Zwischen Bequemlichkeit und Selbstbestimmung: Wer bewusster im Netz surft, ist freier
Mein Internet ist überall. Ich greife morgens nach meinem iPad, um nach einem schönen Frühstückscafé zu suchen. Am Mittag suche ich am Notebook nach News, die mich interessieren oder shoppe nach Klamotten. Ich starte Youtube, Netflix oder Amazon und schaue meine Lieblingsserie. Am Abend spielt Spotify meine Lieblingsmusik. Sogar wenn ich nach der Arbeit meine Freundin anrufe, läuft unser Gespräch über das Internet – und das, obwohl in meinem Telefonvertrag noch „Festnetz“ steht. „Magenta Eins“ – der neue Name unter dem die Telekom seit Kurzem ihre Produkte vertreibt meint: alles über EIN Kabel – das Internet. Ich nutze das Internet ständig und selbstverständlich – manchmal ohne es zu wissen. Und es ist mein Internet. Denn alle wichtigen Dienste stellen heute die Angebote für Nutzer völlig individuell zusammen. Ich sehe bei Google andere Ergebnisse. Facebook zeigt mir andere Werbung an und Netflix empfiehlt mir Serien, die angeblich zu mir passen. Eine maßgeschneiderte Welt – für mich aufbereitet. Das klingt bequem und das ist es ja auch. Der Grund warum viele Unternehmen diesen Service gratis – oder sehr günstig – anbieten ist einfach: Meine Daten sind mehr wert als mein Geld.
Doch es sind nicht nur die großen Unternehmen, die nach meinen Daten greifen und ein detailliertes Profil von mir erstellen, um mir passende Angebote zu unterbreiten. Nicht erst seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir, dass auch Geheimdienste aus aller Welt unsere digitalen Daten speichern, analysieren und interpretieren. Wie eine Postkarte fliegen Webseiten, Mails, Telefonate, Videos und jede Menge anderer Daten durch das Internet und landen auf fremden Festplatten. Diese können von jedem gelesen werden, der Zugang hat – oder sich welchen verschafft.
Und da liegt auch der Unterschied zu Facebook, Google und Co.: Diese Dienste kann ich meiden oder nutzen, ohne mich einzuloggen. Ich kann entscheiden, welche Daten ich eingebe und welche nicht. Zum Teil liegt es also auch in meiner Verantwortung.
Doch die Überwachung, das Sammeln der Daten und das Erstellen von Profilen durch Staaten, Geheimdienste, Polizei oder Ämter geschieht, ohne dass ich es merke – im Hintergrund und meist unbemerkt. Natürlich werden diese Daten in erster Linie gesammelt, um Verbrechen zu bekämpfen. Doch welches Verhaltensmuster macht mich verdächtig? Reicht schon die Recherche zu bestimmten Themen, um dem Algorithmus verdächtig vorzukommen? Wofür werden die Informationen, wenn denn einmal vorhanden, noch verwendet? Verkauft, gehackt oder aus Versehen zugänglich gemacht. Digitale Daten kamen und kommen abhanden, seit es sie gibt. Mal begleitet von einem medienwirksamen Skandal wie bei Sony vor ein paar Jahren, mal unbemerkt. Warum bekommt jemand anderes den Zuschlag für die Wohnung, in die ich gerne eingezogen wäre? Ist mein Profil unpassend? Zu unangepasst? Vielleicht rät ein Algorithmus einfach davon ab, mir den Mietvertrag zu geben, ohne dass ein Sachbearbeiter diese Entscheidung hinterfragt. War es die intensive Recherche zum Thema Mietrecht im letzten Jahr, die mich zum potentiellen Querulanten stigmatisiert? Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung was mit den Daten passiert, die offizielle Stellen über mich sammeln. Ich kenne die Systeme nicht, auf denen sie gespeichert werden und ich weiß nicht, wer einen Zugang dazu hat. Und ich werde wahrscheinlich auch nicht erfahren, wann Daten „abhanden“ kommen.
Wer nichts zu verbergen hat, hat auch keinen Grund, sich gegen das Sammeln von Daten auszusprechen – dieses Argument wird gerne von Befürwortern der allgemeinen Datenspeicherung angeführt. Doch dabei wird gern einmal vergessen, dass Daten immer auch interpretiert werden. Es gibt unterschiedlichste Gründe dafür, nach bestimmten Themen zu suchen, bestimmte Ärzte zu kontaktieren oder Produkte zu kaufen. Und manchmal hat man eben auch etwas zu verbergen: persönliche Konflikte, Krankheiten, private Pläne. Niemand will dadurch in Kategorien eingeordnet oder Jahre später damit konfrontiert werden, weil die Daten einem Algorithmus verdächtig vorkommen.
Doch die Situation ist bei weitem nicht so dramatisch, wie solche Szenarien es vermuten lassen. Denn: Es gibt heute einfache technische Möglichkeiten, seine Privatsphäre zu sichern und den Schutz der eigenen Daten selbst in die Hand zu nehmen. Man muss nur aktiv werden.
Quelle: Maximilian Pohl, RelaxInternet GmbH & Co. KG