Düsseldorf – Mit euphorischen Worten wurde in den vergangenen Tagen die neueste Studie der Bundesagentur für Arbeit zur Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer gefeiert. Von einer „überproportionalen Steigerung“, gar einer „Spitzenstellung Deutschlands in der EU“ war zu lesen. Keinen Anlass zum Jubeln bieten die aktuellen Zahlen hingegen aus Sicht des Sozialverbandes VdK Nordrhein-Westfalen: „Zwar nehmen Ältere inzwischen stärker am Erwerbsleben teil, als das noch vor zehn Jahren der Fall war. Nichtsdestotrotz ging im vergangenen Jahr nicht einmal jeder Zweite der 60- bis unter 65-Jährigen einer Erwerbstätigkeit nach oder suchte danach. Mehr noch: Die Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe hat in den letzten Jahren massiv zugenommen“, machte der Vorsitzende Karl-Heinz Fries heute in der Landespressekonferenz in Düsseldorf deutlich. „Hinzu kommt, dass der Weg vom Abstellgleis zurück ins Berufsleben gerade für ältere Arbeitnehmer steinig und somit langwieriger ist. Wir dürfen die Potenziale dieser vielen Millionen Menschen indes nicht länger brachliegen lassen, wenn wir den demografischen Wandel meistern und insbesondere der zunehmenden Altersarmut entgegensteuern wollen“, so Fries.
Speziell Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch teilweise am Arbeitsleben teilhaben können, drohen auf der Strecke zu bleiben. So wird mittlerweile fast jede fünfte Rente in Deutschland aufgrund von geminderter Erwerbsfähigkeit ausbezahlt. Mehr als jeder Dritte Betroffene gilt dabei als armutsgefährdet: „Allein in unserem Bundesland bezogen im Jahr 2011 mehr als 330.000 Menschen eine Erwerbsminderungsrente. Sie betrug für Männer durchschnittlich nur 763 Euro und für Frauen 662 Euro“, erläuterte der Vorsitzende des Sozialverbandes VdK NRW. „Der Antrag auf diese Leistung ist dabei keine freiwillige Lebensentscheidung, um vorzeitig in den Ruhestand zu wechseln. Vielmehr sind diese Menschen schwer erkrankt und handeln schlicht aus der Not heraus. Wenn ihre Rente dann noch um bis zu 10,8 Prozent gekürzt wird und in vielen Fällen nicht einmal mehr zum Leben reicht, ist das sozialpolitisch ungerecht.“
Neben einer Abschaffung dieser Abschläge fordert der nordrhein-westfälische VdK-Landesverband Verbesserungen bei der medizinischen und beruflichen Rehabilitation. „Aus unseren Sozialrechtsberatungen wissen wir, dass die Bewilligung derartiger Leistungen äußerst restriktiv gehandhabt wird. 2012 genehmigte die Rentenkasse zum Beispiel lediglich 65 Prozent der Anträge“, kritisierte Karl-Heinz Fries. „Gerade Menschen, die älter als 45 Jahre sind, haben in der Praxis kaum Chancen auf die Gewährung einer beruflichen Reha-Maßnahme – obwohl hiervon Arbeitgeber, Arbeitnehmer wie auch die Gesellschaft insgesamt profitieren würden.“ So hat das Prognos-Institut beispielsweise berechnet, dass die Gesellschaft für jeden Euro, den sie zur Erhaltung, Verbesserung oder Wiederherstellung von Erwerbsfähigkeit investiert, fünf Euro zurück erhält.
Die Möglichkeiten, Beschäftigte aller Altersklassen frühzeitig wieder fit für die Arbeitswelt zu machen und somit auch das Armutsrisiko des Einzelnen zu senken, werden bislang allerdings durch die Deckelung des Reha-Budgets beschränkt. „Diese muss endlich aufgehoben werden, damit alle notwendigen Leistungen auch tatsächlich gewährt sowie medizinische und berufliche Rehabilitation stärker miteinander verzahnt werden können“, betonte der Vorsitzende des Sozialverbandes VdK Nordrhein-Westfalen. Fries sprach sich zudem für betriebliche Präventionsangebote sowie mehr Gerechtigkeit bei der Weiterbildung aus: „Egal ob jung oder alt, Voll- oder Teilzeitstelle ─ alle Erwerbstätigen müssen hier die gleichen Möglichkeiten haben. Damit die Rente mit 67 keine Utopie bleibt, benötigen wir nicht zuletzt neue Umsetzungsmechanismen für das Konzept des lebenslangen Lernens.“
Prof. Dr. Michael Falkenstein, Direktor des Bochumer „Instituts für Arbeiten Lernen und Altern“, ergänzte die Ausführungen mit Blick auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung: „Damit ältere Beschäftigte gesund altern können, müssen Arbeitgeber die notwendigen betrieblichen Rahmenbedingungen schaffen. Hierzu gehören menschengerechte und damit altersgerechte Arbeitsplätze und Arbeitsumfelder ebenso wie integrierte innovative Ansätze zur Förderung körperlicher und geistiger Fitness bis zur Rente und darüber hinaus. Dabei zeigen uns die Älteren den Weg: Was ihnen guttut, davon profitieren auch jüngere Beschäftigte!“
Quelle: ots