Glasfaserausbau: Monopol trotz Wettbewerb
Warum es sich für Kommunen lohnt, beim Glasfaserausbau genauer auf die Umsetzung von Open Access zu achten
Die Bundesregierung hat sich die flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard bis 2030 auf die Fahne geschrieben. Der High-Speed-Internet-Ausbau nimmt damit hierzulande endlich Fahrt auf. Gleichzeitig stellt sich allen Kommunen die dringende Frage, mit welchem Anbieter sie in Sachen Glasfaserausbau kooperieren. Neben etablierten Netzbetreibern tauchen immer wieder auch neue Akteure im Markt auf – nicht zuletzt getrieben durch die großen finanziellen Mittelzuflüsse aus Fördertöpfen und von privaten Investoren. Die schiere Vielfalt an Playern bietet Chancen und Risiken zugleich: Kommunen stehen bei der Wahl des richtigen Partners vor der Aufgabe, die sprichwörtliche Spreu vom Weizen zu trennen. Gleichzeitig bietet sich ihnen die einmalige Gelegenheit, schon bei der Ausschreibung marktgestalterische Ziele mit in den Blick zu nehmen, statt nur vordergründig auf den Preis zu schauen, ohne dabei die mittel- und langfristigen Folgen zu berücksichtigen.
Privat oder Staat: die Probleme bleiben die gleichen
Infrastruktur als Geldanlage ist heute in aller Munde: Finanzkonzerne wie Versicherungen und Fondsanbieter haben dieses Thema für sich entdeckt, bei der die Bürger, deren Renten und Sparanlagen angelegt werden, indirekt an der Infrastruktur beteiligt werden. Seitens der Anbieter steht dahinter vor allem das Ziel, möglichst viele Haushalte ans eigene Netz anzuschließen, um eine flächendeckende Versorgung zu erreichen und das Netz als Ganzes effizient betreiben zu können. Warum also sollten Kommunen öffentliche Gelder in den Glasfaserausbau stecken, wenn es doch genügend Interessenten gibt, die privates Geld zu investieren bereit sind?
Bis 2028 sollen in Summe 44 Millionen Haushalte über einen Glasfaser-Anschluss (FTTH) verfügen, womit auch dem Thema Open Access (OA) neue Bedeutung zukommt. Praktisch bedeutet dies, dass Netzbetreiber als Gegenleistung für die Fördermittel der EU auch anderen Serviceanbietern Zugang zu ihrer Infrastruktur gewähren müssen. Dann also doch lieber öffentliches Geld einsetzen zum Wohle des Wettbewerbs?
Unmut in Sachen Open Access
Schon mit VDSL wurde der sogenannte Bit Stream Access (BSA) als Ersatz der physischen Entbündelung eingeführt. Damit war es weiterhin möglich, auf einer einzigen Netzinfrastruktur verschiedene Serviceprovider in Wettbewerb treten zu lassen, die verschiedenen Dienste wie Telefonie (Sprache), Internet, im Weiteren aber auch E-Mail, Cloudspeicher, IPTV und vieles mehr anboten. Bei VDSL wurde BSA einigermaßen gut angenommen und führte immerhin dazu, dass auch in Gebieten, in denen der FTTC-Ausbau von regionalen Anbietern vorangetrieben wurde, die Serviceprodukte der wichtigsten großen Anbieter zur Auswahl standen. Bei FTTH regt sich Unmut in Sachen Open Access vor allem dort, wo diese Wahlmöglichkeit bei der Akquise vor dem Bau versprochen aber nach dem Bau nicht geliefert wurde. Aufgrund langwieriger Verhandlungen und Probleme bei der technischen Umsetzung ist er oft auch Jahre später noch kaum verfügbar.
Dabei macht es in der Praxis keinen Unterschied, ob gefördert unter der Auflage des Open Access ausgebaut wurde oder eigenwirtschaftlich ohne diese rechtliche Auflage. Im Gegensatz zum Zugang zur alten Kupferleitung werden bei Open Access nicht nur BSA, sondern auch andere Zugangsmöglichkeiten gefordert, was die Sache kompliziert und langwierig macht. Zudem hat man auf eine funktionierende Preisregulierung verzichtet. Leider trifft dies vor allem ländliche Bereiche, wo die Baukosten pro angeschlossenen Haushalt hoch sind, während in dicht besiedelten städtischen Gebieten oft mehrere Netzbetreiber gleichzeitig bauen. De facto wurde so durch übertriebene Anforderungen und fehlende Regulierungsdetails eine theoretisch und juristisch saubere, aber wenig praxistaugliche Situation geschaffen. Die Rechnung zahlt am Ende der Kunde. Wettbewerb unter den Netzbetreibern gibt es primär überregional in der Frage, wer in welcher Kommune ausbaut. Danach und für den einzelnen Verbraucher gibt es dann oft nur ein Servicemonopol.
Verbraucher zahlt die Zeche
So hat der Verbraucher heute selbst im geförderten Ausbau oft keine Wahlmöglichkeit, da der Zugang für Wettbewerber verzögert oder preislich unattraktiv gemacht wird. Die komplexen Vorgaben zum Open Access erleichtern hier, was sie eigentlich verhindern sollten. Anders sähe dies aus, wenn sich die Kommunen stärker für die eigenen Bürger ins Zeug legen und bei der Vertragsgestaltung den Wettbewerb unter Serviceprovidern auf einem einzelnen zu bauenden Glasfasernetz gezielt einfordern würden. Vor allem jenseits der größeren Städte scheinen viele jedoch genau damit überfordert zu sein. Letztlich geht es um das Austarieren verschiedener Ziele durch die Kommunen und darum, wie man diese befördert. Nur wenige Netzbetreiber bauen ohne Vereinbarung mit der Kommune, also nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG), weil dies sehr langwierig ist. Damit haben die Kommunen einen wichtigen Hebel im Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte, die es zu nutzen gilt, statt sie auszuschalten. Einerseits sind die Kommunen daran interessiert, den Glasfaserausbau zu beschleunigen und das zu möglichst günstigen Kosten. Das Ziel, Wahlmöglichkeiten für die Nutzer und damit Wettbewerb beim Serviceangebot zu schaffen, tritt dabei oft in den Hintergrund. Typischerweise verlässt man sich auf die Anforderungen der Förderrichtlinien zu Open Access. Manchmal übernimmt man diese auch für den eigenwirtschaftlichen Ausbau. Die praktischen Mängel der Förderrichtlinien bleiben aber, und so bleibt es zunächst beim Servicemonopol – und das oft für Jahre. Es ist also an den Kommunen, sich technische Kompetenz und entsprechende fachliche Ausschreibungskriterien und Vorgaben zunutze zu machen, damit das marktgestalterische Ziel unterstützt wird und nicht nur die monopolorientierten Interessen der Anbieter.
Oft ist der Wettbewerb nur formal gegeben, praktisch aber nicht vorhanden
Einige Netzbetreiber bekennen sich auch bei eigenwirtschaftlichem Ausbau zu Open Access, um dem Interesse der Endkunden entgegenzukommen und ihr Angebot in den Verhandlungen mit den Kommunen attraktiv zu machen. Wenn die Ausschreibungen jedoch rein auf den günstigsten Preis abzielen, treibt das die Zahlung an die Kommunen und damit auch die Kosten für die Nutzer von Open Access in die Höhe. In diesem Fall wird zwar Open Access formal gewährt als verpflichtendes Angebot. Gleichzeitig aber werden Konditionen festgelegt, die diese Angebote weitgehend unattraktiv machen, so dass es für die Endkunden bei monopolistischen Angeboten bleibt. Diese Mechanismen, trotz Auflagen Wettbewerber fernzuhalten, erinnern stark an den Bahnverkehr. Auch hier hat man formal Wettbewerb im Fernverkehr geschaffen und den Markt für alternative Verkehrsunternehmen geöffnet. In der Praxis hat die Deutsche Bahn als Betreiber des Netzes allerdings vielfältige Möglichkeiten, diese Wettbewerber zu behindern.
Kommunen sollten ihren Einfluss im Sinne der Bürger nutzen
Es ist also heute so, dass man beim Netzbau zwar theoretisch Wettbewerb und Markt hat, was private Investoren anlockt und öffentliches Geld spart. Wegen der mangelhaften praktischen Umsetzung aber wird der Markt auf Serviceebene langfristig ausgeschaltet – und zwar sowohl im geförderten als auch im eigenwirtschaftlichen Ausbau. Vielleicht bräuchte es eine Trennung von Netz und Service, die ein Stückweit der heutigen Situation ähneln würde, in der die Telekom zwar das Kupfernetz betreibt, dies aber unter strengen Auflagen und quasi im hoheitlichen Auftrag. Im Glasfaserausbau hätten die Kommunen die Chance, die Regeln im Sinne der Bürger zu gestalten.
Über den Autor
Thomas Pförtner ist Projekt- und Interim Manager. Er realisiert neue Geschäftswerte durch fokussierte Projekte und ist immer dann gefragt, wenn es um strategisches Wachstum durch technische Innovationen geht. Zu seinen Auftraggebern zählen wachstumsorientierte Unternehmen aus der IT/K-Branche, der Chip- und Halbleiterindustrie sowie aus Produktion und Fertigung. Als Universalist verbindet er umfassendes technologisches Wissen über Chips und Halbleiter sowie moderne Fertigungsverfahren und Werkstoffe mit Praxiswissen über Netze, Server, moderne IT-Services und EDV. Ergänzt wird sein Kompetenzportfolio um strategisches Unternehmensmanagement-Know-how und Erfahrungen in den Bereichen Qualitätssicherung, Risikobewertung, Finanzen, Einkauf, Fertigung, Vertragswesen, Führung und Prozessteuerung. Er wirkt als Generalist. Technologie ist für ihn Mittel zum Zweck – mit und für die Menschen, die sie anwenden. Er steht für greifbare Ergebnisse und eine nachhaltige Umsetzung in der betrieblichen Praxis. Seine ganzheitliche Sicht auf menschliche, technologische, betriebswirtschaftliche, gesellschaftliche und ethische Fragestellungen in einer volatilen Geschäftswelt bringt der Diplom-Ingenieur und ausgezeichnete Interim Manager auch in verschiedene Fachzirkel und Gremien ein. Wegen seiner tiefgründigen Analysen und seiner systemisch-generalistischen Denkansätze ist er zudem als Autor in Fachmedien gefragt sowie als Experte im Rahmen von Workshops, Tagungen und Kongressen.
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