„Grobe Kalkulationsfehler sind häufig der Grund für das Scheitern von Jungunternehmen!“
Prof. Dr. Flöther erzählen Sie erst einmal etwas über sich. Wer sind Sie und in welchen Bereichen sind Sie tätig?
Ich bin seit über 15 Jahren als Insolvenzverwalter und Sanierer tätig. In dieser Zeit habe ich über 1.000 Insolvenzverfahren betreut. Als Partner der Kanzlei „Flöther & Wissing“, die heute elf Niederlassungen in sechs Bundesländern hat, bin ich deutschlandweit tätig. Zudem wurde ich 2015 zum Sprecher des Gravenbrucher Kreises gewählt, der Vereinigung der führenden Insolvenzverwalter Deutschlands. Darüber hinaus übe ich als Honorarprofessor seit 2012 einen Lehrauftrag für das Fachgebiet Bürgerliches Recht und Insolvenzrecht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg aus.
Im aktuellen Interview geht es um die Gründung von IT-Unternehmen. Laut einer Studie ist nur jedes 10. Startup erfolgreich. Woran liegt das Ihres Erachtens?
Die Gründe sind vielfältig. Eine gute Idee allein reicht nicht aus, um als Unternehmer erfolgreich zu sein. Unternehmer brauchen außerdem betriebswirtschaftliche Kenntnisse, ein solides finanzielles Fundament und Branchen-Know-how, um sich am Markt durchzusetzen. Besonders High-Tech-Startups bewegen sich in einem volatilen Umfeld, d.h. sie müssen mit zahlreichen Wettbewerbern konkurrieren. Startups müssen deshalb mit ihrer Entwicklung ein Problem am Markt lösen, das auch als solches wahrgenommen wird. Nur wenn das angebotene Produkt für den Kunden einen echten Mehrwert bietet, hat das Unternehmen eine Chance.
Oftmals ist die Idee super, es wird aber nicht weiter investiert, da beispielsweise das Geld fehlt. Was kann dies zur Folge haben?
Die Finanzierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Ein Startup muss die nötigen Mittel haben, um die erforderlichen Investitionen zu tätigen und um die oft Jahre dauernde Durststrecke zu überstehen, bis solide Erträge erwirtschaftet werden. Leider fehlt es vielen Gründern schon am nötigen Durchhaltevermögen, diese Finanzierungslücke durch öffentliche Fördermittel oder Investoren zu schließen. Die Zahlen zeigen: Über die Hälfte aller Jungunternehmer fühlt sich von den langwierigen Finanzierungsrunden abgeschreckt. Dabei benötigen gerade High-Tech-Startups anfangs große Investitionssummen, um ihr Produkt auf den Markt zu bringen. In Deutschland gibt es aber zahlreiche Institutionen, die Gründer unterstützen. Außerdem wird der deutsche Startup-Markt auch für ausländische Investoren immer attraktiver. Dennoch gehen fast zwei Drittel der Startups davon aus, dass ihre finanziellen Mittel nicht ausreichen, um in den nächsten zwei Jahren über die Runden zu kommen.
Was legen Sie Gründern ans Herz? Worauf sollten sie achten? Was ist besonders wichtig?
Die Kalkulation ist das A und O. Grobe Kalkulationsfehler sind häufig der Grund für das Scheitern von Jungunternehmen. Unternehmer sollten alle Verbindlichkeiten und deren Fälligkeiten taggenau abrufen können. Viele denken dabei nur an die Offene-Posten-Liste wie Lieferantenzahlungen oder Kredite. Aber auch die Höhe und Fristen von Zahlungen an Krankenkassen, das Finanzamt, Arbeitnehmer oder Banken sind entscheidend. Stattdessen vergessen manche Neugründer bei der Kalkulation ihr eigenes Gehalt, oder sie kalkulieren mit zu hohen Erträgen. Nur wenige haben hingegen einen Plan B für den Fall, dass Kunden oder Geschäftspartner ausfallen. Gerade in der Anfangszeit müssen solche Risiken jedoch eingeplant werden. Natürlich kann man sich nicht gegen sämtliche Katastrophen wappnen. Zumindest aber können eine unzureichende Unternehmensplanung, mangelhafte Unternehmensführung oder fehlerhafte Kalkulationen vermieden werden. Startups müssen langfristig denken. Gründer sollten Monate im Voraus wissen, ob und wann Liquiditätsbedarf durch größere Investitionen, Darlehensrück- oder Steuerzahlungen ansteht. Und wenn die ersten Überschüsse erwirtschaftet werden, müssen Rücklagen gebildet werden anstatt das Geld für unnötige Investitionen auszugeben.
Woran liegt es, dass so viele Menschen nach dem Schulabschluss, der Ausbildung oder dem Studium als Angestellte arbeiten und sich nicht selbstständig machen?
Das hat mehrere Gründe: Zum Einen ist das nachlassende Gründungsinteresse ein Spiegelbild der guten Konjunktur. Fähige junge Menschen finden zu Zeiten des Fachkräftemangels schnell einen Job. Das erscheint ihnen sicherer als die vermeintlichen Risiken einer Unternehmensgründung. Zum Anderen hemmt die Angst vorm Scheitern potenzielle Neugründer. Und es ist ja auch so, dass es ein Großteil der Jungunternehmen nicht schafft, langfristig erfolgreich zu sein. Für die deutsche Volkswirtschaft ist diese Entwicklung jedoch fatal. Damit die deutsche Wirtschaft ihre Dynamik behält, brauchen wir innovative Ideen und Technologien. Außerdem schaffen Gründer neue Arbeitsplätze.
Was erwarten Sie von der Zukunft? Meinen Sie, dass die Gründerszene wächst?
Das hoffe ich sehr. Nicht nur aus den zuvor genannten Gründen, sondern auch, weil Gründer zufriedener sind mit ihrer Lebenssituation als Angestellte. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass die Voraussetzungen für eine Neugründung in Deutschland gut sind. Gründer, die zur richtigen Zeit mit der richtigen Idee auf den Markt treffen, haben die besten Voraussetzungen. Wer dann die Risiken stets im Blick behält und rechtzeitig handelt, wird auch Erfolg haben.