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Gedankenschwer und nur über den Preis: Deutscher E-Commerce nicht fit für die Zukunft

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Berlin – Im deutschen E-Commerce bleiben enorme Potenziale liegen: Im Schnitt verlassen 97 Prozent der Besucher eine Seite wieder, ohne einen Kauf zu tätigen. Ein Grund hierfür ist mangelnde Individualität in der Kundenansprache. Viele deutsche Web-Shops sind mehr oder weniger austauschbar; es mangelt an Alleinstellungsmerkmalen von der Produktbeschreibung bis zum Lieferservice. Das sind Ergebnisse eines Workshops in München am 7. Mai. Rund 100 Teilnehmer waren der Einladung des Mediendienstleisters W&Co gefolgt, und sie schienen sich einig: Die meisten E-Commerce-Unternehmen sind nicht fit für die Zukunft. Denn der Markt werde enger. „Auf der einen Seite wächst die Zahl der Internetnutzer nicht mehr wirklich. Auf der anderen Seite wollen immer mehr Unternehmen etwas vom E-Commerce-Kuchen abhaben“, sagte Stephan Meixner. Er ist Fachjournalist und unter anderem Betreiber des Blogs Neuhandeln.de. Der Markt sei in einer Phase, in der eine große Reichweite allein nicht mehr genüge.

Hartmut Deiwick, Aponeo: "Der E-Commerce muss mehr machen." (Quelle: W&Co MediaServices)
Hartmut Deiwick, Aponeo: „Der E-Commerce muss mehr machen.“ (Quelle: W&Co MediaServices)

So zeigte André Morys von der Web Arts AG: „Nur drei Prozent der Besucher von Online-Shops kaufen auch auf der Seite ein, auf der sie gerade unterwegs sind.“ Da nutze eine große Reichweite nur bedingt. Die meisten Shops versäumten es, ihre Websites dauerhaft auf die Konversion von potenziellen Kunden in tatsächliche Kunden zu optimieren. Wenn doch einmal optimiert werde, dann sei das meist „nur Pixel- und Button-Schubserei.“ Zu selten werde die Motivation der möglichen Käufer zum Gegenstand der Optimierung. Genau genommen müsse nicht die Website, sondern die Nutzerentscheidung optimiert werden.

Gender-Shopping bedenken

Dabei gelte es auch, die Unterschiede im Kaufverhalten von Männern und Frauen stärker zu berücksichtigen. Sandra Kröger vom Beratungsunternehmen Rascasse: „Das Informationsbedürfnis der Geschlechter ist völlig unterschiedlich.“ Frauen zielten stärker auf eine perfekte, bis ins Detail durchdachte Entscheidung ab als Männer. Entsprechend recherchierten sie mehr und setzten auch deutlich stärker auf Erfahrungen und Meinungen anderer Nutzer. Der so genannte User-generated content habe ein anderes Gewicht. Die meisten Web-Shops unterschieden in der Kundenansprache jedoch nicht.

„Online-Händler müssen generell mehr machen“, bestätigte auch Hartmut Deiwick. Er ist kaufmännischer Leiter der Online-Apotheke Aponeo. Ein guter Preis, die sofortige Verfügbarkeit der Ware, kostenlose Lieferung – das sei für den Kunden heute normal, kaum mehr als ein Hygienefaktor. Eine Möglichkeit, Kunden darüber hinaus zu begeistern, sieht er in besonderen Lieferservices. Beispiele seien das Liefern noch am Tag der Bestellung oder an einem vom Kunden gewählten Wunschtag. Bei Aponeo habe man hier gute Erfahrungen gemacht: „Die Diversifizierung der Lieferangebote hat bei den Kunden, die sie genutzt haben, zu Wiederbestellungen geführt.“ Auch seien die durchschnittlichen Warenkörbe größer gewesen. Je nach Fall sogar doppelt so groß.

Chancen in der Auslieferung

Für besondere Services plädierte auch Stephan Waldeis von AL-KO Kober, ein Unternehmen, das unter anderem Gartengeräte und -zubehör herstellt. Im Rahmen eines Multi-Channel Konzepts bietet AL-KO eine betriebsbereite Auslieferung direkt in den Garten an. Dies wird gemeinsam mit den Kooperationspartnern aus dem stationären Handel realisiert, welche den Kunden dann auch noch persönlich einweisen „Kein Auspacken, kein Auftanken, kein Lesen einer Bedienungsanleitung, wenn man nicht will.“ Bei Reparaturen würden die Geräte auch wieder abgeholt. „Jeder, der im Online-Handel tätig ist, braucht ein Alleinstellungsmerkmal“, so Waldeis. Unternehmen, deren einzige Besonderheit sei, bei einer Preis-Suchmaschine am besten abzuschneiden, haben seiner Meinung nach kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell. „Da stirbt der Online-Handel schneller als der stationäre Handel.“

„Wir müssen die Gedankenschwere abschütteln, die ein Teil unserer Mentalität ist“, forderte Hartmut Deiwick. „Wenn der E-Commerce die Speerspitze im Handel sein will, als die er sich immer sieht, muss er sich mehr trauen.“ So könnten beispielsweise viele Händler selbst Marktplatz werden, statt nur auf die großen Marktplätze aufzusetzen. Stephan Meixner: „Momentan wird nur da investiert, wo auch wirklich investiert werden muss.“ Das sei zu wenig. Zumal Experten damit rechneten, dass bis zu 80 Prozent der Unternehmen im E-Commerce wieder vom Markt verschwinden.

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