CO2-Emissionen: ein ständig präsentes Thema – im Umfeld der gerade stattfindenden IAA und auch in den Medien. Denn für Autohersteller wird sich bald Einiges ändern; ab 2021 gilt für die gesamte EU-Flotte der Zielwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Das bedeutet, dass Neuwagen im Durchschnitt nur noch einen Ausstoß von 95 g/km haben dürfen, was einem Verbrauch von 4,1 Liter Benzin bzw. 3,6 Liter Diesel pro 100 km entspricht. Erfüllt ein Hersteller sein jeweiliges Ziel nicht, muss er für jedes neu zugelassene Fahrzeug 95 Euro pro zusätzlichem Gramm CO2/km bezahlen. Das bedeutete etwa für VW, wenn man die prognostizierte Neuwagen-Absatzmenge von vier Millionen Fahrzeugen zugrunde legt, dass der Konzern für jedes Gramm CO2/km, dass die Wagen über ihrem Zielwert liegen, knapp 400 Millionen Euro Strafe zahlen müsste. Was heißt das für Autobauer?
Dr. Martin Gehring: „Hersteller müssen CO2-Pricing neu denken“
„Um diesen Strafen zu entgehen, müssen Hersteller mehr Autos mit niedrigem CO2-Ausstoß verkaufen. Und dafür müssen diese für ihre Kunden preislich attraktiv sein. Der Preis eines Autos darf also nicht mehr nur von PS-Zahl, Fahrzeuggröße oder Ausstattung abhängen, sondern muss auch Emissionen miteinbeziehen. Dabei ist CO2-abhängiges Pricing nichts Neues: Über die Kfz-Steuer wird der Ausstoß bereits heute von jedem Fahrzeughalter bezahlt, auch wenn viele dies nicht so explizit wahrnehmen. Außerdem sind natürlich schon jetzt Autos mit hohen Emissionen in der Anschaffung teurer, da sie normalerweise mit größeren Fahrzeugen, mehr PS oder Ausstattung einhergehen.
Das reicht jedoch nicht aus: Wir haben populäre Modelle wie den VW Golf, Audi A4, Mercedes C-Klasse, BMW 3er, Ford Focus und Skoda Octavia analysiert; hier zahlen Käufer im Schnitt 250 bis 300 Euro pro zusätzliches Gramm CO2-Ausstoß/km. Zieht man davon Mehrwertsteuer sowie Händlermarge und die üblichen Rabatte ab, kommt man auf knapp 150 bis175 Euro Netto-Umsatz pro Gramm CO2. Bei einer Strafe von 95 Euro pro Gramm bleiben dann nur noch 75 Euro, die dafür sorgen müssten, das Fahrzeug kostendeckend zu verkaufen. Das rechnet sich nicht, weder aus betriebswirtschaftlicher noch aus einer volkswirtschaftlich/ökologischen Perspektive. Darum ist es nötig, dass Autobauer CO2-Kosten stärker in ihren Preisen berücksichtigen.“
Matthias Riemer: „Kundenfokus, gezielte Vertriebssteuerung und Produktentwicklung sind der Schlüssel“
„Warum das Senken von CO2-Emissionen über den Preis passieren muss? Weil der Preis immer noch das wichtigste Kaufkriterium für Autokäufer ist, wie wir in unserer aktuellen Automobilstudie festgestellt haben. Die Höhe des CO2-Ausstoßes rangiert dagegen weit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Daher müssen Hersteller ihre Preisstrategie in drei Schritten umstellen:
Sie müssen die Bedürfnisse und Zahlungsbereitschaften ihrer Kunden genau verstehen. Das hilft ihnen dabei, den optimalen Preis für bestehende und neue Modelle auch in Abhängigkeit vom CO2-Ausstoß zu finden. Denn dieser hat über den Weg der zukünftigen Strafen auch direkten Einfluss auf den Ertrag.
Sie benötigen eine bessere Steuerung ihres Vertriebs. Kaufanreize wie Kundenrabatte, aber auch Provisionsmodelle für den Vertrieb müssen überarbeitet werden. Nur wer CO2-sparsame Modelle kauft oder verkauft, wird belohnt. So werden Fahrzeuge mit hohem CO2-Ausstoß für Kunden und Verkäufer immer uninteressanter.
Interne Prozesse müssen neu gedacht werden. So sollten Autohersteller etwa einen eigenen Verrechnungskurs für CO2 festlegen und diesen bereits in der Fahrzeugentwicklung berücksichtigen. F&E-Abteilungen müssen Entscheidungen immer auch hinsichtlich CO2-Emissionen und möglicher Strafzahlungen treffen. Dadurch fällt der Business Case für viele Projekte schon in der Planung deutlich anders aus – das Produktportfolio wird mit der Zeit immer CO2-ärmer werden.“
Quelle: Simon-Kucher & Partners, Strategy & Marketing Consultants