Von Beobachtung bis Ultraschall: Retail Analytics im Überblick
Rostock – Egal in welcher Branche, Kundendaten sind Gold wert. Besonders im Handel liefern Informationen zum Kaufverhalten wertvolle Grundlagen für Marketing und Sales. Einer der wichtigsten Bausteine, um Kunden zu verstehen, bietet die so genannte Customer Journey, also der Weg, den potenzielle Käufer on- aber auch offline bis zu einem getätigten Kauf nehmen. Während der Onlinehandel bereits über zahlreiche überzeugende Möglichkeiten verfügt, den Weg hin zum Onlineshop, aber auch im Shop selbst, nachzuvollziehen, ist das Sammeln relevanter Daten im stationären Einzelhandel längst nicht so ausgereift. Welche Alternativen Händler in puncto Retail Analytics haben und welche Vor- und Nachteile die einzelnen Methoden in Bezug auf die Kosten und Implementierung, aber auch die Messgenauigkeit besitzen, zeigt Jonas Flint, CEO von Koopango (www.koopango.com).
Einfach, aber teuer: Die Beobachtung
Eine Methode, die bis heute Anwendung findet, ist die klassische Beobachtung. Dabei überprüfen, beispielsweise in großen Möbelhäusern, Mitarbeiter in zivil, wie sich Kundenströme verhalten. Welche Produkte schauen sie sich an? Welche Wege wählen sie durch den Ausstellungsraum? Relevante Daten, die für die Store-Gestaltung und Angebotsplatzierung wichtig sind. Der große Vorteil der Beobachtung: Sie ist sehr einfach durchzuführen. Händler benötigen keine technischen Hilfsmittel und haben keinen Implementierungsaufwand. Dennoch birgt die Methode viele Nachteile: Das Sammeln der Daten per Beobachtung ist sehr aufwendig, erfordert Manpower und ist damit teuer. Gleichzeitig sind die gesammelten Informationen zum Zeitpunkt des Reportings bereits veraltet und die Datenqualität hängt stark vom Beobachter ab.
Detaillierte Analyse, aber aufwendig: Die Befragung
Ebenfalls ein Klassiker, der noch immer genutzt wird, ist die Befragung. Hierbei führen Einzelhändler in regelmäßigen Abständen Befragungen unter Kunden ausgewählter Filialen durch. Der große Vorteil hierbei: Der Händler erhält detaillierte Informationen zu einzelnen Kunden und kann diese zu Kundengruppen clustern, um übergreifende Aussagen zum Kaufverhalten zu gewinnen. Allerdings ist auch diese Methode sehr aufwendig und kostet durch das benötigte Befragungsteam viel Geld. Ein weiterer Nachteil: Auch hier sind die gesammelten Daten zum Zeitpunkt der Auswertung veraltet. Gleichzeitig können immer nur Informationen zu genau den Kunden gesammelt werden, die zur Zeit der Befragung in der Filiale anwesend sind. Eine Übertragung auf alle Kundengruppen ist somit nicht immer möglich.
Das digitale Auge: Überwachungskameras zur Datenerhebung
Eine weitere Form der Beobachtung liefern moderne Überwachungssysteme. Hierbei werden die Daten der Kameras verwendet, um Besucherströme und die jeweilige Aufenthaltsdauer einzelner Kunden zu messen. Der große Vorteil hierbei: Niemand kann sich der Beobachtung entziehen und Einzelhändler erhalten so Informationen über alle Einkäufer. Auch die Datenqualität ist mit dem richtigen Equipment sehr genau. Entsprechende Systeme sind jedoch sehr teuer und zudem sehr aufwendig im bestehenden Shopkonzept zu installieren. Die Aufnahmewinkel müssen exakt berechnet und ausgerichtet werden, damit das System funktioniert. Bei einem zu großen Besucheransturm ist die Datenerhebung außerdem nicht mehr zuverlässig.
Günstiges Tracken von Produkten im Geschäft: NFC/RFID-Barken bieten mehr als nur Diebstahlschutz
Auch die an Produkten angebrachten Chips zum Diebstahlschutz, so genannte RFIDs, können genutzt werden, um Informationen über Kunden zu sammeln. In bestimmten Bereichen der Filiale getrackt, liefern sie Daten zur Auswahl der Produkte und ggf. dem Bewegungsprofil einzelner Kunden. Der Nachteil dabei: Es werden lediglich in Teilen des Geschäfts, zum Beispiel in der Umkleidekabine, Daten erhoben. Zudem werden nur die Produkte nicht die Kunden selbst getrackt. Der Vorteil für Einzelhändler: Ein entsprechender Diebstahlschutz wird meist ohnehin benötigt und ist günstig in der Anschaffung.
Bestehende Technik nutzen: Ein- und Ausgangszähler
Auch die Sensoren zum automatischen Türöffnen können genutzt werden, um Kundendaten zu sammeln. Über sie können auf einfache Weise herein kommende und heraus gehende Personen gezählt werden. So erhält der Einzelhändler Einblick zu Stoßzeiten und kann teilweise auch Rückschlüsse auf die durchschnittliche Aufenthaltszeit ziehen. Das Problem: Die Daten sind gesondert noch nicht sehr genau, es fehlen Informationen zum Profil der Einkäufer sowie dem Bewegungsprofil im Geschäft. Da die Sensoren allerdings ohnehin in den meisten Läden bereits installiert sind, bietet das System eine günstige Möglichkeit, erste Daten zu erheben.
Günstig, aber ungenau: Daten über WLAN
Auch ein freies WLAN-Netz kann genutzt werden, um Daten zum Bewegungs- und Surfprofil der Kunden zu analysieren. Diese Methode ist für Einzelhändler verhältnismäßig günstig und liefert eine aufschlussreiche passive Beobachtung einzelner Kunden. Das große Problem dieser Erhebung: Die Daten sind sehr ungenau, denn die Berechnung der WLAN-Position kann bis zu 120 Sekunden dauern, weil das Smartphone den WLAN-Chip zum Energie sparen kurzzeitig ausschaltet. Zeit, in der sich Kunden große Strecken durch das Geschäft bewegen können. Zudem nutzen viele Besucher ganz einfach ihr mobiles Internet und bleiben in dieser Analyseform demnach unsichtbar.
Extrem genaue Daten, fast ohne Installationsaufwand: Per Ultraschall am Kunden
Ein neues Verfahren, um Bewegungsprofile von Kunden zu erstellen, ist die Nutzung von Ultraschall im Geschäft. Hierbei wird das bereits vorhandene Lautsprechersystem genutzt, um nicht-hörbare Ultraschall-Signale in den Ladenraum zu senden. Diese Töne können dann über ein Snippet an einer App, beispielsweise eine Gutschein-App des Händlers, empfangen werden. Die Implementierung der Methode ist für Einzelhändler somit sehr einfach. Das Besondere im Vergleich zu anderen Systemen: Die Daten, die über Ultraschall gesammelt werden, sind extrem präzise und liefern durch Messungen alle 2-3 Sekunden Positionsprofile mit bis zu 50 cm Genauigkeit. Einzelhändler erhalten so sehr aussagekräftige Daten und wissen sogar, vor welchem Regal einzelne Kunden stehen. Der Nachteil: Die Technik ist darauf angewiesen, dass Kunden während ihres Einkaufs die genutzte App geöffnet haben.
Positionsbestimmung ohne Infrastruktur: Nutzung des Magnetfelds der Erde
Ganz ohne entsprechende Infrastruktur im Geschäft kommt die Positionsbestimmung über das Magnetfeld der Erde aus. Über den Magnet-Sensor im Smartphone werden Unregelmäßigkeiten im Erdmagnetfeld gemessen und auf dieser Grundlage die Position des Handys bzw. die des Kunden bestimmt. Problematisch an dieser Methode sind die starken Schwankungen im Magnetfeld, die die Lokalisierung sehr ungenau machen. Zudem muss vor der Positionsbestimmung das komplette Gebäude einmal magnetisch vermessen werden und Händler sind letztendlich darauf angewiesen, dass Kunden während des Einkaufs eine entsprechende App geöffnet haben.
Günstig in der Beschaffung, aufwendig in Installation und Wartung: Bluetooth Beacons
Ein moderner Weg, um an Daten zu Offline-Kunden zu gelangen, ist die Installation so genannter Bluetooth Beacons im Geschäft. Die Geräte sind günstig zu beschaffen und sollen strategisch im Laden verteilt, die Smartphones der Kunden tracken, um so Bewegungsanalysen zu erstellen. Der Nachteil: Die gesammelten Daten sind sehr ungenau, da es bis zu 20 Sekunden dauern kann, bis die Bluetooth-Position erfasst wurde. In dieser Zeit bewegen sich die Kunden jedoch weiter durchs Geschäft. Gleichzeitig haben Einzelhändler nach der verhältnismäßig günstigen Beschaffung der Beacons besonders bei einer großen Ladenfläche oder unterschiedlichen Räumen einen hohen Installationsaufwand und müssen die Geräte regelmäßig warten. Zudem nutzen viele Smartphone-Besitzer gar kein Bluetooth und sind so nicht zu tracken.
Fazit: Im Bereich Retail Analytics ist viel Bewegung und Einzelhändler profitieren von immer neuen Methoden, die Customer Journey im Geschäft zu verfolgen. Welche Art der Datenerfassung im Einzelfall die beste ist, sollten Ladenbesitzer sorgfältig abwägen. Oft lässt sich auch eine Kombination aus verschiedenen Techniken anwenden.
Quelle: Mashup Communications GmbH/Koopango