Berlin-Schönefeld – Eigentlich sollte am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe Donnerstag (16.12.2021) geklärt werden, ob Audi wegen der Entwicklung und Inverkehrbringung von manipulierten Diesel-Motoren Schadensersatz an die betroffenen PKW-Besitzer zahlen muss. Der Ingolstädter Autobauer zog jedoch kurzfristig eine Revision zurück, um ein höchstrichterliches Urteil in der Sache zu verhindern. “Audi zahlt einem einzigen Kläger Schadensersatz, um ein Grundsatzurteil und eine daraus resultierende Klagewelle zu verhindern. Betroffene Verbraucher sollten sich durch diese Aktion dennoch gestärkt sehen und ihre Rechtsanspreche unbedingt zeitnah durchsetzen, um eine mögliche Verjährung zu verhindern”, meint der Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei unter anderem für das erste BGH-Urteil im Abgasskandal verantwortlich ist.
Verbraucheranwalt: Audi bewertet eigene Erfolgschancen vor dem BGH als schlecht
“Hätten die BGH-Richter […] eine verbraucherfreundliche Entscheidung zur Haftung von Audi verkündet, wäre das zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt für den Ingolstädter Autobauer geschehen. Die Rechte von vielen betroffenen Verbrauchern drohen nämlich zum 01. Januar 2022 zu verjähren. Das betrifft Hunderttausende PKW-Besitzer, deren Autos im Jahr 2018 wegen des Abgasskandals zurückgerufen wurden”, führt Goldenstein fort. Er ergänzt:
“Indem Audi nun einem Kläger Schadensersatz zahlt, verhindert der Autobauer ein Grundsatzurteil durch die BGH-Richter und damit möglicherweise auch eine Klagewelle. Betroffene Verbraucher sollten dies aber als klares Signal wahrnehmen, dass Audi die eigenen Erfolgschancen vor dem BGH als so gering bewertet hat, dass sie ein Urteil aus der Vorinstanz anerkennen und Schadensersatz zahlen.
Früher oder später wird auch Audi wegen des Abgasskandals höchstrichterlich verurteilt. Betroffenen PKW-Besitzern raten wir daher dazu, sich nicht verunsichern zu lassen und sich stattdessen schnellstmöglich über die eigenen rechtlichen Möglichkeiten in der Sache zu informieren, um keine Verjährung der eigenen Ansprüche zu riskieren.”
Das sind die Hintergründe der BGH-Verhandlung
Eigentlich hätten sich die obersten Zivilrichter Deutschlands Donnerstag mit zwei Verfahren befassen müssen. In beiden Fällen ging es um ein Auto, das einen von Audi entwickelten Diesel-Motor enthält. Die Fahrzeuge wurden wegen des Abgasskandals vor mehreren Jahren von dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zurückgerufen.
Das Besondere an den Fällen war, dass beide Fahrzeuge mit einem Darlehensvertrag finanziert wurden, in dem ein Rückgaberecht verbrieft wurde. Dadurch hatten die Kläger nach der Tilgung des Darlehens die Möglichkeit, ihre Fahrzeuge zu einem vorab festgelegten Kaufpreis an die Audi Bank zurückzugeben.
Weil die Kläger dieses Rückgaberecht nicht genutzt hatten, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Celle in der Vorinstanz, dass deshalb auch keine Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden könnten. Das OLG Koblenz entschied jedoch zugunsten des Klägers und sprach diesem Schadensersatz zu. In diesem Fall zog Audi nun die Revision zurück und zahlte dem Kläger Schadensersatz.
Dadurch erreichte das Unternehmen, dass sich die BGH-Richter Donnerstag ausschließlich mit dem nicht genutzten Rückgaberecht auseinandersetzten. Diesbezüglich entschied der BGH, dass ein ungenutztes Rückgaberecht die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nicht ausschließt. Die Richter verwiesen den Fall an das Oberlandesgericht (OLG) Celle zurück, wo sich die dortigen Richter nun mit der Haftungsfrage befassen müssen.
Diese Rechte haben betroffene Fahrzeughalter
Die Halter von illegal manipulierten Fahrzeugen haben die Möglichkeit, ihr Auto an den verantwortlichen Hersteller zurückzugeben. Im Gegenzug winkt eine finanzielle Entschädigung, die sich an dem ursprünglichen Kaufpreis orientiert. Alternativ ist es auch möglich, das manipulierte Fahrzeug zu behalten und eine Entschädigung in Höhe eines Teils des Kaufbeitrages durchzusetzen. Dadurch soll der Wertverlust, der durch den Abgasskandal entstanden ist, kompensiert werden.
Abgasskandal-Klagen sind in vielen Fällen ohne finanzielles Risiko möglich. Wer nicht rechtsschutzversichert ist, kann in der Regel auf die Dienste eines Prozesskostenfinanzierers zugreifen. Dieser übernimmt die vollen Verfahrenskosten und bezieht lediglich im Erfolgsfall einer Klage eine vorab definierte Provision.
Quelle: Goldenstein Rechtsanwälte