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Automobilzulieferer brauchen Transformationsstrategie

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Hannover  Aller Skepsis zum Trotz – die globale Automobilität wird in Zukunft elektrischer. Was wird dann aus der deutschen Zuliefererbranche für Verbrennungsmotoren? Antworten gibt eine aktuelle Studie des Industrieverbands Giesserei-Chemie (IVG) unter der Leitung von Professor Dr. Stefan Bratzel (CAM). Ihr Fazit: Die Branche braucht eine Transformationsstrategie.

Der Industrieverband Giesserei-Chemie e.V. (IVG) mit Sitz in Laatzen bei Hannover wollte es en détail wissen: Wie sieht die automobile Antriebstechnologie im Jahr 2030 aus? Der Verband organisiert die führenden Hersteller von Gießereichemikalien in Deutschland. Ein Hauptabsatzmarkt ist die Produktion von Verbrennungsmotoren für die Automobilindustrie. Setzt sich die Elektromobilität durch, hat das erhebliche Auswirkungen auf die künftigen Absatzchancen der im Verband organisierten Unternehmen.

Automobilzulieferer brauchen Transformationsstrategie
Quelle: Industrieverband Giesserei-Chemie e. V.

Umfassende Analyse

Der IVG beauftragte das Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach mit einer Marktabschätzung für Deutschland, die Europäische Union, die USA und China. Die 165 Seiten umfassende Szenario-Analyse kommt unter der Voraussetzung eines anspruchsvollen Ausbaus der Lade-Infrastruktur zu dem Ergebnis: „E-Mobilität wird sich durchsetzen mit gravierenden Folgen für die Automobilindustrie im Allgemeinen und die im IVG assoziierten Unternehmen im Besonderen“, so Studienleiter Professor Dr. Stefan Bratzel, Director des CAM. „Vor allem für jene, die überwiegend Teile für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zuliefern.“ Immerhin werden 2030 in Deutschland fast 30 Prozent der Neuzulassungen E-Fahrzeuge sein, was einen jährlichen Absatz von rund 900.000 Pkw hieße. Insgesamt werden dann rund 6 Millionen Elektro-Pkw auf deutschen Straßen fahren. Das Produktionsvolumen für Verbrennerfahrzeuge wird von 3,2 Millionen Fahrzeugen (2016) auf nur noch 2,4 Millionen sinken.

„Das ist für uns kein Schreckensszenario, sondern ein Motivationsschub“, sagt Dr. Carsten Kuhlgatz, Vorsitzender des Industrieverbands Giesserei-Chemie. „Erstens bedeutet das Ergebnis, dass es 2030 noch über 70 Prozent Verbrennungsmotoren geben wird. Zweitens bieten auch E-Motoren Chancen für uns.“ Beispielsweise durch deren Weiterentwicklung mit Hilfe von Gussteilen oder bei Lösungen zur Befestigung der Akkus. Zumal sie ein wichtiges Sicherheitsbauteil darstellen, da sie nicht brennbar sind. „Ich glaube fest daran, dass Deutschland als traditioneller Innovationsführer hier Großartiges leisten wird und die Technologieführerschaft hinsichtlich Kosten und Sicherheitsstandards übernehmen kann“, so Kuhlgatz.

Ohne Transformation keine Überlebenschance

Trotzdem, so das Studien-Fazit, sei es für die Zulieferunternehmen ratsam, entsprechende Anpassungs- und Transformationsstrategien vorzubereiten. Zum Ersten wären Optionen einer technologischen Kompetenzerweiterung denkbar, wie Komponenten der Elektromobilität. Zum Zweiten böten sich Strategien der Branchendiversifizierung jenseits der Autoindustrie an, um den Handlungskorridor zu erweitern. Zum Dritten könnten Unternehmen erwägen, die Wertschöpfungstiefe und -breite im Bereich des Verbrennungsmotors zu erhöhen und damit zu den Konsolidierungsgewinnern zu zählen. „Zu viel Zeit sollten sich die Unternehmen angesichts der enormen Anforderungen für die Umsetzung derartiger Transformationsstrategien aber nicht lassen“, rät Studienleiter Professor Bratzel. Denn unumstritten ist mit erheblichen Rückgängen der Marktanteile und des Umsatzvolumens beim Verbrennungsmotor in Deutschland zu rechnen. Wenn diese Entwicklungen auch schleichend stattfinden und erst zu Beginn der 2020er Jahre an Dynamik gewinnen werden.

Deutsche E-Mobilität steht erst am Anfang

Die Studie bietet eine solide Darstellung des Ist-Zustandes der maßgeblichen Akteure (Original Equipment Manufacturer, OEM) und der relevanten Einflussfaktoren für die Entwicklung der Elektromobilität. Sie stützt sich auf zahlreiche aktuelle Studien zum Thema und die CAM-Innovationsdatenbank, in der die fahrzeugtechnischen Neuerungen der 19 globalen Automobilhersteller mit derzeit 60 Marken systematisch inventarisiert und durch regelmäßige Befragungen und Hintergrundgespräche mit den relevanten Branchenexperten erweitert werden.

Das eindeutige Ergebnis: In Deutschland sind das Volumen und die Wachstumsdynamik der E-Pkw und Plug-in Hybride gering. Mit rund 25.000 Neuzulassungen 2016 und einem Marktanteil von 0,75 Prozent ist das Niveau im internationalen Vergleich niedrig. Der Anteil der Elektro- und Alternativantriebe liegt lediglich bei 0,6 Prozent der Gesamtproduktion. Gleichzeitig sind derzeit die Dieselanteile an den Neuzulassungen in Deutschland und anderen EU-Ländern stark rückläufig. Führt das allerdings zu mehr Neuzulassungen bei Benzinmotoren, erhöht sich für die Hersteller der Druck zum Verkauf von Elektrofahrzeugen, um die CO2-Grenzwerte der EU für 2021 zu erreichen.

Wünsche der potenziellen E-Autokäufer

Gründe für die geringe Akzeptanz der E-Fahrzeuge sind nach wie vor die geringe Reichweite, der hohe Preis und die geringe staatliche Förderung, das vergleichsweise kleine Produktangebot, vor allem aber die mangelhafte (Schnell-)Lade-Infrastruktur. Nutzer wünschen sich dort öffentliche Ladestationen, wo sie oft parken. Für den Fernverkehr fehlt eine Grundversorgung, wobei hier das Wochenende und Ferienverkehre entscheidend sind.

„Daher fordern wir von der Bundesregierung den schnellen und konsequenten Ausbau des Ladestation-Netzes und ein normiertes Bezahlsystem für die Nutzer“, so der IVG-Vorsitzende Dr. Carsten Kuhlgatz. Denn bei ausreichender Netz- und Lade-Infrastruktur würden Kunden niedrigere Reichweiten in Kauf nehmen. Diesbezüglich gehe die chinesische Regierung konsequenter vor.

Global betrachtet

Der internationale Vergleich bringt darüber hinaus wegweisende Erkenntnisse. Die globale Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen unter 6 Tonnen (LCV) ist seit dem Jahr 2000 von 56 Millionen auf 91,6 Millionen (2016) gestiegen. Bis 2030 prognostiziert die CAM ein weiteres Wachstum auf 116 Millionen. Weltweit betrachtet war und ist die Automobilindustrie damit eine ausgesprochene Wachstumsbranche.

Noch sind die mit Abstand wichtigsten globalen Fahrzeugmärkte China, die USA und (West-) Europa und bleiben auch maßgebend für die Strategien der globalen Automobilhersteller. Doch während mittelfristig in den USA und Europa der Markt eher stagnieren wird, birgt China bis 2030 weiteres Pkw-Wachstumspotenzial. Denn die Motorisierungsraten sind niedrig, bei erwartetem steigendem Wohlstand der Bevölkerung. Zumal die Regierung relativ strenge Vorgaben macht. So soll es in den nächsten Jahren E-Auto-Quoten für die Erstausrüster (OEM) und Verkaufsstopp für Verbrenner geben. China spielt also für die Antriebsstrategien der Zukunft eine zentrale Rolle. Wenn die Batterieentwicklung positiv verläuft und der Ladestationsausbau weiter so schnell fortschreitet wie bisher, kann der E-Auto-Bestand 2030 auf bis zu 114 Millionen Fahrzeuge anwachsen. Langfristig bietet zudem Indien erhebliches Zukunftspotenzial.

Die Analyse zur „Marktentwicklung von Elektrofahrzeugen für das Jahr 2030: Deutschland, EU, USA und China“ bietet der Gießerei-Industrie valide Daten für die künftige Marschroute der Automobilbranche. „Mir hat dieser Auftrag imponiert“, sagt Studienleiter Professor Bratzel. „Er zeigt, dass die Branche die Zeichen der Zeit erkennt und sich auf die Zukunft vorbereitet.“

Quelle: Industrieverband Giesserei-Chemie e. V.

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