Generation CEO: männlich, fachkompetent und kaum internationale Expertise
München – Externe CEOs halten sich in Deutschland im Schnitt eineinhalb Jahre länger im Amt (9,4 Jahre vs. 7,9 Jahre bei internen CEOs)
Globale Studie der Personalberatung Russell Reynolds Associates skizziert das neue CEO-Profil internationaler Top-Unternehmen / Deutsche Spitzenpositionen werden zu 73% intern nachbesetzt / Nur 1% der seit 2012 in Europa ernannten CEOs sind Frauen, in Nordamerika liegt die Quote weiblicher CEOs immerhin bei 5%
- Jedem dritten CEO in Europa fehlt internationale Erfahrung – und das trotz globaler Verantwortung.
- Konzerne haben nach wie vor eine starke Präferenz für interne CEO-Nachfolger, öffnen sich seit 2012 aber zunehmend für externe Kandidaten; diese waren in Deutschland zu 75% bereits zuvor für das Unternehmen oder in dessen Aufsichtsrat tätig.
- Die Bedeutung der (lebens)langen Unternehmenszugehörigkeit verliert insbesondere in Deutschland massiv an Bedeutung: Hier gehörten nur 12% der aktuellen Vorstandsvorsitzenden während ihrer gesamten Karriere demselben Unternehmen an. Bei ihren Vorgängern waren es noch 42%.
- Deutsche Aufsichtsräte scheinen ihre Aufgaben hinsichtlich der Nachfolgeplanung durch Besetzung auf der zweiten Führungsebene vergleichsweise planvoll anzugehen: 19% bringen rechtzeitig Reserve-CEOs in Stellung.
An der Führungsspitze der wichtigsten Konzerne in Europa und Nordamerika sitzen in den meisten Fällen noch immer Eigengewächse (USA: 85%, Deutschland: 73%). Der typische deutsche CEO ist bei seiner Ernennung 51 Jahre alt und bereits seit 13,4 Jahren im Unternehmen tätig. Jeder Vierte (27%) war vorher CFO. Doch die rasante Beschleunigung der Wirtschaft, globale Zusammenschlüsse und die digitale Transformation vieler Geschäftsmodelle wirken sich auch bei der Besetzung von Schlüsselpositionen signifikant aus: Zunehmend entwickeln Konzerne Strategien, vermehrt externe CEOs an Bord zu holen und dennoch das Risiko des Unbekannten zu minimieren. Zugleich ist internationale Führungserfahrung noch keine zwingende Voraussetzung für die Auswahl. So verfügen in Europa 31% der CEOs über keinerlei internationale Expertise. 74% der US-CEOs haben keine berufliche Auslandsstation im Lebenslauf. Dafür liegt Nordamerika in puncto Diversity im weltweiten Vergleich deutlich vorn: Während in Europa seit 2012 lediglich einer von hundert CEO-Posten mit einer Frau nachbesetzt wurde, steht in den USA und Kanada immerhin jedes zwanzigste Unternehmen unter weiblicher Führung.
Das sind die zentralen Ergebnisse der heute global lancierten Studie „The Evolving Path to CEO“ der internationalen Personalberatung Russell Reynolds Associates. Diese untersuchte die Profile von über 1.000 Führungskräften in 19 Ländern, davon 556 amtierende Vorstandsvorsitzende und 504 unmittelbare Amtsvorgänger.
Gegenstand der Untersuchung waren unter anderem der berufliche Werdegang sowie die Führungserfahrung vor Übernahme der CEO-Position. Als Studienbasis dienten die börsennotierten Konzerne der Forbes Global 2000 ab einem Jahresumsatz von 10 Milliarden Dollar. „Positiv betrachtet, spricht die hohe Eigengewächsquote in der deutschen Konzernlandschaft für eine vorausschauende und strukturierte Nachfolgeplanung. Schließlich sind Unternehmen mehr denn je gefordert, ihre Top-Talente zu entwickeln und langfristig zu halten“, so Dr. Thomas Tomkos, verantwortlicher Managing Director für das Deutschlandgeschäft bei Russell Reynolds Associates. „Weniger wohlmeinend interpretiert, führt diese einseitige Strategie der Aufsichtsgremien zu einem Mangel an relevanten externen Impulsen, obwohl durch gute Nachfolgeprozesse das Risiko wesentlich reduziert werden kann und extern besetzte CEOs im Schnitt eineinhalb Jahre länger im Amt bleiben. Zudem gelingt es offensichtlich noch immer nicht, ausreichend weibliche Kandidatinnen aufzubauen.“
Höhere Flexibilität bei der externen Besetzung: strategische CEO-Succession-Planung und Onboarding statt eindimensionaler Kaminkarriere
In Europa stehen die Chancen, aus einer externen in eine CEO-Position zu wechseln, allerdings aktuell deutlich besser als noch vor 2012. Schaffte es damals nicht einmal jeder Vierte (23%) von außerhalb an die Firmenspitze, wird heute mit 34% schon mehr als jede dritte Top-Personalie zugunsten eines Kandidaten ohne Stallgeruch entschieden. Hierbei führt Frankreich mit 36% vor Großbritannien (33%) und Deutschland (27%) das internationale Feld an.
Dagegen fällt der Anteil derjenigen CEOs, die sich vom Berufseinstieg bis zur Spitzenposition ausschließlich in einem einzigen Konzern hochgearbeitet haben, deutlich niedriger aus. In Deutschland liegt er gerade einmal bei 12%. Vor 2012 lag diese Quote noch bei 42%. Weniger rasant, aber dennoch bemerkbar nehmen die betreffenden Werte auch in den USA ab. Hier sammelten 74% der CEOs Erfahrungen in anderen Unternehmen oder Branchen. In der CEO-Generation vor 2012 durchliefen nur 66% eine externe Station.
Trotz größerer Offenheit für externe Nominierungen und wechselfreudige Kandidaten sind langjährige Beziehungen zum Unternehmen weiterhin ein zentrales Kriterium, um in die Führungsspitze aufzusteigen. So werden in Deutschland drei Viertel (75%) aller extern vergebenen CEO-Positionen mit Personen besetzt, die sich bei einer früheren Zusammenarbeit – beispielsweise als Führungskraft oder Aufsichtsrat – bereits bewährt haben. In den USA liegt diese Quote immerhin bei 37%. Diese Zahlen lassen folgenden Schluss zu: Die HR-Strategien der weltweit größten Konzerne werden adjustiert. Hierbei wird mit einer vorausschauenden Personalpolitik in Bezug auf die CEO-Nachfolge ein Sicherheitsnetz gespannt, etwa durch einen strukturierten Nachfolge-Prozess. Dafür werden Kandidaten ein bis drei Jahre vor der potenziellen Ernennung zum CEO auf der zweiten Führungsebene im Unternehmen eingestellt, um die zukünftige Aufgabe besser kennenzulernen. So wird ein Kaltstart als CEO vermieden. In Deutschland und Großbritannien wurden auf diese Weise 19% der amtierenden Vorstandsvorsitzenden an ihre Funktion herangeführt, in der Schweiz 18%. „Die so besetzten CEOs weisen darüber hinaus in Deutschland im Schnitt sogar längere Verweildauern auf als interne Kandidaten mit deutlich längerer interner Vorbereitung. Damit widerlegen sie eindrucksvoll das Vorurteil, dass eine Besetzung von außen mit einem höheren Risiko einhergeht“, so Dr. Thomas Tomkos.
Quelle: ots