Staat kann dies alleine nicht bewältigen / Unterschiedliche Lösungsansätze nötig
Hannover – Deutschland wird immer älter: Die Geburtenrate sinkt, die Lebenserwartung steigt. Laut Statistischem Bundesamt ist jeder Fünfte bereits über 65 Jahre alt. Seit 1990 hat die Zahl der Menschen ab 65 bundesweit um etwa fünf Millionen zugenommen. Das bedeutet einen Anstieg um rund 42 Prozent. Zum Vergleich: Die Gesamtbevölkerung ist im selben Zeitraum nur um drei Prozent gewachsen. Im Jahr 2060 ist Prognosen zufolge bereits jeder dritte in Deutschland Lebende über 65 Jahre. Dieser demografische Wandel bringt neue Herausforderungen mit sich: Mit dem zunehmenden Alter werden die Menschen zwangsläufig pflegebedürftiger.
Laut Bundesministerium für Gesundheit gibt es aktuell rund 2,5 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland. Schätzungen für das Jahr 2060 beziffern die Zahl auf über 4,5 Millionen Pflegefälle pro Jahr. Erkrankungen wie Demenz nehmen kontinuierlich zu. Das Bundesministerium für Gesundheit prognostiziert, dass sich die Anzahl der aktuell 1,5 Millionen Demenzerkrankten in Deutschland bis 2050 aller Voraussicht nach verdoppelt. Schon jetzt stellen derartige Erkrankungen Familien und häusliche Pflege vor große Herausforderungen. Viele Angehörige verfügen weder über die erforderlichen Kompetenzen noch über die notwendigen Kapazitäten, um sich um Pflegebedürftige – auch unabhängig von einer Demenzerkrankung – ausreichend zu kümmern. Professionelle und stationäre Versorgung können den Bedarf allein ebenfalls nicht decken. Sowohl Pflegekräfte als auch Pflegeplätze werden händeringend benötigt.
Pflege als wichtige Aufgabe der Gesellschaft
„Im Bereich der Pflege muss in vielerlei Hinsicht etwas getan werden. In der Aufklärung, aber auch in der Aus- und Weiterbildung oder beim Neubau von Pflegeheimen und der Bereitstellung von Pflegeplätzen“, erklärt Sebastian Reccius, einer der beiden Gründer des Portals marktplatz-pflegeimmobilie.de. Täglich beschäftigt sich Reccius mit den Themen Pflege und Pflegeimmobilien, tauscht sich mit Investoren und auch Betreibern intensiv aus. „Die Pflege ist eine der wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft“, verdeutlicht Reccius. Das sehen laut Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap 85 Prozent der Bevölkerung genauso. Ferner gaben 97 Prozent der Befragten an, dass die Betreuung älterer und kranker Menschen eine immer größere Rolle in der Gesellschaft spielen wird.
Herkules-Aufgabe meistern
Mit dem neuen Pflegestärkungsgesetz wird die Situation der Pflegebedürftigen, der Angehörigen und auch der Pflegekräfte verbessert. Durch die Pflegereform sollen die Leistungen der Pflegeversicherung gestärkt und Heime entlastet werden. Insgesamt stehen laut Bundesministerium für Gesundheit so 5 Milliarden Euro mehr pro Jahr für Verbesserungen der Pflegeleistungen bereit. Aber reicht eine solche Reform alleine aus? „Nein“, meint Reccius. „Im Bereich der Pflege sind weitere Weichenstellungen notwendig. Hier hätte sicherlich früher interveniert werden müssen. Diese Herkules-Aufgabe kann der Staat – Stand heute – nicht mehr alleine bewältigen.“ Vielmehr sieht Reccius auch andere Akteure in der Pflicht, „beispielsweise aus Forschung und Wirtschaft“. Hier gilt es, Erkrankungen wie Demenz weiter intensiv zu erforschen. Daneben muss auch die berufliche Situation von Pflegekräften entscheidend verbessert werden, um dem Fachkräftemangel im Pflegebereich entgegenzusteuern. „Aber auch gesellschaftlich muss ein Bewusstsein für das Thema Pflege geschaffen werden. Jeder kann selbst einen Beitrag leisten“, meint Reccius.
Ein aktiver Beitrag wäre beispielsweise die Vorsorge. Hier bedarf es vor allem Aufklärung. Pflege ist ein gesellschaftliches Problem. Die Eigenverantwortung der Menschen nimmt jeden in die Pflicht, sich frühzeitiger und intensiver mit seinem eigenen Leben im Alter auseinanderzusetzen. Neben Pflegeversicherungen sieht Reccius Pflegeimmobilien als lukrative und alternative Altersvorsorge. Und das in zweierlei Hinsicht: Auf der einen Seite als Kapitalanlage und über das bevorzugte Belegungsrecht für sich oder Angehörige auch als tatsächliche Altersvorsorge mit einem Platz in einem Pflegeheim. Neue Pflegeanlagen werden dringend benötigt, die Wartelisten sind lang. „Im letzten Jahr wurden rund 120 Pflegeheime gebaut. Um den Bedarf zu decken, wären aber über 300 Pflegeheime erforderlich gewesen“, erklärt Reccius. Aber auch eine reine Erhöhung der Neubauten würde natürlich zu kurz greifen. Ebenfalls fehlt es an ausreichendem Fachpersonal.
Ein positiver Lichtblick ist jedoch das gesellschaftliche Bewusstsein: Laut der Umfrage von Infratest dimap halten zwei Drittel der Bevölkerung die Beitragserhöhung des Pflegestärkungsgesetzes für angemessen. 94 Prozent deuten das Gesetz sogar als richtigen Schritt in die richtige Richtung. Nichtsdestotrotz wird das Pflegestärkungsgesetz allein die gesellschaftlichen Herausforderungen des demografischen Wandels natürlich nicht bewältigen können.