachzirkel und Gremien ein. Wegen seiner tiefgründigen Analysen und seiner systemisch-generalistischen Denkansätze ist er zudem als Autor in Fachmedien gefragt sowie als Experte im Rahmen von Workshops, Tagungen und Kongressen.
Weitere Informationen unter https://pfoertner-net.de.