E-Commerce-Wirtschaft kritisiert Amazon auf der Neocom in Düsseldorf – und verabschiedet sich vom Kanal-Denken
Berlin – Der Kunde im Einzelhandel denkt immer weniger in Kanälen. Für viele sei es egal, ob sie ihr Produkt stationär oder online bei einem bestimmten Händler oder Hersteller kaufen, hieß es auf der Neocom am 7. Oktober in Düsseldorf. Die Neocom zählt zu den wichtigsten Branchentreffen im E-Commerce. So sehr das Differenzieren nach Kanälen für den Kunden an Bedeutung verliert, so sehr haben Händler und Online-Händler reagiert: Bei Ernsting’s Family beispielsweise bekämen die Verkaufsleiter Vorgaben für Gesamtziele aus Online- und stationärem Umsatz. Bei Media Markt, Saturn und bei Ikea seien Online-Umsätze je nach Postleitzahl auf die entsprechenden stationären Filialen umgebucht worden, um einem Silo- beziehungsweise Abteilungsdenken im Unternehmen entgegenzuwirken. Und die Parfümeriekette Douglas unterscheide nicht mehr, wie viel IT-Budget in die stationären Geschäfte fließe und wie viel in den Online-Store. „Um die Kunden zu erreichen, muss ein Händler alle Kanäle optimieren und sie als Gesamtheit sehen. Hier hat sich viel getan, aber wir müssen trotzdem weiterdenken, noch mehr investieren“, so Jan-Dieter Schaap, Geschäftsleiter für den Bereich E-Commerce bei Douglas.
Ein Kanal, mit dem sich der E-Commerce zwangsläufig auseinandersetzt, ist Amazon – sei es als Direktabnehmer von Ware oder aber als Marktplatz, auf dem Dritte ihre Produkte anbieten. Dabei scheint die Sicht auf Amazon zunehmend ambivalent. Es sei verlockend, die enormen Frequenzen bei Amazon mitzunehmen, hieß es auf der Messe. Vielen seien aber die damit verbundenen Kosten zu hoch. Zudem sei Amazon für bestimmte Kundengruppen nicht authentisch genug. „Amazon ist Generalist und muss entsprechend Kompromisse machen. Die Ware wird nicht so inszeniert, wie sich das viele Kunden wünschen. Amazon kann nicht die Sprache jeder einzelnen Zielgruppe sprechen“, so Ernst Trapp, Geschäftsführer von EMP – ein Online-Shop, der Rock- und Metal-Artikel versendet. Jan-Dieter Schaap von Douglas spricht gar von mangelnder Inspiration für den Kunden. Zudem komme die Beratung bei Amazon zu kurz. Douglas nutze den Amazon-Marktplatz daher bewusst nicht. Ein weiterer Punkt sei, dass die Kundennähe verloren ginge. „Bei Amazon haben wir nicht die Nähe zu unseren Kunden, die Nähe hat dann Amazon.“ Gemeint sind Daten über das Käuferverhalten und die Sortimentsattraktivität auf dem Marktplatz. „Wir wollen Amazon nicht noch schlauer machen“, so Schaap.
„Amazon wird die Daten sowieso bekommen“, sagt wiederum Hartmut Deiwick. Er ist kaufmännischer Leiter der Online-Apotheke Aponeo. Er sieht den Marktplatz als sinnvolle Ergänzung zum eigenen Shop. Zwar gebe es mit Amazon keine Partnerschaft auf Augenhöhe, dessen müsse man sich bewusst sein. Aber die großen Marktplätze würden generell weiter an Bedeutung gewinnen. Mit Alibaba komme aus China ein neuer, sehr gewichtiger Player hinzu. „Jede Erfahrung mit dem Amazon-Marktplatz ist eine Übung für Alibaba“, so Deiwick. Für Aponeo sei Alibaba höchst interessant. „Viele Asiaten lieben deutsche Medikamente oder auch Nahrungsergänzungsmittel.“ Es gebe ein großes Vertrauen in Qualität „Made in Germany“.
Insgesamt gilt wohl aber wie so oft: Es kommt auf den Einzelfall an. „Jeder Händler muss selbst bewerten, ob Amazon etwas für ihn ist“, so Ernst Trapp von EMP.
Quelle: APONEO Apotheke