Literatur

Familienmythen – Sigi Leonhard: „Stimmen“

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Anja ist eine junge, intelligente Frau. Sie hat Freunde, einen Partner und eine Dozentenstelle an einem College in Minnesota. Eigentlich geht es ihr gut. Wäre da nicht die Vergangenheit, die sie immer wieder einholt… Von Krieg und Flucht, von Liebe und Leidenschaft erzählt Sigi Leonhard mal lustig, mal erschütternd in dem fesselnden Familienroman „Stimmen“ (ars vivendi verlag).
Anja sitzt oft abends daheim in ihrer Küche. Dort lauscht sie den abwechslungsreichen Geschichten ihrer Verwandtschaft. Amalie, ihre extravagante Großmutter, erzählt vom Zweiten Weltkrieg, der Bombardierung Dresdens und ihrer Flucht aus Breslau. Manchmal ist es auch Mutter Karen, die Anja an Anekdoten aus ihrer eigenen Kindheit teilhaben lässt. An sich wäre das alles nichts Ungewöhnliches. Da ihre Gesprächspartner in der Küche aber nicht aus Fleisch und Blut sind, bekommen die Erzählungen und Erinnerungen ihrer chaotischen deutschen Sippe einen mysteriösen Touch. Anja hatte Deutschland eigentlich verlassen, um sich ihrer anstrengenden Verwandtschaft zu entziehen. Doch die genauso aufdringlichen wie eindringlichen Stimmen ihrer Angehörigen lassen ihr keine Ruhe und bringen ihren Alltag gehörig durcheinander. Anjas heile Welt gerät ins Wanken. Und so entschließt sie sich, zurück in ihre alte Heimat zu reisen: Sie will endlich aufräumen – mit ihrer Vergangenheit, mit ihrer Familie und mit ihrem Leben.
Mit „Stimmen“ ist Sigi Leonhard ein herausragender Erstlingsroman gelungen, in dem sie raffiniert und sprachlich gewandt eine berührende Familiensaga, starke Frauenfiguren und deren Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Vergangenheit vereint.

Sigi Leonhard wurde 1955 in Fürth geboren. Nach einem Grundstudium der Germanistik und Romanistik in Bonn und einem Studienjahr in Frankreich zog sie nach Kalifornien, wo sie an der Standfort University promovierte. Sigi Leonhard hat bereits Gedichte und Kurzgeschichten in mehreren Anthologien veröffentlicht. Heute arbeitet sie als Dozentin für Germanistik und Cross-Cultural-Studies am Carleton College. Sie lebt mit ihrer Tochter in St. Paul, Minnesota.
Stimmen ist ihr erster Roman.

Sigi Leonhard:
Stimmen
ars vivendi verlag
461 S., Hardcover mit Schutzumschlag, € 18,90 (D) / € 18,90 (A) / sFr 32,10
ISBN: 978-3-89716-406-2

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Ein Kommentar

  1. Sigi Leonhard: Stimmen
    Die Autorin nimmt den Leser gleichsam an der Hand, führt ihn mittenhinein ins Geschehen und läßt ihn nicht mehr los bis zur letzten Seite. Mit Spannung und Anteilnahme verfolgt man die Flucht einer Familie vor den Russen im 2. Weltkrieg und den bescheidenen Neubeginn in einer fränkischen Kleinstadt, wo drei Generationen in engsten räumlichen Verhältnissen versuchen, miteinander auszukommen. Dies gelingt oftmals nur schwer, denn die Atmosphäre ist aufgeladen durch das Aufeinanderprallen dreier starker, dominanter Frauen, die eigenwilliger und skurriler nicht sein könnten. Im Kontrast dazu stehen die männlichen Protagonisten, deren Verhalten eher von Zurückhaltung, nicht Einmischenwollen geprägt ist, was nolens volens immer wieder zu Turbulenzen führt, die der Leser hautnah miterlebt. Jeder Einzelne in dieser Familie hat seine eigenen Probleme, vor allem was die Vergangenheit betrifft, keiner jedoch findet in dem Chaos einen Ansprechpartner, niemand scheint willens zu sein, dem anderen zuzuhören. Vergangenheitsbewältigung muß auf später verschoben werden. Da die Autorin sich einer ausgesprochen schönen, geistreichen Sprache bedient, witzig und gleichermassen einfühlsam erzählt, gut recherchiert hat, wird das Buch zum Lesegenuss par excellence, in dem man unentwegt, und das macht die Spannung aus, in einem Wechselbad der Gefühle ist, mal traurig, mal bewegt, mal zum Schmunzeln geneigt. Mit einer wunderbaren Leichtigkeit zieht die Autorin den Leser in den Bann ihrer Geschichte, in der man sich mitbetroffen fühlt bis zum letzten Satz.
    „Stimmen“ ist sicherlich ein sehr persönliches Buch, das keineswegs mit Kritik an den einzelnen Personen spart, aber dennoch den Leser mit dem Gefühl entlässt, dass es sich letztendlich um eine, von inniger Verbundenheit zeugende, liebenswerte Hommage an ihre so einmalige Familie handelt. Dieses Erstlingswerk der Autorin läßt jedenfalls aufhorchen und auf weitere schriftstellerische Kostbarkeiten hoffen. Das Buch wird man so schnell nicht vergessen, und den Namen Sigi Leonhard sollte man sich auf jeden Fall merken.
    Gudrun Sarkar, Burghausen

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