Das Landessozialgericht (LSG) in Essen hat am 8.4.2014 entschieden, dass Küchenhilfen, die auf dem Weihnachtsmarkt in der Gastronomie arbeiten, regelmäßig abhängig Beschäftigte sind und daher der Sozialversicherungspflicht unterfallen. Dies hat für die Auftrag gebenden Unternehmen nicht nur sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen. Wegen der Nichtabführung der entstandenen Sozialversicherungsbeiträge ist gleichzeitig der Straftatbestand des § 266a StGB verwirklicht.
Der Sachverhalt:
Der Unternehmer wehrte sich gegen die Bescheide der Deutschen Rentenversicherung über die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zzgl. Säumniszuschlägen in Höhe von rd. € 25.000,00. Der Unternehmer betrieb auf dem Weihnachtsmarkt eine Gastronomie, beschäftigte dort eigene Angestellte sowie „selbständige“ Küchenhelfer und Servicekräfte. Er bezahlte beiden Gruppen von Mitarbeitern € 10,00/ Stunde, teilte die Mitarbeiter entsprechend eines Dienstplanes an verschiedenen Tischen ein, gab die Arbeitszeiten und die Art der Arbeitskleidung (Tracht) vor und machte auch im Übrigen keine Unterschiede zu den eigenen Angestellten.
Die Entscheidung:
Das LSG entschied gegen den Unternehmer. Die Servicekräfte sind abhängig Beschäftigte. Dies ist dann der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem umfassenden Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung des Auftraggebers unterliegt. Charakteristisch für eine selbständige Tätigkeit ist das Vorhandensein eines eigenen Unternehmerrisikos, einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Die Entscheidung hat danach zu fallen, welchen Umstände überwiegen.
Alle Beschäftigten erhalten den gleichen Stundenlohn. Der Unternehmer übt sein zeitliches Weisungsrecht über die Vorgabe der Öffnungszeiten aus und gibt den Mitarbeitern einen passenden Dienstplan vor. Es gab für die Mitarbeiter keinen Spielraum, über das Arbeitspensum flexibel zu entscheiden. Der Unternehmer gab die Art der Arbeitskleidung vor und teilte die Mitarbeiter einzelnen Tischen zu. Auch örtlich wurden die Mitarbeiter im Betrieb des Unternehmers auf dem Weihnachtsmarkt tätig und sie trugen kein nennenswertes unternehmerisches Risiko. Der Unternehmer hat es versäumt, die Frage über ein Statusfeststellungsverfahren frühzeitig zu klären. Er hat die Verwirklichung der Sozialversicherungspflicht daher billigend in Kauf genommen.
Anmerkung:
Die Entscheidung befasst sich mit der üblichen Abwägung zwischen Selbständigkeit und abhängiger Beschäftigung/ Scheinselbständigkeit, wie sie in zahlreichen Entscheidungen der Sozial-, Arbeits-, Finanz- und Strafgerichte zu finden ist. Die Abwägungskriterien für und gegen eine Selbständigkeit sind dabei nicht neu entwickelt worden, sondern gehen zurück auf die langjährige Rechtsprechung der vorbezeichneten Gerichte:
- Freie Entscheidung über Ort, Zeit, Art und Inhalt der Tätigkeit
- Eigene Betriebsstätte
- Möglichkeit und Ausübung der Tätigkeit für Dritte
- Eigene Preisgestaltung
- Steuerliche Behandlung der Umsätze
- Vorliegen einer Gewerbeanmeldung
- Unternehmerisches Risiko über das Insolvenzrisiko des Auftraggebers hinaus
- Erfolgsabhängige Bezahlung
- Fehlende Entgeltfortzahlung im Krankheits- oder Urlaubsfall
- Keine Verpflichtung, angebotene Aufträge anzunehmen
- Eigene Werbung
Trotz der umfangreichen Rechtsprechung nimmt die Zahl der Fälle, in denen das Hauptzollamt zunächst sozialversicherungsrechtlich ermittelt, nicht ab. Ganz im Gegenteil ist – unter Berücksichtigung zunehmender Einstellungen bei den Zollbehörden – eine steigende Anzahl von Prüfungen und Verfahren festzustellen. Eine falsche Entscheidung des Unternehmers an dieser Stelle hat weitreichende finanzielle Folgen. Er muss als Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Bei vorsätzlicher Vorgehensweise verjähren die Beitragspflichten grundsätzlich nicht mit der Folge, dass die Deutsche Rentenversicherung zeitlich bis zum Beginn der ersten „bemakelten Tätigkeit“ eines Scheinselbständigen zurückgehen kann. Zusätzlich fallen Säumniszuschläge an. Insgesamt kann die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens bedroht sein. Zudem drohen bei entsprechender Höhe an nachzuzahlenden Beiträgen empfindliche Strafen gegen den Unternehmer.