Geschütztes Wohnen – Vermieter dürfen vertragstreuen Mietern nur in Ausnahmefällen kündigen
Berlin. Flattert dem Mieter ein Kündigungsschreiben vom Vermieter ins Haus, ist die Aufregung erst einmal groß. Besonders dann, wenn er sich keiner Schuld bewusst ist, seine Miete immer pünktlich gezahlt und auch die anderen Mieterpflichten erfüllt hat. Der Mieterverein zu Hamburg rät in so einem Fall, Ruhe zu bewahren und rechtlichen Rat einzuholen. Denn kein Vermieter darf einfach so kündigen. Er braucht immer einen triftigen Kündigungsgrund.
Liegt keine Vertragsverletzung des Mieters vor, darf der Vermieter im Wesentlichen nur aus drei Gründen kündigen. Zum einen kann er Eigenbedarf anmelden. Das ist zulässig, wenn der Vermieter die Mietwohnung für sich selbst oder einen nahen Familienangehörigen, zum Beispiel seine Eltern, Kinder oder Geschwister, oder für einen Angehörigen seines Haushaltes, zum Beispiel eine Pflegekraft, benötigt. Es reicht aus, wenn der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe benennt, warum er oder sein Angehöriger die Mietwohnung beziehen will, so der Deutsche Mieterbund (DMB). In einem aktuellen Urteil erweiterte der Bundesgerichtshof jetzt noch den Kreis der Berechtigten. Demnach darf ein Vermieter auch zugunsten eines entfernteren Familienangehörigen, wie zum Beispiel einer Nichte, eine Eigenbedarfskündigung aussprechen (BGH VIII ZR 159/09).
Kündigt der Vermieter wegen Eigenbedarfs, muss er dem Mieter jedoch eine vergleichbare, ihm gehörende, im selben Haus oder in derselben Wohnlage befindliche, leerstehende Wohnung anbieten, urteilte der Bundesgerichtshof. Tut er das nicht, ist die Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam (AZ: VIII ZR 276/02). Die Verpflichtung besteht allerdings nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (AZ: VIII ZR 311/02).
Es kommt vor, dass Vermieter den Eigenbedarf nur vortäuschen, um die Mieter los zu werden und die Wohnung hinterher teurer vermieten zu können. Damit machen sie sich grundsätzlich schadensersatzpflichtig, so der Bundesgerichtshof (AZ: VIII ZR 231/07). Betroffene Mieter, die wegen einer unberechtigten Räumungsklage auszogen, haben demnach Anspruch auf Wiedereinzug in die Wohnung, zumindest so lange, wie sie noch nicht an einen Dritten vermietet ist. Daneben muss der Vermieter die Kosten des Umzugs ersetzen, die Maklerkosten für die neue Wohnung und die Mietdifferenz zwischen der alten und der neuen Wohnung sowie weitere Aufwendungen übernehmen.
Der zweite, vom Verhalten des Mieters unabhängige Grund für eine Kündigung des Vermieters ist die «Hinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung». Ein Vermieter kann kündigen, wenn er bei Fortführung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Der Bundesgerichtshof bestätigte beispielsweise kürzlich eine Kündigung der Mieter zum Zweck des Abbruchs eines Gebäudes (VIII ZR 7/08). Der Eigentümer hatte ein stark sanierungsbedürftiges Haus erworben. Dieses wollte er abreißen und ein größeres Gebäude mit Eigentumswohnungen neu bauen und verkaufen. Er kündigte den dort wohnenden Mietern mit der Begründung, eine Fortsetzung der Mietverhältnisse sei keine angemessene wirtschaftliche Verwertung und führe für ihn zu erheblichen Nachteilen.
Der DMB rät Mietern, die von Verwertungskündigungen betroffen sind, fachlichen Beistand zu suchen. Entscheidend sei hier immer der Einzelfall. «Grundsätzlich hat der Eigentümer keinen Anspruch darauf, aus der Mietwohnung die höchstmögliche Rendite zu erzielen», stellt DMB-Direktor Lukas Siebenkotten klar. Das hat das Bundesverfassungsgericht bereits vor Jahren entschieden (AZ: 1 BvR 227/92).
Wenig Schutz haben Mieter, die mit ihrem Vermieter in einem Ein- oder Zweifamilienhaus zusammenwohnen. Sie können praktisch jederzeit ohne Grund gekündigt werden. Denn in solchen Fällen haben Vermieter ein Sonderkündigungsrecht. Sie können auch dann kündigen, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten erfüllt, kein Eigenbedarf vorliegt und auch keine Verwertungskündigung in Betracht kommt. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs besteht das Sonderkündigungsrecht auch dann, wenn in dem Gebäude neben der Mieter- und Vermieterwohnung weitere Räume vorhanden sind, die gewerblich genutzt werden (AZ: VIII ZR 307/07). Fluchtartig müssen Mieter die Wohnung aber auch dann nicht verlassen, wenn sich der Vermieter auf sein Sonderkündigungsrecht beruft. Denn damit verlängert sich seine Kündigungsfrist um drei Monate. Bei einer Mietzeit bis zu fünf Jahren beträgt sie statt drei dann sechs Monate. Wohnt der Mieter länger als fünf Jahre in seiner Wohnung, gilt anstelle der sechsmonatigen die neunmonatige Kündigungsfrist. Und wohnt der Mieter länger als acht Jahre in der Wohnung, gelten zwölf statt neun Monate Kündigungsfrist.
Normalerweise betragen die Fristen für eine Kündigung durch den Vermieter 3 Monate bei bis zu 5 Jahren Wohnzeit, 6 Monate bei mehr als fünfjähriger Wohnzeit und 9 Monate, wenn der Mieter mehr als 8 Jahre in der Wohnung lebte. Die frühere Verlängerung auf zwölf Monate nach zehnjährigem Wohnen gibt es nicht mehr. Der Hamburger Mieterverein weist jedoch darauf hin, dass der Vermieter weiterhin an diese Regelung gebunden ist, wenn der Mietvertrag vor dem Inkrafttreten des neuen Mietrechts am 1.9.2001 geschlossen wurde und nach einer Wohndauer von 10 Jahren eine Verlängerung der Kündigungsfrist auf 12 Monate vorsieht (BGH, AZ: VIII ZR 71/01).
ddp.djn/kaf/mwo