Das weltwirtschaftliche Umfeld bleibt auch im traurigen Jahr zwei des Angriffskriegs auf die Ukraine herausfordernd. Umso erstaunlicher ist die große Widerstandsfähigkeit des deutschen Arbeitsmarkts. Doch wie wird sich das entwickeln?
Auch unter der neuen Vorstandsvorsitzenden Andrea Nahles bleibt in Nürnberg alles beim Alten. So heißt es in der Pressemeldung der Bundesagentur für Arbeit zur Beschäftigungslage in Deutschland im Februar 2023 kurz und knapp: „Die Zahl der arbeitslosen Menschen ist im Februar geringfügig gestiegen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist erneut gewachsen. Insgesamt zeigte sich der Arbeitsmarkt trotz der angespannten wirtschaftlichen Situation beständig.“
Deutschlands Arbeitsmarkt trotzt allen Krisen
Klingt nach Stagnation, ist es in gewisser Form auch nach Jahren des Aufschwungs. Jedoch ist es umso bemerkenswerter vor dem wirtschaftlichen Hintergrund: Seit dem 24. Februar 2022, dem Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine, ist die Weltwirtschaft angespannt und alte Handelsbeziehungen sowie Lieferketten sind verkompliziert und teilweise ausgesetzt. Die Energiemärkte spielen verrückt – auch wenn sich gerade der Gaspreis zuletzt wieder beruhigt hat. Was aber kontinuierlich gestört scheint, sind die Preise.
In den Siebzigerjahren war die Kombination aus stagnierender Wirtschaft und einer rasanten Lohn-Preis-Spirale hauptursächlich dafür, dass die Arbeitslosenzahlen durch die Decke gingen. Heute allerdings zeigt sich der Arbeitsmarkt erstaunlich krisenfest. Statt über „Arbeitslosigkeit“ diskutieren Fachleute über das in reiferen Industrienationen wie Deutschland um sich greifende Phänomen der „Arbeiterlosigkeit“. Es gibt genug zu tun, aber zu wenig Fachkräfte. Vor allem im schlecht bezahlten und besonders fordernden Branchen wie der Pflegewirtschaft.
Fachkräftemangel und Verrentung der Boomer-Generation
Der Fachkräftemangel wird zunehmend zur Herausforderung für Deutschland. Das Problem wird sich in absehbarer Zeit noch verschärfen. Verantwortlich dafür sind die „Baby-Boomer“, die geburtenstarken Jahrgänge bis 1964, die in wenigen Jahren in Rente gehen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts werden 12,9 Millionen Erwerbspersonen bis 2036 das Renteneintrittsalter überschritten haben. Dies entspricht knapp 30 Prozent der dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Erwerbspersonen, bezogen auf das Berichtsjahr 2021.
Den Kindern der Boomer stehen alle Türen offen
Hier tut sich eine gewaltige Lücke auf, die allein durch die nachwachsenden Generationen nicht geschlossen werden kann. Die Politik setzt hier auf die Karte Zuwanderung, die Rede ist von einem Bedarf an 400.000 Zuwandererinnen und Zuwanderern. Jahr für Jahr wohlgemerkt.
Doch das ist noch innen- und außenpolitische Zukunftsmusik. Im Hier und Jetzt profitieren vor allem die Kinder der Boomer: Ihnen stehen angesichts der immens großen Fachkräftelücke nahezu alle Türen offen. Mit einer kleinen Ausnahme vielleicht: Manche Start-ups oder auch die deutschen Töchter großer US-Tech-Konzerne zögern derzeit mit Einstellungen oder entlassen sogar.
Software, Software, Software und noch viel mehr
Auch in Deutschland brauchen sich nur wenige wirkliche Sorgen um ihre Jobs zu machen. Wenn, dann verändert vor allem die digitale Revolution viele Berufsbilder grundlegend – neue Tätigkeiten entstehen, andere kommen hinzu. Beispielhaft dafür steht etwa der Autozulieferer Continental aus Hannover, früher vor allem für Reifen bekannt. Die gibt es dort auch heute noch. Aber noch vieles mehr. „Conti“ entwickelt sich wie viele Autohersteller und Zulieferer zum Software-Unternehmen: Das Software-Powerhouse von Continental umfasst mehr als 20.000 Software- und IT-Experten. Continental wird bis 2023 rund 1.600 KI-Experten beschäftigen, aktuell sind es etwa 1.000. Während 2013 nur zehn Prozent der Funktionen eines Neuwagens per Software gesteuert wurden, werden es 2023 voraussichtlich 40 Prozent sein.
All das zeigt: Mit entsprechenden Fähigkeiten sind ganz neue Karrieren auch in klassischen Industrien wie dem Autobau möglich. Die Zeit für einen Wechsel könnte da nicht besser sein. Ähnlich vielversprechend sind die Berufsaussichten in der Erneuerbaren-Energie-Wirtschaft. Die Bundesregierung will den Ausbau von Wind- und Solarpark massiv ausweiten. Fachbauarbeiter und Ingenieure werden hier auf Jahre hinaus sichere Jobs haben. Auch die Ernährungsindustrie und der Lebensmitteleinzelhandel sind bombenfeste Adressen. Gleiches gilt für die Pharmaindustrie: Eine Situation wie derzeit, wo Antibiotika, Krebsmittel oder Fiebersäfte für Kinder fehlen, darf nicht zum Dauerzustand werden. Ein Teil der Fabrikation wird aus Fernost zurückkehren. Das schafft neue Jobs. Die entstehen gerade auch vermehrt wieder in Ostdeutschland: Tesla sucht Personal für seine Giga-Factory bei Berlin, in Sachsen-Anhalt entsteht ein riesiges Halbleiterzentrum.
Mit anderen Worten: keine goldenen, aber sehr gute Jahre stehen Berufsstartern und -wechslern bevor. Aus dem Nachfrage- ist ein Angebotsmarkt geworden – die Bewerberinnen und Bewerber entscheiden sich für eine Firma, nicht umgekehrt.
Unternehmen müssen ihre Stellengesuche auf den Kopf stellen
Und genau darauf müssen sich die Unternehmen einstellen. Es reicht nicht mehr, nur eine Stellenanzeige zu veröffentlichen. Unternehmen müssen zudem die passiv Suchenden ins Visier nehmen. Michael Volosinovszki, Teamleitung Vertrieb beim HR-Serviceportal schnellstelle.de, erkennt zwei klare Trends am Bewerbermarkt: das Active Sourcing und das Social Media Recruiting. Beim Active Sourcing werden passende Kandidaten und Kandidatinnen, die offen für einen Arbeitsplatzwechsel sind, auf entsprechenden Business-Netzwerken oder Pools aktiv angeschrieben. Auch Social Media Recruiting hat stark an Relevanz gewonnen. Sämtliche Social-Media-Plattformen werden hier von Unternehmen für die Suche nach passenden Talenten genutzt. Je nach Generation können dort Kampagnen für Stellenanzeigen verbreitet werden.
Die Herausforderung für Unternehmen liegt darin, dass ihnen die Kampagnen und Programmatic Jobs Ads nur Interessenten zuführt. Danach kommt die aktive Ansprache. Doch das bedeutet einen Mehraufwand für Personalabteilungen, die in der Regel schon über wenig Ressourcen verfügen. Genau hier unterstützen Dienstleister wie schnellestelle.de.