„Die Gen-Z will nichts anderes als die Generationen vorher“
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist so schlecht wie lange nicht. Hohe Preise, teure Energie, Arbeitskräftemangel und eine Wirtschaftspolitik, die das Prädikat „zukunftsorientiert“ eher nicht verdient. Zu alledem kommt nun ein Generationenkonflikt. Die jungen Leute wollen alle Vorteile und Privilegien einer modernen Arbeitswelt, möglichst viel Freizeit und wenig Arbeit, stellen extrem hohe Ansprüche, lautet das Urteil vieler Unternehmen in Bezug auf Bewerber und jüngere Mitarbeiter. Zugleich sind auch viele Ältere mit ihrer Arbeit unzufrieden. Woher also soll die Kraft kommen, sich aus der aktuellen Misere herauszuarbeiten?
Über diese Frage sprach Mittelstand-Nachrichten mit Gerald Wood, dem Geschäftsführer der Authentic Consult GmbH. Gerald Wood ist Experte für die emotionale Bindung von Mitarbeitern und digitale Transformationsprozesse.
Die Stimmung in der Wirtschaft ist schlecht. Auch die Stimmung bei Mitarbeitern ist oft schlecht. Das spürt man nicht nur im Arbeitsleben, sondern auch im Alltag. Es wirkt gerade sehr viel sehr aggressiv und im schlechten Sinne unverbindlich. Woran liegt das?
Die emotionale Bindung von Mitarbeitern in den Unternehmen liegt auf einem Allzeittief. Nur 13 Prozent der Arbeitnehmer sind noch emotional gebunden an ihren Job. Das führt zu enormen Produktivitätsverlusten in deutschen Betrieben. Obwohl die Stimmung in deutschen Unternehmen seit 2001 nie besonders gut war, wird sie dennoch immer schlechter. Schuld daran sind die zu starren Unternehmenskulturen: die Angst- und Kontrollkultur, die Fehlerkultur, übertriebene Bürokratie auch in den Unternehmen selbst, mangelnde Freiheit und vielfach schlichtweg visions- und sinnlose Arbeit. Die meisten Arbeitnehmer werden wenig gefördert und erledigen Arbeiten, die ihnen von ihrem Wesen her nicht liegen. Es bedarf einer völlig neuen Führungskultur, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden. Obstkörbe und Tischtennisplatten sind dabei nicht die Lösung. Führung muss neu gedacht und an die digitale Welt angepasst werden. Dann sind auch junge Leute leichter zu erreichen. Wenn die emotionale Bindung im Job steigt, steigt auch die Lebenszufriedenheit insgesamt. Nicht nur die Produktivität würde sich positiv entwickeln, auch das gesellschaftliche Miteinander. Der Schlüssel liegt in der Arbeitswelt und insbesondere in der Unternehmensführung.
Sie sprechen nicht von zufriedenen oder motivierten Mitarbeitern, sondern von emotional gebundenen. Was ist der Unterschied und warum ist diese sprachliche Unterscheidung wichtig?
Zufriedenheit ist wie die Note Drei in der Schule. Absolut durchschnittlich. Begeisterung oder hohe emotionale Bindung sind hingegen eine Eins! Je höher die emotionale Bindung, desto größer ist die Begeisterung. Und je größer die Begeisterung bei den Mitarbeitern ist, desto mehr springt diese auch auf Kunden und neue Bewerber über. Emotionale Bindung führt also zu mehr Performance, zu mehr Umsatz und zu mehr und besseren Fachkräften. Das lässt sich auch messen. Emotional gebundene Mitarbeiter sind der Schlüssel zu mehr Ertrag und besseren KPIs.
Work-Life-Balance ist in aller Munde. Die Betonung liegt aber bei vielen eher auf „Life“. Haben wir verlernt, viel und hart zu arbeiten?
Den Begriff Work-Life-Balance sollten wir aus unserem Wortschatz verbannen. Es gibt nur Balance –
Life-Balance. Arbeit gehört zum Leben. Sie ist ein wesentlicher und wichtiger Bestandteil unseres Wesens. Wir müssen davon wegkommen, Arbeit als etwas durchweg Schlechtes und das restliche Leben, also unsere Freizeit, als etwas durchweg Schönes zu betrachten. Arbeit muss die gesellschaftliche Anerkennung haben, die sie verdient – auch im 21. Jahrhundert. Work-Life-Balance suggeriert, dass es eine Trennung zwischen den Lebenswelten gibt. Das ist aber nicht der Fall. Life-Balance bringt alles in Einklang: Arbeit, Freizeit, Freundschaften, Familie, Community, Glaube, Wohnen und finanzielle Sicherheit. Und nein, wir haben nicht verlernt, hart zu arbeiten. Viele arbeiten hart – sicher alle die, die emotional gebunden sind, und viele, die einfach einen harten Job haben. Allerdings ist das sehr subjektiv: Je weniger Lust ich auf meine Arbeit habe, desto härter kommt sie mir vor.
Gerade junge Leute aus der Gen-Z stehen im Verdacht, lieber zu chillen, statt zu arbeiten. Und wenn sie arbeiten, haben sie völlig überzogene Erwartungen an die Arbeit und an ihre Funktion: viele Freizeit, viel Geld, flexibel Arbeiten im Homeoffice oder unterwegs. Wie sehen Sie die Gen-Z und wie sollten Arbeitgeber darauf reagieren?
Die Gen-Z hat die gleichen Bedürfnisse bei der Arbeit wie alle vorhergehenden Generationen auch. Baby-Boomer, die Gen-X, die Millenials – alle wollten und wollen das Gleiche bei der Arbeit: das tun, was sie am besten können, und dafür Wertschätzung und Respekt, offene Kommunikation, wertvolles Feedback, individuelle Förderung und Sinn erfahren und einiges mehr. Die psychologischen Grundbedingungen haben sich nicht geändert. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Gen-Z ist die erste rein digitale Generation ist. Das sind die echten Digital Natives. Sie sind mit Smartphones und Digitalisierung aufgewachsen. Aber auch Teile der Millenials und die Gen-X haben sich digitalisieren lassen. Sie wollen smart arbeiten, sehen nicht ein, dass sie Arbeit verrichten, die ihnen nutzlos oder nicht sinnstiftend erscheint und die Maschinen oder Software deutlich besser erledigen kann. Sie wollen die Arbeit machen, die sie am besten können – als Menschen mit ihren besonderen Fähigkeiten und Begabungen. Die Grundregeln der emotionalen Bindung gelten auch für die Gen-Z.
Unternehmen haben hier viel verschlafen und „schlecht“ digitalisiert. Sie haben teilweise Prozesse, die den Mitarbeitern analog schon missfallen haben, nun genauso schlecht ins Web transferiert. Sie haben nicht die Brille des Mitarbeiters oder des Kunden aufgesetzt, sondern nur die technologische. Das hat die emotionale Bindung weiter reduziert und drückt sich nun darin aus, dass Mitarbeiter erstmal sehr skeptisch sind, wenn es heißt, dass etwas verändert oder digitalisiert werden soll. Sie erleben Change als Schaffen neuer Probleme und nicht als Lösung. Gerade hier könnte die Gen-Z eher ein Treiber sein. Sie ist offener und lässt sich leichter emotional binden – wenn sie den Sinn in den digitalen Prozessen sehen und in ihrem Job. Das ist die Aufgabe der Unternehmen. Sie müssen die Chancen nutzen. Vom menschlichen Standpunkt her brauchen Gen-Z-Mitarbeiter nichts anderes als andere. Und „faule Säcke“ gab es immer. Das ist kein Privileg einer einzelnen Generation. Unternehmen müssen sich trauen, sich auf die zu konzentrieren, die in ihrem Unternehmen wollen und können – und diese emotional binden.
Wenn Tischtennisplatten, Obstkörbe und Kicker-Tische nicht die Lösung sind, Mitarbeiter aber dennoch emotional gebunden werden sollen, ja müssen, wie können Unternehmen das erreichen? Wie bindet ein Unternehmen seine Mitarbeiter emotional?
Durch eine auf die Mitarbeiter ausgerichtete performance-orientierte Unternehmenskultur, die einen nachweislichen Beitrag zum Unternehmenserfolg und zur Life-Balance leistet. Hierzu gibt es eine Faustformel, die aus sieben Schritten besteht: 1. Talente entdecken und diese zu Stärken ausbauen, 2. gute Vorgesetzte mit moderner Führungskultur, 3. moderne Unternehmenskultur mit Freiheiten für die Mitarbeiter, das humane Potenzial entfesseln, 4. Kundenzentrierung bei allen Maßnahmen im Unternehmen, 5. auf die Life-Balance der Mitarbeiter achten, 6. Vision und Sinn stiften und diese von Anfang an erklären und vermitteln und 7. motivierende CEO´s/CXO´s.
Das sind alles Aufgaben, die das Unternehmen zu erledigen hat. Inwieweit stehen auch die Beschäftigten selbst in der Pflicht? Welchen Stellenwert haben die Begriffe Leistung, Einsatz und Ergebnis bzw. Pflicht noch?
Mitarbeiterbegeisterung hat nichts mit „Bespaßung“ zu tun. Diese Begeisterung entsteht, wenn Mitarbeiter um ihre Talente wissen, die Anforderungen ihres Jobs verstehen, Respekt und Wertschätzung für gute Arbeit bekommen sowie gefordert und gefördert werden. Das sind primäre Führungsaufgaben, die auch nichts mit gelegentlichen Outdoor-Events zu tun haben. Führung ist harte Arbeit, die täglich verrichtet werden muss. Ich höre oft von Führungskräften, dass es sehr aufwändig ist, sich ständig um Mitarbeiter kümmern zu müssen. Da frage ich nach: „Du wolltest doch Führungskraft werden, oder? Du wolltest die berufliche Entwicklung, mehr Anerkennung und Ansehen, Geld, Dienstwagen etc. Das alles genießt Du, aber willst dafür die Arbeit nicht leisten?“ Die Führungskräfte tragen die Hauptverantwortung für emotionale Bindung – angefangen bei den CEOs, die leider das Thema immer noch sehr oft an ihre Personalabteilung delegieren. Die Aufgabe der Mitarbeiter ist, eine solche Führung einzufordern und Vorschläge zu machen. Leistung ist das Ergebnis guter Führung.
—
Gerald Wood ist Gründer und CEO der Authentic Consult GmbH mit Sitz in Potsdam und Münster und Experte für die emotionale Bindung von Mitarbeitern. Bevor er sein Unternehmen gründete, war er Geschäftsführer von der Unternehmensberatung Gallup in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie Top-Manager im Metro-Konzern. www.authentic-consult.de