Anwaltstipps zu Rechten und Spielräumen der Versicherung
Kornwestheim. Bleibt es bei einem Autounfall bei verbeultem Blech oder geborstenem Plastik, ist die Situation übersichtlich, beruhigt Michael Winter, Rechtsanwalt aus Kornwestheim: «Ist der Gegner schuld, hat man sich mit dessen Haftpflichtversicherer auseinanderzusetzen. Hat man den Unfall selbst verursacht, reguliert die eigene Kfz-Versicherung die gegnerischen Ansprüche, und ist man vollkaskoversichert, findet die eigene Schadensregulierung über diese Sparte statt.»
Doch nach der Erfahrung des auf Verkehrsrecht spezialisierten Juristen fängt «in immer mehr Fällen der wirkliche Ärger nach dem ersten Schreiben der Versicherung an». Vielen Autobesitzern sei nicht klar, was Versicherer dürfen und was nicht.
Grundsätzlich habe man bei einem fremdverschuldeten Unfall die Wahl, ob man sein Fahrzeug reparieren lasse oder eine sogenannte fiktive Abrechnung wähle. Sofern der Geschädigte sein Fahrzeug bei einem Kfz-Haftpflichtschaden nicht oder im Moment nicht reparieren lassen möchte, könne er sich den Schaden von der eintrittspflichtigen Versicherung «auszahlen» lassen. Dies geschehe auf Basis eines Gutachtens. In einem solchen Fall dürfe man die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, erläutert Winter. Voraussetzung sei aber, dass bei einem bis zu drei Jahre alten Pkw die Garantiebedingungen vorsehen, das Fahrzeug in einer Marken-Fachwerkstatt zu reparieren, oder man bei einem älteren Pkw nachweisen kann, dass dieser in der Vergangenheit ausschließlich durch Marken-Fachwerkstätten gewartet oder repariert worden sei.
«Nicht vorschreiben kann einem die gegnerische Versicherung, das Fahrzeug durch einen von ihr beauftragten Sachverständigen begutachten zu lassen», räumt Winter mit einem weitverbreiteten Irrtum auf: «Man hat das Recht, den Sachverständigen selbst zu wählen.» Allerdings könne bei einem Bagatellschaden ein Kostenvoranschlag ausreichen, und in solchem Fall würden Sachverständigenkosten gegebenenfalls nicht ersetzt. Im Zweifel sollte man daher das Vorgehen mit der regresspflichtigen Versicherung klären. Die gegnerische Versicherung könne einen auch nicht zwingen, das Fahrzeug in einer ihr angeschlossenen Werkstatt reparieren zu lassen.
Während der Dauer der Reparatur oder der Wiederbeschaffung eines Fahrzeugs habe man die Wahl, unter bestimmten Voraussetzungen ein Ersatzfahrzeug anzumieten oder Nutzungsausfallentschädigung zu verlangen. Mache man letztere geltend, dürfe der gegnerische Versicherer im Falle der fiktiven Abrechnung keine Reparaturkostenrechnung verlangen. Die Reparaturdauer könne durch eine entsprechende Bestätigung oder Nachbesichtigung des Sachverständigen nachgewiesen werden. Auch dürfe einem der gegnerische Versicherer nicht diktieren, bei welchem Vermieter man ein Ersatzfahrzeug bestelle. Man sollte jedoch darauf achten, Vergleiche anzustellen, da überhöhte Mietwagenpreise durch einen gegnerischen Haftpflichtversicherer nicht erstattet werden müssten, legt der Rechtsanwalt Geschädigten ans Herz.
«Im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens sind beim Restwert des Unfallfahrzeugs nach der Rechtsprechung die Bedingungen des regionalen Markts und nicht die von Restwert-Online-Börsen zugrunde zu legen», stellt er zudem klar. Selbst bei einem wirtschaftlichen Totalschaden könne eine Reparatur des Fahrzeugs erfolgen, so die Reparaturkosten und eine eventuelle Wertminderung um nicht mehr als 30 Prozent über dem Wiederbeschaffungswert liegen. Fachleute nennen dies die 130-Prozent-Grenze. In einem solchen Fall müsse man jedoch nachweisen, dass man das reparierte Fahrzeug noch für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten nutzen würde. Beauftrage man einen Rechtsanwalt mit der Schadensregulierung, würden dessen Kosten üblicherweise vom gegnerischen Haftpflichtversicherer ersetzt.
Etwas anders sieht es bei einem selbstverschuldeten Unfall, also einem Kaskoschaden, aus. Hier stelle der Vollkaskoversicherer den Gutachter, «man hat selbst kein Wahlrecht», betont Winter. Habe man einen Vertrag unterschrieben, in dem der Vollkaskoversicherer die Reparaturwerkstatt bestimmen dürfe, sei man hieran gebunden. Schließlich zahle der Vollkaskoversicherer keinen Nutzungsausfall und keinen Mietwagen. Die Entschädigung bei einem wirtschaftlichen Totalschaden sei auf die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert beschränkt, also gebe es keine 130-Prozent-Regulierung. «Bedient man sich anwaltlicher Hilfe», zieht Winter eine weitere Grenze assekuranzlichen Geschäftsgebarens, «muss man hier – außer der Vollkaskoversicherer befindet sich mit der Regulierung in Verzug oder verweigert diese unbegründet – den juristischen Einsatz aus eigener Tasche bezahlen.»
ddp.djn/nom/hoe