Der Fachkräftemangel verführt Unternehmen immer öfter zur Abwerbung fremder Mitarbeiter. Der Verlust eines Leistungsträgers ist für den deutschen Mittelstand dabei noch nicht einmal das größte Problem: Rund 21 Prozent der befragten Unternehmen gaben in einer aktuellen Studie an, dass im Zuge der Abwerbung von Angestellten wichtiges Firmenwissen gleich mit abgeflossen sei. „Meistens sind es nämlich die eigenen Mitarbeiter, die Konkurrenten Zugang zu sensiblen Informationen verschaffen“, weiß Marcus Lentz, Geschäftsführer der bundesweit tätigen Detektei Lentz & Co. GmbH. Um solchen Risiken vorzubeugen und die gezielte Abwerbung von spezialisierten Mitarbeitern zu verhindern, versuchen viele Arbeitgeber sich durch nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Arbeitsverträgen abzusichern. Leider nicht immer mit Erfolg: „Da die Beweislage für betroffene Unternehmen schwierig ist, ist die Hemmschwelle oft relativ niedrig – gerade in mittelständischen Unternehmen ein mitunter existenzbedrohliches Problem“, warnt der erfahrene Ermittler. Was aber können Unternehmer tun, um wichtige Daten vor Missbrauch durch scheidende Mitarbeiter zu schützen?
Wirtschaftsspionage ist ein weites Feld. Filmreife Einbrüche, bei denen sensible Daten gestohlen werden, sind jedoch eher selten. Eine weitaus größere Gefahrenquelle sind die eigenen Mitarbeiter: Weitaus häufiger verkaufen Angestellte wichtige Informationen wie Kundendaten, Angebotskalkulationen oder auch Produktinnovationen an die Konkurrenz oder bringen sie einfach zu einem neuen Arbeitgeber mit. Die Konkurrenzunternehmen können so gezielt Kunden abwerben, Ausschreibungen manipulieren oder Konkurrenzprodukte schneller auf den Markt bringen.
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot als Präventionsmaßnahme
Solche Wettbewerbsdelikte sollen durch Wettbewerbsverbote verhindert werden. Es verbietet Arbeitnehmern grundsätzlich, ihrem Arbeitgeber Konkurrenz zu machen – sei es auf eigene Rechnung oder in einer anderen Firma. „Verstößt ein Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot, droht ihm eine außerordentliche Kündigung. Das greift natürlich nur, solange das Arbeitsverhältnis besteht“, erklärt Marcus Lentz, Geschäftsführer der Detektei Lentz. „Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ist die Sachlage etwas komplizierter.“ Mit einer solchen vertraglichen Sonderregelung kann sich der Arbeitgeber für eine bestimmte Dauer (meist zwölf Monate) quasi den Verzicht des Ex-Mitarbeiters auf Konkurrenztätigkeiten ‚erkaufen‘. Voraussetzung für ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist eine sogenannte Karenzentschädigung, die der Arbeitgeber für die Dauer des Verbots an ehemalige Angestellte zahlt. Der Grundgedanke dahinter ist, dass die Entschädigungsleistungen für das Unternehmen günstiger sind, als die Auswirkungen einer Tätigkeit ehemaliger Angestellter bei der Konkurrenz. „Hier ist jedoch Vorsicht geboten“, mahnt Lentz. „Soll die vertragliche Regelung wasserdicht sein, sollten Arbeitgeber diese unbedingt von einem Anwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen. Denn die gesetzlichen Vorschriften für nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind sehr eng gefasst.“
Gefährlicher als Hacker: Scheidende Mitarbeiter
Aber selbst, wenn der Vertrag keine Schlupflöcher lässt, ist das Unternehmen noch nicht automatisch auf der sicheren Seite: Statistisch gelangen durch abgeworbene Mitarbeiter mehr Betriebsgeheimnisse an die neugierigen Mitbewerber als durch Hackerangriffe oder Abhöraktionen, wie die aktuelle Studie von Ernst & Young belegt. Meistens führen erst rückläufige Auftragszahlen und massive Umsatzverluste zu dem Verdacht, dass sensible Daten und wichtige Interna an die Konkurrenz ‚durchgesickert‘ sind. Auch wenn der Verdacht häufig nahe liegt, wer für das Informationsleck verantwortlich ist – die Beweisführung gestaltet sich bei einem Verstoß gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot höchst problematisch. Der Nachweis zu erbringen, dass ein Ex-Mitarbeiter für die Konkurrenz arbeitet und man ihm die schlechte Geschäftsentwicklung „verdankt“, ist für die meisten Betroffenen nahezu unmöglich. „Wir beraten immer wieder betroffene Unternehmen, die in dieser Lage ohne professionelle Ermittler nicht mehr auskommen“, berichtet Lentz. Diskretion ist neben einer rechtssicheren Dokumentation dabei oberstes Gebot: „Mit Rücksicht auf den Ruf ihres Unternehmens schweigen viele Unternehmen viel zu lange, weil sie fürchten, dass Wettbewerbsdelikte an die Öffentlichkeit gelangen.“
Schwer nachweisbare Schäden – ein Detektiveinsatz lohnt sich
Baupläne, Patente, Kundenkarteien – es gibt vieles, was den Konkurrenten interessiert und dem eigenen Unternehmen unter Umständen existenzbedrohlichen Schaden zufügen kann. „Einer unserer Mandanten stellte fest, dass er über mehr als ein halbes Jahr keine Ausschreibung mehr gewonnen hatte – und immer derselbe Mitbewerber mit nur wenig günstigeren Angeboten das Rennen machte. Sein Verdacht ließ sich mit tragfähigen Beweisen erhärten: Ein leitender Mitarbeiter hatte sieben Monate zuvor zum Konkurrenten gewechselt und viele Kalkulations- und Lieferantendaten mitgenommen“, erinnert sich Lentz. Der Schaden summierte sich zu diesem Zeitpunkt allerdings schon auf eine satte sechsstellige Größe. Ob dann noch eine außergerichtliche Einigung möglich ist, entscheidet zunächst der Betroffene. Ist die Beweislage gut und umfassend, kann er im Prozess mit einem entsprechenden Schadensersatz rechnen. Aber lässt sich denn die Abwerbung von Leistungsträgern nicht von vorneherein unterbinden? Der Gesetzgeber gibt den Kontrahenten am Arbeitsmarkt hier große Spielräume. „Aber wer auf ein gesundes Betriebsklima achtet und die Netzwerkprofile seiner Leistungsträger im Blick behält, kann immerhin vorsorgen“, weiß Lentz aus Erfahrung. Nach einer Studie eines großen deutschen Karrierenetzwerks werden immerhin 96,3 Prozent der wechselwilligen Angestellten über Xing und 57,1 Prozent über LinkedIn angesprochen.