Berlin – Der Apothekenversandhandel boomt. Allein Großbritannien und Deutschland – die beiden größten Online-Apothekenmärke in Europa – werden 2018 ein gemeinsames Volumen von 3,5 Milliarden Euro aufweisen. Das sind rund 90 Prozent mehr als heute vor vier Jahren. „Dabei sind rezeptpflichtige Medikamente noch nicht einmal enthalten“, so Tobias Brodtkorb vom Beratungsunternehmen Sempora. Die Zahlen berücksichtigten nur frei verkäufliche Kosmetik-, Beauty- und Wellnessprodukte sowie Nahrungsergänzungsmittel und sonstige rezeptfreie Medikamente. „In beiden Ländern sind die Menschen ähnlich offen für den Online-Apothekenkauf“, sagt Brodtkorb.
Allerdings sei die Praxis sehr unterschiedlich. In Großbritannien nutze man ein Modell, das in Deutschland kaum eine Rolle spiele: das so genannte Order-and-Collect. Die Menschen bestellen ihre Apothekenprodukte online und holen sie dann am nächsten Tag selbst in einer Filiale ab. Begünstigt werde dies durch eine monopolistische Marktstruktur mit einem dominanten Player – es handelt sich um Boots.com -, der über ein starkes Vor-Ort-Netz verfüge. „Knapp 90 Prozent der Briten haben eine Boots-Filiale in unmittelbarer Nähe“, so Brodtkorb.
In Deutschland ist der Online-Apothekenmarkt deutlich fragmentierter. Hier gibt es rund 20 große Unternehmen – und bei allen dominiert das Ausliefern, nicht der Kundenbesuch. Dabei wird die Lieferqualität offensichtlich immer mehr zum Differenzierungsmerkmal: „Die großen deutschen Versandapotheken haben fast alle ein ähnlich günstiges Preisniveau“, sagt Fabian Kaske von der Marketingagentur Dr. Kaske. „Also versuchen die Unternehmen, sich durch besondere Lieferservices wie Same-Day-Delivery abzuheben.“ Hier sei auch Amazon zu nennen. Das Unternehmen biete eine Reihe von Teilsegmenten an, die bei Versandapotheken ebenfalls zu finden seien. „Amazon ist schon jetzt eine der zehn umsatzstärksten Online-Apotheken in Deutschland.“ Und es sei denkbar, dass der Druck durch einen neuen Service weiter erhöht werde. „Meiner Meinung nach wird Amazon noch in diesem Jahr eine Prime-Now-Lösung für Apothekenprodukte einführen“, so Kaske. Damit verbunden wäre die Lieferung innerhalb einer Stunde nach dem Bestellen. Eine Geschwindigkeit, die andere Versandapotheken kaum einhalten könnten.
„Ich glaube nicht an Prime-Now für Apothekenprodukte“, sagt dagegen Hartmut Deiwick. Er hat als kaufmännischer Leiter der Berliner Versandapotheke Aponeo zwar dafür gesorgt, dass man auf dem Amazon-Marktplatz vertreten ist. Aber: Das sei etwas gänzlich anderes als Prime-Now. „Als Apotheken-Marktplatz ist Amazon primär eine Plattform. Der Händler nutzt die Reichweite, bleibt in seiner Strategie aber unabhängig.“ Natürlich lerne Amazon dabei und biete Produkte dann auch selbst an. Der Apothekenmarkt sei aber stark reguliert. Selbst Versandapotheken dürften nur einen Teil ihres Sortiments auf Amazon anbieten. „Für eine umfassende Prime-Now-Lösung müsste Amazon mit sehr vielen Apotheken auf eine völlig neue Art kooperieren.“ Kooperation heiße hier: Man würde faktisch zum verlängerten Logistikarm. „Die Versandapotheken werden dagegenhalten“, sagt Deiwick.
Quelle: APONEO Deutsche Versand-Apotheke