Als selbstständige Ingenieurwissenschaft befasst sich die Verfahrenstechnik mit der Umwandlung von Stoffen (Gase, Flüssigkeiten oder Feststoffen) hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Art oder Zusammensetzung. Dazu verwendet sie biologische, chemische und physikalische Verfahren. Laut der Westfalia Wärmetechnik GmbH, Experte für thermische Verfahrens- und Energietechnik, ist die Verfahrenstechnik eine interdisziplinäre Wissenschaft, die häufig Überschneidungen mit der Bio- und Umwelttechnik, der Metallurgie, dem Chemieingenieurwesen und dem Apparatebau (Disziplin des Maschinenbaus) hat.
Die Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen (VDI-GVC) definiert Verfahrenstechnik als „technische und wirtschaftliche Durchführung aller Prozesse, in denen Stoffe nach Art, Eigenschaft und Zusammensetzung verändert werden“.
Berufsbild des Verfahrensingenieurs
In der Ingenieurwissenschaft der Stoffumwandlung arbeiten Verfahrensingenieure in der Regel eng mit Naturwissenschaftlern zusammen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, deren Erkenntnisse in realisierbare Konzepte und Prozesse umzusetzen. Entscheidend sind hier oft Fragen zum Energiehaushalt eines Verfahrens und zur Vergrößerung des Produktionsmaßstabes.
Außerdem sind Verfahrensingenieure auch an der Realisierung von geplanten Anlagen beteiligt. Beim Anlagenbau liegt ihr Verantwortungsbereich hauptsächlich bei der Auswahl und Auslegung der benötigten Apparate, Bauteile und Materialien. Überdies erledigen Verfahrensingenieure die mess- und regelungstechnische Planung der Prozesse. Hierzu nutzen sie in der Regel computergestützte Simulationen, die auf der verfahrenstechnischen Theorie- und Versuchsarbeit basieren.
Studium zum Verfahrensingenieur
In Deutschland und Österreich bieten zahlreiche Universitäten und Hochschulen verfahrenstechnische Studiengänge an. Diese orientieren sich je nach thematischer Ausrichtung der jeweiligen Institution eher an der Chemie oder an der Technik. Hinzukommt, dass die Verfahrenstechnik an einigen Universitäten als Teilbereich des Maschinenbaus angeboten wird, während andere Einrichtungen eigenständige Bachelor- und Masterstudiengänge anbieten.
Absolventen der Verfahrenstechnik können dank der interdisziplinären Ausrichtung des Studiengangs in der Regel leicht eine Arbeitsstelle finden. Dank ihres breiten Einsatzspektrums arbeiten Berufseinsteiger nach ihrem Studium oft als Forscher im Labor, als Entwickler und Programmierer von verfahrenstechnischen Simulationen und Leitsystemen oder als Berechnungs- und Projektingenieur. Auch eine Anstellung als Bauleiter oder Betriebsführer in der Chemie-, Energie-, Lebensmittel- und Pharmaindustrie oder in Anlagenbauunternehmen ist nach einigen Jahren Berufserfahrung denkbar.
Abgrenzung der Verfahrenstechnik zu anderen Ingenieurs- und Naturwissenschaften
Laut Definition beinhaltet jede Prozessentwicklung, die einen Stoffstrom betrifft, Verfahrenstechnik. Die Verfahrenstechnik ist demnach ein oft nicht explizit genannter Teilbestandteil vieler anderer Wissenschaften. Sie ist jedoch dadurch abgegrenzt, dass sie das Verfahren unter den gegebenen Randbedingungen an sich optimiert. Andere wissenschaftliche Teilbereiche gehen hingegen meist vom existierenden Prozess aus und fokussieren sich auf andere Aspekte.
Obwohl die Verfahrenstechnik sich mit den gleichen Gegenständen und Werkzeugen wie andere Naturwissenschaften beschäftigt, hebt sie sich deutlich von ihnen ab, weil sie nicht versucht neue Zusammenhänge zu entdecken, sondern lediglich die erkannten Zusammenhänge technisch bestmöglich zu nutzen.
Teildisziplinen der Verfahrenstechnik
Ihren Ursprung hatte die Verfahrenstechnik primär in der Produktion von Lebensmitteln und Medikamenten. Inzwischen sind die Prozesse und Techniken der Ingenieurwissenschaft so komplex, dass die Verfahrenstechnik zum besseren Verständnis in Teildisziplinen unterteilt wurde.
- Die mechanische Verfahrenstechnik nutzt die Mechanik bzw. Strömungsmechanik, um Stoffwandlungsprozesse durch mechanische Einwirkung auszulösen. Dazu werden die vier Prozesshauptgruppen Zerkleinern, Agglomerieren, Mischen und Trennen verwendet. Weil die historischen Wurzeln der mechanischen Verfahrenstechnik in der Feststoffverfahrenstechnik und in Rohrleitungsbau liegen, werden ihr meist auch das Lagern, Fördern und Dosieren von Materialien zugeschrieben.
- Die thermische Verfahrenstechnik beschäftigt sich mit thermischen Trenn- und Reinigungsprozessen sowie mit den Prozessen Extraktion und Rektifikation, also mit Prozessen, in denen Stoffe durch Wärme verändert werden. Außerdem werden der thermischen Verfahrenstechnik mittels Membrantechnik ablaufende Prozesse zugeschrieben.
- Die chemische Verfahrenstechnik (Chemische Reaktionstechnik) beschäftigt sich mit allen Prozessen, in denen Stoffe durch chemische Reaktionen umgewandelt werden. Sie wird oft auch als „Bindeglied“ der Verfahrenstechnik und der Chemie bezeichnet. Die Hauptaufgabe dieser Teildisziplin liegt in der Umsetzung von Laborergebnissen in den Produktionsprozess (Scale-up).
- Die elektrochemische Verfahrenstechnik entwickelt Anwendungen für elektrochemische Phänomene wie die elektrolytische Raffination von Metallen oder die Synthese von Chemikalien.
- Die Bioverfahrenstechnik (Bioengineering), ein Teilbereich der Biotechnologie, beschäftigt sich mit der Stoffumwandlung durch biologische Prozesse. Dazu nutzen Verfahrensingenieure oft einfache Lebensformen wie Bakterien, Hefen und Pilze, die durch ihre Enzyme Stoffe umwandeln können.
- Die Systemverfahrenstechnik gehört zur ingenieurwissenschaftlichen Systemtheorie. Ihre Aufgabe ist die Modellierung des dynamischen Verhaltens verfahrenstechnischer Systeme sowie die Optimierung der Systemstruktur.
- Die Nanotechnik ist der jüngste Teilbereich der Verfahrenstechnik. Diese interdisziplinäre Wissenschaft aus der Verfahrenstechnik sowie aus Gebieten der Physik, der Chemie und der Biologie beschäftigt sich mit kleinsten Stoffen, die teilweise nur auf wenigen Molekülen bestehen. Besonders die Nanopartikeltechnik hat für die Verfahrenstechnik eine hohe Bedeutung.