Wie haben neue Technologien und die digitale Revolution die Tourismusbranche verändert? Last-Minute-Angebote im Internet, Empfehlungen auf Reiseblogs, digitale Reiseführer und Online-Start-ups, die von Tourismus leben – das alles hat es vor wenigen Jahren noch nicht gegeben. Traditionelle Reisebüros, Hotels und Kulturinstitutionen nutzen die neuen Möglichkeiten für sich, gleichzeitig bringt das Internet sie aber immer wieder in Bedrängnis.
Professionelle Internetpräsenz und Online-Marketing sind Pflicht
Manche Dinge sind in den letzten Jahren zur Pflicht für jeden geworden, der von Tourismus leben möchte. Dazu gehört an erster Stelle eine eigene Webseite – übersichtlich und modern gestaltet, optimiert für mobile Ansicht, wenn nötig auch als App. Ohne professionelle Internetpräsenz nehmen Kunden ein Geschäft nicht mehr ernst.
Genauso sieht es mit dem Online-Marketing aus. Hier gilt die Regel: Möchten Sie etwas verstecken, legen Sie es auf Seite 2 der Google-Suchergebnisse. Sowohl Reisebüros als auch Hotels, Museen und Galerien müssen im Internet präsent sein.
Interaktive Webseiten und Social-Media
Große Museen und Galerien nutzen das Internet und Social-Media bereits sehr effektiv: Das Amsterdamer Rijksmuseum bietet eine interaktive Webseite mit integriertem Online-Shop für Poster und Drucke. Gleichzeitig animiert es seine Besucher, eigene Kunstwerke anhand der Motive ihrer Bilder zu erschaffen und zeichnet diese mit Awards aus. Die National Portrait Gallery in London nutzt Pinterest, um ihre Social-Media-Präsenz zu erhöhen. Die Berliner Gemäldegalerie stellt ihre Werke auf Artsy aus.
Doch Social-Media ist vor allem für kleinere Hotels, Museen und Galerien eine Chance, ohne viel Geld und Aufwand genau die richtige Zielgruppe zu treffen. So nutzt beispielsweise die Züricher Galerie Gmurzynska Facebook, um Besucher auf sich aufmerksam zu machen. Dabei postet die Galerie nicht einfach nur ihre anstehenden Veranstaltungen – das, worauf sich das Social-Media-Marketing vieler kleiner Galerien leider beschränkt – sondern auch Fotos, Videos und Links zu Artikeln über die Galerie.
Mit innovativen Technologien aus der Masse herausstechen
Doch einfaches Online-Marketing betreibt heute fast jeder. Wer wirklich auffallen möchte, muss weiterdenken. So nutzt der Reisekonzern Thomas Cook in einigen Filialen Datenbrillen, um ihren Kunden einen lebensechten Vorgeschmack auf ihre Reise zu geben. Eine Datenbrille oder Virtual-Reality-Brille zeigt ein Video in 360-Grad-Ansicht.
Thomas Cook schickt die Kunden auf eine virtuelle Reise nach New York, lässt sie durch den Central Park schlendern, die Brooklyn Bridge überqueren und in einem Cabrio-Taxi über den Time Square fahren. Dabei steht oder sitzt der Kunde auf einem Drehstuhl und kann die virtuelle Welt aus jedem beliebigen Winkel betrachten. Das Ganze ist bei Thomas Cook auch für Hotelzimmer möglich.
Auch Hotels müssen mit den neuen Entwicklungen schritthalten. WLAN im Zimmer wird immer weniger ein Extra, für das man viel Geld zahlt, sondern eine Selbstverständlichkeit. Hotels nutzen Cloud-Services, die mit einem personalisierten Unterhaltungsangebot den klassischen Fernseher ersetzen. Das Hilton testet das Konzept des Smartphones als Zimmerschlüssel.
Neue Start-ups personalisieren das Reisen
Die größten Veränderungen im Tourismus werden aber von den neuen Start-ups herbeigeführt. Sie sind eine Konkurrenz für die traditionelle Tourismusbranche, denn sie übergehen diese einfach, indem sie Reisende und Einheimische direkt miteinander verbinden. Heute können wir wählen, ob wir in einem Hotel oder Hostel übernachten oder vielleicht doch lieber zum gleichen oder günstigeren Preis ein Privatzimmer über Airbnb buchen.
Wer nichts ausgeben möchte, kann über Couchsurfing bei gastfreundlichen Fremden kostenlos übernachten. Als Gegenleistung wird ein Gastgeschenk mitgebracht oder ein Abendessen gekocht – eine uralte Form des Reisens im „Global Village“ des 21. Jahrhunderts.
Auf der Suche nach Authentizität
In der Zeit von Starbucks, McDonalds und den gefürchteten Touristenfallen sehnen sich viele Reisende nach einem unverwechselbaren, authentischen Reiseerlebnis. Sie möchten keine typischen Touristen sein und einfach nur die klassischen Sehenswürdigkeiten abklappern, sondern einen Ort wie ein Einheimischer erleben. Es ist fast schon ironisch, dass genau hier das Internet eine so zentrale Rolle spielt.
Reiseblogger erstellen Listen mit den besten „Geheimtipps“. Seiten wie Likealocalguide sammeln Empfehlungen von Einheimischen. Auf dem Online-Portal EatWith laden lokale Hobbyköche für durchschnittlich 30 Euro pro Person zum gemeinsamen Essen ein. Airbnb für Essen, was könnte authentischer sein?
Tourismus im 21. Jahrhundert
Wie genau haben neue Technologien die Tourismusbranche also verändert? Dank Internet und Social-Media können kleinere Hotels, Museen und Galerien jetzt viel einfacher auf sich aufmerksam machen – vorgesetzt sie gehen über das Mindestmaß an Online-Marketing hinaus. Große Reisekonzerne und Hotelketten setzen innovative Technologien ein, um zwischen der wachsenden Konkurrenz aufzufallen. Online-Start-ups sind die neuen Akteure in der Tourismusbranche und profitieren von unserem Wunsch nach einem individuellen, authentischen Reiseerlebnis.
Was können kleinere Tourismus- und Kulturunternehmen daraus lernen? Die neuen Technologien bringen nichts wahrhaft Neues in den Tourismus. Sie sorgen nur dafür, dass Reisende das, was sie schon immer wollten, schneller und einfacher bekommen. Das kann einschüchtern, aber vielmehr ist es eine Chance und eine Herausforderung – und an Herausforderungen wächst man.