Draghi hält das Pulver der Europäischen Zentralbank trocken
Trotz Rufen nach der „Big Bazooka“ belässt die EZB die Leitzinsen stabil bei 1,00 Prozent
Frankfurt/Main (dapd). Viele Finanzmarktteilnehmer fordern von der Europäischen Zentralbank (EZB) die „Big Bazooka“ – und das, obwohl sie den Leitzins seit November schon zweimal gesenkt und die Banken mit einem Geldregen von fast einer halben Billion Euro beglückt hat. Präsident Mario Draghi verzichtet aber auf die Panzerfaust und hält das Pulver der EZB zunächst trocken.
In ihrer ersten Ratssitzung im neuen Jahr entschieden die Währungshüter am Donnerstag in Frankfurt am Main, dass der wichtigste Zinssatz vorerst auf dem historisch niedrigen Niveau von 1,00 Prozent bleibt. Viele Experten, wie etwa der Chefvolkswirt des französischen Versicherungskonzerns AXA, Erik Nielsen, hatten zuvor einen weiteren Zinsschritt nach unten gefordert.
Es wäre das dritte Mal seit Draghis Amtsantritt gewesen. Der EZB-Präsident schloss in der monatlichen Frage- und Antwortrunde vor Journalisten allerdings nicht aus, dass es weiter abwärts geht. „Wir stehen zu weiteren Aktionen bereit“, wich er Fragen aus und fügte hinzu, dass die EZB sich niemals festlege.
Beobachter, die die sehr eigene Sprache kennen, die im Frankfurter Eurotower gesprochen wird, werden das als Hinweis auf eine weitere Zinssenkung deuten. Wäre diese für Februar im EZB-Rat schon abgemachte Sache, hätte Draghi anders geantwortet.
Der EZB-Rat kam erstmals in neuer Besetzung zusammen. Der frühere deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen und der Franzose Benoît Coeuré nahmen zum ersten Mal teil. Der Belgier Peter Praet beriet das Gremium erstmals in seiner neuen Rolle als Chefvolkswirt. Der EZB-Rat besteht aus den 17 nationalen Zentralbank-Chefs und dem sechsköpfigen EZB-Direktorium.
Für die EZB ist damit eine neue Ära angebrochen. Jüngere und weniger als geldpolitische Hardliner bekannte Männer haben das Zepter übernommen, so heißt es unter Bankern und Volkswirten in Frankfurt am Main. Frauen gibt es in dem Gremium keine. Die Neuen beginnen ihre Amtszeit unter dem Eindruck der tiefgreifendsten Hilfsmaßnahmen in der EZB-Geschichte.
Schon kurz vor Weihnachten hatte die EZB den rund 6.000 bei ihr registrierten Banken knapp eine halbe Billion Euro überlassen. Die Banken müssen das geliehene Geld erst 2015 zurückzahlen. Für eine zweite Dreijahres-Leihe erwartet Draghi ebenfalls eine „substanzielle“ Summe. Im Gegensatz zu den Euro-Staaten erhalten damit die Banken Mega-Kredite zu einem vernachlässigbaren Satz von gerade mal einem Prozent. Die Geldflut war eine der bisher drastischsten Krisen-Maßnahmen.
Es geht aber im großen Stil weiter. Schon in der kommenden Woche werden rund 100 Milliarden Euro freigesetzt werden. Draghi hatte angekündigt, die Kaution, welche die EZB für ihre Leihgeschäfte mit den Banken verlangt, auf ein Prozent zu halbieren. Die deutsche Förderbank KfW etwa rechnet mit einem Zufluss in Höhe eines „niedrigen Milliarden-Euro-Betrages“ durch diese Maßnahme.
Bisher hat der Geldsegen nicht viel genutzt. Das zeigen täglich veröffentlichte Zahlen der EZB, die belegen, dass die Banken das viele Geld einfach wieder zurücktragen. Am Mittwoch floss fast die gesamte Summe, die die EZB den Banken im Dezember geliehen hatte, wieder zurück. Am Donnerstag ging der Zufluss um 15 Milliarden Euro zurück.
Allerdings hat es auch erste Hoffnungszeichen gegeben. Italien und Spanien buhlten am Donnerstag fast gleichzeitig um das Vertrauen und das Geld der Investoren. Der dritt- und der viertgrößten Wirtschaftsmacht der Eurozone gelang es, jeweils mehr als zehn Milliarden Euro bei Auktionen von Staatsanleihen zu erlösen. Es ist wahrscheinlich, dass auch viele Banken teilgenommen haben, schon weil die Regulierungsbehörden ihnen vorschreiben, einen gewissen Anteil ihrer Bank-Reserve mit solchen Sicherheiten zu bestreiten.