Vernetzte Autos sind die Zukunft, Know-how- und Prozess-Probleme die Gegenwart
Gummersbach – Die Autobauer und -zulieferer hierzulande sind sich einig: Vernetzung und digitale Lösungen für Fahrzeuge werden immer wichtiger. Damit drängen auch neue Wettbewerber auf den Markt: 93 Prozent der Automobilfirmen halten Google, Apple und andere Digital-Konzerne für starke zukünftige Konkurrenten. Gleichzeitig gehen sie davon aus, dass schon 2020 Connectivity und Software rund ein Drittel der Wertschöpfung am Fahrzeugpreis ausmacht. Dies sind Ergebnisse der Connected-Car-Studie der Beratungsgesellschaft Kienbaum. Kienbaum hat dazu mit einer Vielzahl von etablierten Branchenvertretern und Start-up-Unternehmen Experteninterviews zur Zukunft des vernetzten Autos geführt.
„Die Ergebnisse unserer Studie zeigen: Connected Car und die Digitalisierung des Fahrzeuges werden gravierende Auswirkungen auf die Automobilbranche haben. Der Branche stehen signifikante Veränderungen bevor, die letztlich alle Aspekte vom Mitarbeiter über Führung und Prozesse bis hin zu Geschäftsmodellen betreffen“, sagt Tilman Eichstädt, Studienautor und Automobilexperte bei Kienbaum.
Connected Car erfordert neue, kundenorientierte Entwicklungsprozesse
Mehr Softwarefunktionalitäten an Bord bedeuten, dass sich auch die Prozesse in der Produktentwicklung ändern: Alle Befragten gehen davon aus, dass die Entwicklungszyklen in Zukunft deutlich kürzer werden und deshalb Entwicklungsprozesse dynamischer und agiler werden müssen. „Wichtig ist dabei vor allem eine stärkere Hinwendung zum Kunden und seinem tatsächlichen Nutzerverhalten. Erfolgreiche Softwarelösungen und Apps werden heute auf Basis einer kontinuierlichen Verarbeitung der User-Daten erstellt“, sagt Tilman Eichstädt.
Organisationsstrukturen und Führungskultur müssen sich ändern
Je vernetzter und innovativer Fahrzeuge werden, umso wichtiger wird eine neue Kultur und Organisation für den Unternehmenserfolg: 79 Prozent der von Kienbaum befragten Automobilfirmen halten einen Kulturwandel in ihrer Branche für notwendig, um die Zusammenarbeit von Softwareentwicklern und klassischen Automobilingenieuren erfolgreich zu gestalten. „Dazu ist es wichtig, dass Organisationen offen für neue Ansätze sind, und Hierarchien nicht zu komplex. In der Internetbranche wird mit verschiedenen Instrumenten die Philosophie einer fluiden Organisation gelebt, die sich schnell veränderten Prioritäten und Herausforderungen anpasst“, sagt Organisationsexperte Eichstädt.
Drei von vier der befragten Firmen gehen davon aus, dass sich in diesem Zusammenhang Unternehmensstrukturen in der Automobilbranche substanziell verändern müssen. „Parallel dazu muss die Führungskultur offener und toleranter für Fehler werden, die bislang eher konservativ geprägten Führungsansätze müssen konsequent hinterfragt werden. Ein solcher Kulturwandel, ist sicherlich nicht kurzfristig durch den Verzicht auf die Krawatte lösbar“, sagt Tilman Eichstädt.
Den Automobilunternehmen fehlen schon heute die digitalen Köpfe
Der zunehmenden Bedeutung von Software in Fahrzeugen steht ein Mangel an digitalem Wissen in den Unternehmen gegenüber: 61 Prozent der befragten Firmen haben bereits heute nicht genügend qualifizierte Software- und IT-Spezialisten. 83 Prozent der Firmen gehen davon aus, dass dies in Zukunft ein großes Problem für sie darstellen wird.
IT-Wissen wird besonders für Zulieferer zum Erfolgsfaktor: 92 Prozent der von Kienbaum befragten Unternehmen erwarten, dass Zulieferer mit ausgeprägter IT- und Software-Kompetenz schneller als der Markt wachsen werden. Die Produkte von Zulieferern, die solche Kompetenzen vermissen lassen, halten 71 Prozent der Unternehmen zukünftig für austauschbar.
Autobauer und -zulieferer fordern neue Studiengänge
Um zukünftig genügend IT-Kompetenz für die Entwicklung und Produktion vernetzter Fahrzeuge zur Verfügung zu haben, halten 73 Prozent der Unternehmen neue Berufsbilder und Studiengänge für nötig. Die Befragten fordern etwa interdisziplinäre Studiengänge in den Fachbereichen Elektronik, Informatik und Mechanik sowie Spezialausbildungen in Data-Management und Data-Science.
Quelle: Kienbaum