Ungarn und die Slowakei wollen vor Gericht für britische Atomsubventionen streiten
Hamburg – Der Ökostromanbieter Greenpeace Energy sieht sich darin bestätigt, dass auch andere EU-Staaten Atomsubventionen nach dem Vorbild des umstrittenen AKW-Projektes Hinkley Point C nutzen wollen. Dies lässt sich aus der neuen Nachricht schließen, dass neben Großbritannien auch die Slowakei und Ungarn die EU-Kommission im Klageverfahren um milliardenschwere britische Atombeihilfen unterstützen wollen. Alle drei Staaten haben in den vergangenen Tagen Anträge gestellt, als Streithelfer in das Verfahren aufgenommen zu werden, wie das zuständige Gericht der Europäischen Union mitteilte. Vor dem Luxemburger Gericht klagt Greenpeace Energy zusammen mit weiteren Unternehmen gegen die von der EU-Kommission genehmigten Subventionen für das geplante AKW Hinkley Point C in Südwestengland.
„Dass die Slowakei und Ungarn ins Verfahren einsteigen wollen, belegt, wie sehr Hinkley Point C als Blaupause für weitere Atomprojekte in der EU verstanden wird“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. Die Slowakei plant am Standort Bohunice den Bau eines neuen Druckwasserreaktors mit einer Leistung von 1,7 Gigawatt, Ungarn will mit Paks II zwei neue Reaktoren russischer Bauart realisieren. EU-weit sind derzeit mehr als ein Dutzend weitere AKW-Projekte in Planung – unter anderem auch in Polen und Tschechien. Die tschechische Regierung erwägt laut Medienberichten von gestern ebenfalls, sich als Streithelfer für die britischen Atomsubventionen zu engagieren.
Würden die britischen Beihilfen für rechtmäßig erklärt, könnten andere EU-Staaten ähnliche Finanzierungsmodelle anwenden – und so ihre AKW-Pläne überhaupt erst verwirklichen. Die britische Regierung verspricht den Betreibern von Hinkley Point C neben umfangreichen Kreditgarantien und weiteren Absicherungen vor allem eine feste Einspeisevergütung für den in Hinkley Point C produzierten Atomstrom. Diese Garantievergütung liegt weit über dem Marktpreis und summiert sich über die Laufzeit von 35 Jahren auf mehr als 100 Milliarden Euro, die letztlich der Steuerzahler aufbringen muss.
Weil diese hohen Subventionen den Energiemarkt in Europa zu Lasten anderer Anbieter verzerren, hat Greenpeace Energy zusammen mit der oekostrom AG aus Österreich sowie acht deutschen Stadtwerken dagegen im vergangenen Juli vor dem Gericht der Europäischen Union geklagt. „Die Richter entscheiden in diesem Verfahren auch darüber, ob die ebenso gefährliche wie unwirtschaftliche Atomkraft in zahlreichen EU-Staaten hochsubventioniert wiederauferstehen darf“, sagt Sönke Tangermann.
Die Klage von Greenpeace Energy versammelt indes immer mehr ideelle Unterstützer: 145 Unternehmen, Verbände und Institutionen teilen inzwischen offiziell die Kritik an den Subventionen für Hinkley Point C und ihren möglichen negativen Auswirkungen für die Energiewende in Deutschland und Europa. Sie haben deshalb ihre symbolische Unterstützung für die Klage bekundet. Unter den Befürwortern finden sich der Bundesverband Erneuerbare Energien e.V. (BEE), der Bundesverband Windenergie (BWE), das Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn) und zahlreiche weitere Akteure aus dem Energiesektor sowie aus anderen Branchen.
Hintergrundinfo zum Klageverfahren: Die offizielle Frist, innerhalb derer sich betroffene Staaten und Unternehmen als Streithelfer in das Verfahren einbringen können, endet am 4. Dezember. Sollte ein Streithilfeantrag nach dem Ablauf dieser Frist, aber vor dem Beschluss zur Eröffnung der mündlichen Verhandlung eingereicht werden, hätte der Beitretende lediglich das Recht, auf Grundlage des ihm übermittelten Sitzungsberichts in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen. In einem gesonderten Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof klagt die Republik Österreich gegen die Genehmigung der Atombeihilfen für Hinkley Point C. Das Großherzogtum Luxemburg hat inzwischen erklärt, Österreich als Streithelfer im Verfahren beizuspringen. Deutschland lehnt trotz intensiver parlamentarischer Debatten ein juristisches Vorgehen gegen die umstrittenen Atomsubventionen generell ab.
Quelle: Greenpeace Energy eG