Smarte Daten, smarte Millennials – der newTV Kongress 2016
Unter dem Motto „Business Innovation on Screen“ diskutierten am Mittwoch, den 2. März beim newTV Kongress von nextMedia.Hamburg führende Experten von TV-Anbietern, Unternehmen und Agenturen über aktuelle Trends der Bewegtbildbranche. Mehr als 200 Teilnehmer besuchten die ganztägige Konferenz im Albert-Schäfer-Saal der Handelskammer Hamburg.
Hamburg – Disruption ist immer noch in aller Munde. Gleich zu Beginn des siebten newTV Kongress in Hamburg kündigte Kai Flatau (Vorsitzender der newTV Focus Group), der zusammen mit Hans-Jürgen Jakobs (Handelsblatt) durch die Veranstaltung führte, daher an, eine Strichliste für dieses Buzzword zu führen. Über das Endergebnis ist nichts bekannt, doch darf man sich sicher sein, dass bei den vielen spannenden Vorträgen und Panels über innovative Technologien, Distributionswege der Zukunft und neue Storytelling-Ansätze, der eine oder andere Strich auf der Liste gelandet ist. Eines wurde dabei deutlich: vielen Akteuren der Bewegtbildindustrie verlangt die digitale Transformation nicht den disruptiven Kahlschlag ab, sondern vor allem eine evolutionäre Entwicklung und Anpassung an die neuen Chancen und Herausforderungen.
„In einer disruptiven Welt können wir nicht davon ausgehen, dass wir bestehende Geschäftsmodelle für die Content-Industrie einfach in die Zukunft verlängern können“, merkte Dr. Carsten Brosda, Staatsrat für Kultur, Medien und Digitales, in seiner Begrüßungsrede an. „Wir nähern uns einem Tipping Point, an dem die technologische Entwicklung völlig neue Szenarien für die Inhalte-Industrie ermöglicht.“ Die Keynoter-Speakerin Jette Nygaard-Andersen, CEO des schwedischen Medienkonzern Modern Times Group, schlug gleich zu Beginn der Veranstaltung mit ihrem Vortrag in die selbe Kerbe: „Content is still king but it needs to be smarter. It needs to be engaging, data-driven and smart-distributed.” Die Dänin hob insbesondere die Bedeutung der Erkenntnisse von Big Data für die Bewegtbildindustrie hervor und stellte fest: „The Mad Men are turning into maths men.“
Wie wichtig es gerade für die etablierten Akteure der Branche ist, sich den Herausforderungen des Wandels zu stellen und mit dem digitalen Zeitgeist zu gehen, betonte auch Áki Hardarson (Principal, Boston Consulting Group) in seinem Vortrag: „Die Gefahr für das lineare Fernsehen lautet ‚Death by many cuts‘. Wenn die großen Akteure in dem Markt nicht nachrüsten, neue innovative Produkte auf den Markt bringen und sich dem Wettkampf mit den vielen neuen Unternehmen stellen, werden sie womöglich ausbluten.“ Hardarson unterstrich mit vielen Daten und Zahlen, wie groß bereits jetzt die Bedeutung von online für die TV-Branche ist und wie viel Wachstumspotential noch da ist: „Die Views bei linearem Fernsehen gehen in Europa jedes Jahr um 1-3% zurück, Online-Video wächst dabei zwischen 10-15% in jedem Jahr.“
Erstmalig wurde der newTV Kongress in diesem Jahr zu einer ganztägigen Veranstaltung ausgebaut und deckte mit seinem vielseitigen Programm zu den Bereichen Content, Technology und Distribution ein breites Spektrum ab. Von einem hochkarätig besetzten Panel zur Distribution von digitalem Bewegtbild bis zu einer Gesprächsrunde mit Jugendlichen, die aus erster Hand Einblicke in das Medienkonsumverhalten der „Next Generation“ gaben, war alles dabei. Die Startup-Session, in der junge Unternehmen aus Berlin und Hamburg ihre innovativen Geschäftsideen vorstellten, war ein weiteres Highlight: doppio.tv, SpiceVR, Reachhero und Vizzr zeigten, dass sich die digitale Bewegtbildindustrie um den kreativen Nachwuchs nicht sorgen muss. Auch die Best Practice Beispiele von Dr. Johannes Wimmer, der auf unterhaltsame Weise seine Arbeit als Online-Arzt präsentierte und Daniel Budiman, als Vertreter des Online-Fernsehsenders Rocket Beans, eröffneten interessante Perspektiven auf die neuen Möglichkeiten von TV in Interaktion mit der Community – abseits der klassischen Medienwelt. Wo die Herausforderungen der digitalen Transformation für die Werbefinanzierung der TV-Branche liegen, zeigte Nikolai Longolius (schnee von morgen WebTV GmbH), der die Gefahren durch Adblocker und Ad Frauds verdeutlichte. Er unterstrich, dass die neuen Technologien nicht als Allheilmittel für neues Storytelling missverstanden werden dürften: „Technik ist für viele große Player eine Ausrede. Aber ich kann Ihnen sagen, die Zeitspanne bis einem erwachsenen Menschen beim Benutzen einer VR-Brille schlecht wird, beträgt ziemlich genau acht Minuten. Es standen bei uns im Büro schon einige Geschäftsführer mit bleichem Gesicht am Fenster.“
Einig waren sich alle Sprecher darin, dass der digitale Wandel in vollem Gange ist und die Bewegtbildindustrie schon mittendrin. „Das Pendel schwingt nicht mehr zurück“, betonte auch Rudi Klausnitzer, der es aufgrund seiner Erfahrung als ehemaliger Programmdirektor von Sat.1 und Premiere wissen muss. „Wir haben viele Jahre lang so getan als gäbe es eine reale und eine virtuelle Welt – aber das stimmt nicht: in Wahrheit leben wir längst in einer Cyber-Physical-Welt“, sagte Klausnitzer. In seinem Vortrag benannte der Medienmanager mit „Internet of Things“, „Crowdsourcing“, „Gamification“, „Predictive Analytics“ und „Visualisierung & Simulation“ fünf Treiber der digitalen Transformation. Das Abschlusspanel, moderiert vom Medienexperten Richard Gutjahr, griff die zuvor diskutierten Fäden nochmals auf. Philipp Westermeyer (Online Marketing Rockstars), Ralf Klassen (OneTV) und Joan Bleicher (Professorin für Medienwissenschaft, Universität Hamburg) diskutierten über aktuelle Trends wie die „Glokalisierung“ des Contents bei Netflix und Amazon oder die Verknüpfungen zwischen Social Media und den klassischen TV-Formaten.
Organisiert wurde der newTV Kongress von der newTV Focus Group von nextMedia.Hamburg mit Unterstützung durch die Handelskammer Hamburg und den Hauptsponsor Adobe. Zusätzlich unterstützte ein Expertenkreis aus Hamburger Unternehmen: Axel Springer, Bitprojects, Burda / TV Spielfilm, Cellular, Digital Media Women, Dr. Johannes Wimmer, Generation Digitale, Interpol+-Studios, Mediapool Content Service, Mücke Sturm & Company, Pilot, Roku, Smartclip, Spiegel TV, Studio Hamburg, Teravolt und Zattoo. Die Veranstaltung richtet sich an Entscheidungsträger, Vermarkter, Werbetreibende und Produzenten der TV- und Digitalindustrie gleichermaßen.
Quelle: newTV Kongress