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Pragmatischer Linker trifft NRW-Mittelstand

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Velbert. Die deutsche Wirtschaft erweist sich als sicherer Hafen in stürmischer Zeit. Das BVMW-Wirtschaftssymposium am 26.8. bei EMKA in Velbert zeigte aber auch, dass Eurokrise, Börsenbeben und eskalierende Konflikte nicht spurlos am Mittelstand vorübergehen.

EMKA-Chef Friedhelm Runge, Dr. Gregor Gysi, Mario Ohoven und NRW-Landesgeschäftsführer Herbert Schulte. - Quelle: Thomas Kolbe
vl. EMKA-Chef Friedhelm Runge, Dr. Gregor Gysi, Mario Ohoven und NRW-Landesgeschäftsführer Herbert Schulte. – Quelle: Thomas Kolbe

Was haben mittelständische Unternehmer und der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag gemeinsam? Es ist die Überzeugung, dass es ohne gesunden Mittelstand einfach nicht läuft. Wer erwartet hatte, mit Gregor Gysi einen Klassenkämpfer alter Schule zu erleben, mit allem was die rhetorische Kriegskunst so hergibt, sah sich getäuscht. Gysi erwies sich im Gespräch mit dem Moderatoren-Duo Nadine Schulerus und Jörg Zajonc von RTL West als pragmatischer Linker, der sein Herz zwar auf der Zunge trägt, in der Sache aber einen klaren Blick behält.

Diesen Realismus forderte auch BVMW-Präsident Mario Ohoven in seinem Eingangsstatement ein. Ohoven warnte die Mitglieder des Wirtschaftssenats angesichts zahlreicher Krisen vor stürmischen Zeiten. Deutschland sei nur durch die schmerzhafte, aber weitsichtige Reformpolitik der Agenda 2010 und durch seinen Mittelstand durch die schwere Wachstumskrise der 90er Jahre gekommen, so Ohoven. Mittelstand und Unternehmertum? Das seien unverzichtbare Zutaten einer prosperierenden Wirtschaft, betonte Gysi im anschließenden Symposium.

Gysis Hauptkampflinie ist dabei klar verortet: Großbanken und internationale Konzerne stehen bei ihm und seiner Partei in der Schusslinie. Im Kern, so Gysi, ginge es doch darum, Macht auszutarieren. Macht zwischen der Politik auf der einen Seite und den Banken, die eine systemgefährdende Größe erreicht hätten, auf der anderen. Das Phänomen kennt man im Mittelstand gut: Banken, die sich nicht mehr als Kreditmediatoren der lokalen Wirtschaft verstehen, sondern ihr geschäftliches Heil im Investmentsektor suchen.

Sparkassensystem als Leitbild

Das deutsche Sparkassensystem hingegen sei mustergültig und daher stabil durch die Krise gekommen – hier könne man bankenpolitisch ansetzen. Den Großkonzernen warf Gysi in zahlreichen Fällen wettbewerbsverzerrende Steuersparmodelle vor. Der Kampf um Gerechtigkeit spielt sich nicht nur zwischen den Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger ab, er flackert gerade in Krisenzeiten auch zwischen den Volkswirtschaften auf. Das ist heute wieder gut zu beobachten. Notenbanken rund um den Globus sind mit Hilfe expansiver Geldpolitik auf der Jagd nach nationalen Handelsvorteilen.

Wenn die Konjunktur dann dennoch nicht anspringt, reagieren Investoren unmittelbar und ziehen Kapital ab. Die Folge ist eine persistente Wachstums- und Währungskrise in den Schwellenländern, die auch der deutsche Export, das unterstrich Mario Ohoven gleich zu Beginn seiner Rede, schon bald spüren werde.

Dr. Gregor Gysi im Diskurs mit den Moderatoren Jörg Zajonc und Nadine Schulerus. - Quelle: Thomas Kolbe
Dr. Gregor Gysi im Diskurs mit den Moderatoren Jörg Zajonc und Nadine Schulerus. – Quelle: Thomas Kolbe

Tektonik der Welt zerbröselt

Die politische Tektonik der Welt verändert sich in diesem unsicheren Klima rasch wie selten zuvor. Die zahlreichen auflodernden Konflikte in Afrika, aber vor allem der Krieg in Syrien entwurzeln Millionen und sind der Treibstoff einer wahren Völkerwanderung. Das traf die Politik in ganz Europa unvorbereitet, so Gysi, die neben einer humanitären Flüchtlingspolitik daheim Druck macht, die Ursachen vor Ort zu bekämpfen. Die Weltgemeinschaft müsse globale Politikregime verankern, andernfalls ließen sich globale Krisen, systemische Unwuchten in der Geldpolitik und die Not in der Welt im Zuge von Vertreibung und Klimawandel niemals unter Kontrolle bringen. Deutschland steht vor der Wahl, angesichts von Gewalt und Vertreibung Verantwortung zu übernehmen und unsere gleichfalls zögerlichen EU-Partner an die Hand zu nehmen. Eine gemeinsame Flüchtlingspolitik wäre möglicherweise mehr Europa als die, wie Mario Ohoven eingangs betonte, gescheiterte und konfliktfördernde Europolitik.

Text: Thomas Kolbe

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