Weihnachten auf dem Surfbrett feiern? Die 23-jährige Nevina hat nach ihrer Freiwilligenarbeit Weihnachten im südafrikanischen Hochsommer gefeiert!
Lange Zeit habe ich mich nicht getraut von ihr zu erzählen. Und selbst jetzt überfährt mich eine Gänsehaut … die Energie aus Afrika. Rückblick. Als kleines Mädchen habe ich mit meinen Freundinnen gerne Puppen gespielt. Meine Puppe war aber anders als die der anderen. Meine Puppe war schwarz und war ein Junge. Ich nannte ihn „Mammut“. Mein kleiner Freund war der Beginn von Afrika. Irgendwann tauschte ich Mammut gegen Kapitel über Afrika ein. Unzählige Seiten später wurden die Bücher zu E-Books und mein Weg führte nicht mehr in den Kindergarten, sondern in die Uni. Dort saß ich nun, den Laptop aufgeklappt und klickte mich durch einen Dschungel aus Onlineangeboten für Freiwilligenarbeit in Afrika. Seite um Seite. Klick. Klick, bis ich mein Projekt über www.VoluNation.com fand: ein Surfprojekt mit Township-Kindern. Das war es. Sofort, schickte ich eine Bewerbung ab. 3 Wochen vor Projektbeginn. Es eilte!
3 Wochen später. Meine Füße betreten zum ersten Mal den Boden Südafrikas. Nicht zum letzten Mal, wie sich später noch herausstellen wird. Gleich am nächsten Tag beginnt die Arbeit als Volontär. Insgesamt sind wir 100 Freiwillige aus aller Herren Länder. Wir lebten alle zusammen auf drei Häuser verteilt.
Surfen, unterrichten, surfen
Der Tag als Freiwillige könnte nicht perfekter starten. Sobald es hell draußen ist, schnappen wir die Surfbretter und stürzen uns, noch bevor die Schule anfängt, in die Fluten des Atlantiks. 15 Grad Außentemperatur und 12 Grad im Wasser geben uns den morgendlichen Frischekick. Vor uns erstreckt sich das Traumpanorama mit Blick auf Tafelberg und Robin Island. Während der Weiße Hai, der hier unter Naturschutz steht, noch schläft, surfen wir die schönsten Wellen Kapstadts.
Mit gekühltem Kopf geht es dann direkt vom Strand auf die Fahrt zur Township-Schule. Das Radiovolumen kann mit unserer Lautstärke kaum mithalten, so laut singen wir mit. Zuhause würden wir uns garantiert für die schiefen Töne schämen. Aber wir lachen. Die plötzliche Losgelassenheit ist ein kleiner Teil der großen Magie Afrikas. Aufeinander eingestimmt erreichen wir die Grundschule. Schuluniformierte Kinder empfangen uns wie Fans, wenn ich an die Lebensfreude der Kids denke, schießen mir noch Tränen der Rührung ins Auge.
Unsere Aufgabe ist es, morgens Mathematik an Lerncomputern zu unterrichten. Nachmittags bringen wir dann den Kindern Schwimmen und Surfen bei, außerdem kümmern wir uns um die ganz Kleinen in einem Kinderheim. Die Verständigung läuft auf Englisch ab. Wer sich unter den Freiwilligen mit Landsleuten in seiner Muttersprache unterhält, zahlt 50 Cent in die Kasse. Die Regel stärkt den Lernerfolg und sorgt für Harmonie im Team. Das, was zusammenkommt, findet sich als hübsches Sümmchen in einem der Projekte wieder. Der Unterricht läuft sehr gut ab. Es wird von den Schülern alles aufgesaugt, was sich an Wissen nur so bekommen lässt. Wir werden von allen hier sehr wertgeschätzt, sogar von den Eltern und den einheimischen Lehrern.
In der „Rainbow“-Nation, in der elf verschiedene Sprachen als amtlich gelten, scheint die Kommunikation blind zu funktionieren; so ist es hier gang und gäbe, dass Männer aufstehen, wenn eine Frau an die Bushaltestelle kommt. Nur damit sie einen Platz hat, egal ob alt, jung, reich, arm, schwarz oder weiß. Diese kleinen Dinge faszinieren. Sie machen das, was wir als „große Magie“ empfinden, in Afrika aus.
Dennoch, heile Welt herrscht in Südafrika bestimmt nicht. In meiner Arbeit als Freiwillige habe ich viele Missstände gesehen. Mädchen, die noch nicht mal die Volljährigkeit erreicht haben, werden von Männern in schicken Autos zur Schule vorgefahren. In keinem anderen Land ist die Kluft zwischen Arm und Reich so deutlich sichtbar wie hier. Kinder verdienen sich mit Prostitution und Drogen einen Teil von dem Luxus, der ihnen täglich vor Augen geführt wird. Als Freiwillige bist du nicht nur ganz nah, sondern mittendrin in dieser schrecklich schönen Welt.
Plötzlich erscheint vieles unbegreiflich. Irgendwann wird die Magie Afrikas ausgeschöpft sein. Denn nur nehmen, kann jeder, können wir alle. Volontäre, Touristen und gut betuchte Menschen in diesem Land können etwas bewegen. Es liegt mit an ihnen, an uns, ob in diesem Land der Zauber Afrikas schon bald erlischt oder im Wandel der Zeit die Magie Afrikas auch für seine Leute glänzen darf. Als Volontär trägst du dazu bei und genau das macht jede Sekunde zum persönlichen Highlight.
Und so kam es, dass ich schon wenige Monate später wieder in Kapstadt landete. Diesmal für 8 Monate und das nächste Mal vielleicht für immer. Aber zunächst feiere ich mit den Kleinen Weihnachten, mitten im südafrikanischen Hochsommer.