Berlin wegen LKA-Einsatz auf Schadensersatz in Millionenhöhe verklagt
Berlin. Der Streitwert im Prozess zwischen der IBER-TEK Import&Export GmbH und dem Land Berlin ist hoch: Rund zwei Millionen Euro Schadenersatz will IBER-TEK-Geschäftsführer Ibrahim Arikoglu erstreiten, wenn sich die Parteien ab Mittwoch (20. Januar) vor dem Amtsgericht Mitte gegenüberstehen. Es geht um den Vorwurf der Amtspflichtverletzung, um Staatshaftung und die Frage, ob Berliner Kriminalpolizisten einem Anfangsverdacht auf Wirtschaftsstraftaten mit unvertretbaren Mitteln nachgegangen sind.
Arikoglu sagt: «Was die Behörden mit mir gemacht haben, ist ein Skandal. Man hat mich fast ruiniert.» Die Senatsverwaltung für Finanzen dagegen sieht keinen kausalen Zusammenhang zwischen den LKA-Ermittlungen und den Verlusten der IBER-TEK.
Arikoglu hatte seine Firma, die in großem Stil vor allem mit Lebensmitteln und Getränken handelt, Ende der 90er Jahre aufgebaut. Sie hat ihren Sitz heute in Spandau. Später eröffnete der Unternehmer in Kreuzberg einen Getränkegroßhandel-Abholmarkt. «Der war modern, hatte ein Riesenangebot», sagt er. Die Geschäfte seien gut gelaufen.
Anfang 2007 aber geschahen plötzlich Dinge, die Arikoglu sich nicht erklären konnte. Einige Lieferanten wollten ihm keine Ware mehr schicken, andere verlangten Vorkasse oder gar Barzahlung. Kreditinstitute kündigten die Zusammenarbeit auf, der bis dahin bestehende Kreditrahmen von insgesamt zwei Millionen Euro wurde gestrichen. Ein für das Unternehmen wichtiger Großeinkaufsverband kündigte den Vertrag mit Arikoglus Firma. Der sagt: «Ich hatte keine Ahnung, was da geschehen war.«
Dann zeigte ein alter Geschäftspartner Arikoglu einen Brief, der ihm die Sprache verschlug: Das Landeskriminalamt (LKA) teilte darin dem Empfänger mit, dass der Polizei »ein zu überprüfender Hinweis auf angeblich betrügerische Aktivitäten der von Personen türkischer Abstammung betriebenen Firma IBER-TEK» vorliege. Der Empfänger möge das LKA über die Art seiner Kontakte zu Arikoglus Firmen informieren und mitteilen, ob daraus ein Schaden entstanden sei. Für Arikoglu war das ein Schock: «Ich hatte zuvor mit der Polizei nichts zu tun gehabt», sagt er. Einen entsprechenden Brief hatten die meisten Geschäftspartner Arikoglus erhalten.
Auch fünf wichtige Kreditversicherer erhielten ein LKA-Schreiben. Darin stand unter anderem: »Hier liegt ein Hinweis auf eine angeblich türkisch beherrschte Berliner Betrugsfirma vor.« Die Information müsse noch verifiziert werden. In der Klageschrift der Anwälte Arikoglus heißt es: «Das Rundschreiben des LKA führte zu einer regelrechten Kettenreaktion.» Mehrere der angeschriebenen Versicherer, Auskunfteien, Genossenschaften und Verbände hätten ihrerseits durch Rundschreiben ihre Kunden, also tatsächliche oder potenzielle Geschäftspartner Arikoglus, über die Ermittlungen informiert.
Die Folgen seien verheerend gewesen, klagt Arikoglu: »Meine Umsätze brachen ein. Ich konnte das Warenangebot nicht aufrechterhalten und verlor viel Geld.« Was war passiert? Anfang 2007 hatte das LKA zunächst einen pauschalen anonymen Hinweis erhalten, dass ein Unternehmen an der Wrangelstraße 100 in Kreuzberg Warenbetrügereien plane. Dort hatten rund 20 Unternehmen ihren Sitz. Eine Verbindung zu Arikoglus Firmen gab es nach Aktenlage nicht.
Laut Klageschrift der Anwälte Arikoglus erhielt das LKA wenig später einen Hinweis von einer anderen Behörde: Ein Beschuldigter aus einem Ermittlungsverfahren wolle sich im Namen der IBER-TEK Computer beschaffen. Tatsächlich hatte Arikoglu den Mann auf Probe eingestellt. Von den Ermittlungen gegen den Neuen wusste er nichts. Jedoch stellte er fest, dass der Mann ohne Vollmacht Waren bestellte. »Die Sachen haben wir sofort wieder zurückgeschickt und den Mann nach drei Wochen entlassen«, erklärt der Unternehmer.
Die Kripo-Ermittlungen ergaben später: Der Verdacht gegen Arikoglu war unbegründet. Das teilte das LKA den Geschäftspartnern des Unternehmers am 18. Juni 2007 mit. Die Polizei bedauere es, heißt es in dem Schreiben, falls die Firmen Arikoglus durch die Nachforschungen geschäftliche Nachteile erlitten haben sollten.
Polizeipräsident Dieter Glietsch hat nach den Worten Arikoglus in einem persönlichen Gespräch zugesagt, dass er sich um eine Begrenzung des Schadens bemühen will. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) schrieb am 12. Juli in der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Öczan Mutlu: Der Senat bedauere, dass bei dem Bemühen der Polizei, einen Verdacht aufzuklären, »der Eindruck entstanden ist, ihr läge belastbares Material dafür vor, dass die Begehung strafbarer Handlungen durch die bezeichneten Firmen bzw. ihre Verantwortlichen bevorstehe«.
Doch Arikoglu besteht auch auf einem Ausgleich der erlittenen Verluste. Wirtschaftsmediator Emre Kirasz, den der Unternehmer eingeschaltet hat, sagte der Nachrichtenagentur ddp: »Solche Schreiben, wie sie die Polizei an die Kunden verschickt hat, sind für ein Unternehmen vernichtend. Es ist ein kleines Wunder, dass es IBER-TEK überhaupt noch gibt.«
Anwälte Arikoglus bezeichnen das Vorgehen des LKA als »vollkommen unverhältnismäßig«. Die Beamten hätten den Verdacht vorsichtiger aufklären müssen, bevor sie gegenüber Dritten »den expliziten Verdacht äußerten», dass der Unternehmer oder seine Firmen Straftaten begingen.
Die Senatsverwaltungen für Inneres und Finanzen wollen sich nicht zu dem Fall äußern. Die Finanzverwaltung hat bisher jeden Schadenersatz abgelehnt. Die Polizei sei einem bestehenden Verdacht nachgegangen. Außerdem weise der von Arikoglu beauftragte Gutachter keinen kausalen Zusammenhang zwischen den Verlusten des Unternehmers und dem LKA-Schreiben nach. Jetzt muss das Gericht entscheiden.
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