Nach einer ordentlichen Kündigung haben Arbeitnehmer Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, um Vorstellungsgespräche wahrzunehmen. Gewährt der Chef dies ohne nähere Nachfragen, kann er später nicht fristlos kündigen, weil er vermutet, dass die Vorstellungsgespräche gar nicht stattgefunden haben. Dies entschied nach Informationen der D.A.S. Rechtsschutz Leistungs-GmbH (D.A.S. Leistungsservice) das Landesarbeitsgericht Hessen
LAG Hessen, Az. 18 Sa 695/12
Hintergrundinformation:
Nach einer ordentlichen Kündigung hat ein Arbeitnehmer gemäß § 629 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Anspruch auf Freistellung von der Arbeit für Vorstellungsgespräche. Der Arbeitnehmer muss „angemessene“ Zeit für seine Bewerbungsgespräche erhalten – wieviel, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Nach § 616 BGB ist er für diese Zeit mit der normalen Vergütung zu bezahlen – zumindest, solange Tarif- oder Arbeitsvertrag nichts anderes besagen. Konkrete Angaben zum möglichen neuen Arbeitgeber müssen Betroffene beim alten Chef nicht machen.
Der Fall: Ein angestellter Radiologe hatte sich nach einer ordentlichen Kündigung mehrmals für Vorstellungsgespräche freistellen lassen. Der Arbeitgeber hatte dies akzeptiert und keine näheren Informationen über Ort und Zeit der Gespräche verlangt. Dann kam es wegen diverser Punkte zum Streit: Ein Vorgesetzter hatte den Mann während einer Krankschreibung am Bahnhof gesichtet, angeblich hatte er auch kostenlose MRT-Untersuchungen an sich selbst durchgeführt. Man warf ihm nun vor, sich durch Vortäuschung von Vorstellungsgesprächen bezahlte Freizeit erschlichen zu haben. Es folgte die fristlose Kündigung. Der Arbeitnehmer ging dagegen gerichtlich vor.
Das Urteil: Das hessische Landesarbeitsgericht entschied nach Mitteilung des D.A.S. Leistungsservice, dass der Arbeitgeber wegen der Vorstellungsgespräche nicht zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen sei. Es gebe keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Radiologe sich bezahlte Freizeit erschlichen habe. Der Arbeitgeber müsse keine Freistellung gewähren, wenn ihn der Mitarbeiter nicht zumindest über Ort und ungefähre Dauer der Vorstellungsgespräche informiere. Genehmige der Arbeitgeber die Freistellung, ohne solche Informationen zu erfragen, könne er die fehlenden Details nicht später zum Nachteil des Arbeitnehmers auslegen und damit einen entsprechenden Verdacht begründen. Die Freistellung für Vorstellungsgespräche sei damit hier kein zulässiger Kündigungsgrund.
Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 28.11.2012, Az. 18 Sa 695/12
Quelle: D.A.S. Rechtsschutz Leistungs-GmbH