Länder lassen Höfe vorsorglich sperren – 8.000 Legehennen in Nordrhein-Westfalen getötet
Hannover/Itzehoe. Der Skandal um dioxinverseuchtes Tierfutter weitet sich aus. In mehreren Bundesländern wurden flächendeckend Betriebe geschlossen, zudem ermittelt die Justiz. Die betroffenen Länder verabredeten am Montag, jeden landwirtschaftlichen Betrieb vorsorglich zu sperren, der das mit dem Umweltgift verseuchte Futter möglicherweise erhalten habe, wie ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums sagte. Dies betreffe allein in Niedersachsen rund 1.000 Betriebe und gelte für Legehennen-, Puten- und Schweinemasthöfe. Die Staatsanwaltschaft im schleswig-holsteinischen Itzehoe nahm Ermittlungen auf. Opposition und Verbraucherschützer forderten unterdessen einen besseren Schutz der Konsumenten.
Dioxin gilt als krebserregend. Mit dem Gift verunreinigte Futter- oder Lebensmittel waren in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gefunden worden. Das Futter stammt von dem Futtermittelproduzenten Harles Jentzsch aus Uetersen in Schleswig-Holstein. Das Unternehmen bekam nach eigenen Angaben über einen niederländischen Händler dioxinbelastete Mischfettsäure geliefert. Sein Unternehmen sei zunächst von einem Einzelfall ausgegangen, sagte Geschäftsführer Siegfried Sievert. „Mittlerweile vermuten wir jedoch, dass eventuell auch weitere Partien mit Dioxinen verunreinigt sind.“
Die Ware selbst stamme von einer Biodiesel-Anlage der Petrotec AG im niedersächsischen Emden, sagte Sievert. Sie sei von dort direkt an einen Verarbeitungsbetrieb in Bösel geliefert worden, der sie zur Herstellung sogenannter Futterfett-Rohware eingesetzt habe. Am 23. Dezember sei die Belastung dann bei einer Routinekontrolle aufgefallen.
Die Firma Petrotec mit Sitz im nordrhein-westfälischen Borken wies die Vorwürfe zurück. Die Ware sei „nur zur technischen Verwendung“ ausgeliefert worden, sagte Michael Fiedler-Panajotopoulos von Petrotec. Man kooperiere mit den Behörden und wolle den Fall vollständig aufklären.
In Niedersachsen wurden als Konsequenz der Giftfunde 34 Proben aus Legehennenbetrieben genommen, die derzeit im Landesamt für Verbraucherschutz untersucht werden, wie der Ministeriumssprecher sagte. Davon stünden bislang 18 Ergebnisse fest, eine der Proben weise demnach einen zu hohen Wert an Dioxin auf. Das Ministerium warte derzeit auf Lieferlisten aus Schleswig-Holstein, um neben den 20 betroffenen Betrieben noch weitere Bezieher des Futtermittels in Niedersachsen ausfindig machen zu können.
Der Sprecher prangerte schwere Versäumnisse des Herstellers an. Die Verunreinigung des Hühnerfutters mit Dioxin sei offenbar nicht durch einmaliges menschliches Versagen verursacht worden. Es könne sein, dass das Fett etwa sechs Wochen lang verunreinigt worden sei.
Im nordrhein-westfälischen Kreis Soest ordneten die Behörden wegen des Dioxinskandals die Tötung von rund 8.000 Legehennen an. Die Tiere seien als Vorsichtsmaßnahme getötet und entsorgt worden, sagte der Chef des Kreis-Veterinärdienstes, Wilfried Hopp, auf dapd-Anfrage. Das Umweltministerium des Landes wolle die Handelsströme überprüfen, hieß es. Mittel- und langfristig seien gesundheitliche Schädigungen durch den Verzehr dioxinbelasteter Lebensmittel nicht auszuschließen.
Verseuchtes Futter wurde auch an einen Zuchtbetrieb in Thüringen geliefert. Dabei handelt es sich nach Angaben des Landes-Verbraucherschutzministeriums um einen Schweinezuchtbetrieb in Ostthüringen. Der Betrieb habe Ende November 52 Tonnen des belasteten Futters für Ferkel erhalten. Inwieweit die Tiere das Futter bereits gefressen hätten, werde nun geprüft. Es stammt aus einem Mischfutterwerk in Sachsen-Anhalt.
Als Konsequenz aus dem sich ausweitenden Skandal fordert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch eine umfangreiche Haftung der Futtermittelhersteller. Zudem müssten die Behörden die Verbraucher unverzüglich darüber informieren, welche Produkte von welchen Herstellern betroffen seien, sagte Sprecherin Christiane Groß der Nachrichtenagentur dapd. „Es ist an Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner, die Regelungen entsprechend zu ändern.“
Der Deutsche Verband Tiernahrung mit Sitz in Bonn wies darauf hin, dass die aktuelle Dioxinbelastung durch eine Eigenkontrolle des Herstellers entdeckt worden sei. Woher die Verunreinigung der Mischfettsäure komme, müsse rasch geklärt werden.