Immobilien To-Do’s – So bewertet Hendrik Richter (Geschäftsführer, ohne-makler.net) den Branchen-Status quo im Interview
Neue Zahlen belegen immer wieder, dass sich Interessenten für Immobilien einerseits mit sinkenden Preisen aber auch mit steigenden Finanzierungskosten konfrontiert sehen. Welche Risiken birgt dieses Szenario für Käufer und Verkäufer?
Beide Parteien befinden sich aus meiner Sicht in einer Marktlage, die nicht nur enorm intransparent, sondern auch schwer zu kalkulieren ist.
Wann etwa der Peak von steigenden Kosten für energetische Sanierungen erreicht sein wird, kann niemand wirklich sagen. Wie entwickeln sich in dieser Sparte die Preise? Mit welchen Förderungen kann langfristig gerechnet werden? Gerade der Heizungstausch und die damit verbundenen Finanzierungen sehe ich dabei als mit den größten Kostenfaktor, der auf Eigentümer zukommen wird. Bereits jetzt sehen wir zudem, was die Zinsentwicklung bei circa vier Prozent und mehr in der Praxis bedeutet. Preisabschwünge in Höhe von dreißig bis vierzig Prozent in guten Lagen, kommen deshalb vereinzelnd vor. Allerdings primär in Ausnahmefällen. Etwa wenn die Verkäufer dringend und schnell verkaufen müssen und sie kein Alternativszenario mehr sehen. Trotzdem werden solche sinkenden Preise nicht zur Regel werden. Dafür ist der Zuzug zu stark und die Neubautätigkeit in Deutschland zu mickrig.
Grundsätzlich sehe ich insoweit den Käufer im Vorteil, da weniger Konkurrenten um das gleiche Objekt buhlen. Chancen endlich wieder richtig zu verhandeln, werden so größer. Verkäufer hingegen müssen sich tendenziell und bis auf weiteres auf Preisabschläge gefasst machen, wenn kurzfristig verkauft werden muss.
Betrifft das in erster Linie die sogenannten Premiumlagen oder gelten die angespannten Marktindikatoren auch für vermeintlich weniger attraktive Standorte außerhalb der Toplagen?
A-Standorte sind mit stagnierenden bis sinkenden Kaufpreisen nicht alleine.
Unsere internen Daten sagen: Sowohl in Frankfurt (Main), München und Hamburg aber auch Bremen, Duisburg und Bielefeld sowie weiteren B-Standorten, sind die Durchschnittsquadratmeterpreise zwischen Januar 2023 und dem Vorjahreswert erkennbar gesunken. Einzig in Berlin deutet gegenwärtig vieles auf einen leichten Anstieg der Preise hin. Während wir in A-Lagen Ranges zwischen -0,25 Prozent bis -11 Prozent sehen, bewegen sich B-Lagen auf einem Niveau von -1,75 Prozent bis teilweise -23 Prozent.
So gesehen zeichnet sich diese Entwicklung zumindest aktuell standortunabhängig ab. Den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, ab dem Preise wieder flächendeckend anziehen gilt es als Käufer oder Investor zu finden.
Welche Ratschläge haben Sie für den Verkaufsprozess?
Generell kann man sich an mehreren Strängen festhalten.
Vorweg würde ich Angst aufgrund der gegenwärtigen Krisenstimmung als den schlechtesten Ratgeber bewerten. Klar ist: Die Zeiten waren mal besser. Dennoch wird die Nachfrage nach Immobilien in den kommenden Jahren hoch bleiben.
Im Verkaufsprozess an sich sollte der persönliche Kontakt zudem nicht unterschätzt werden. Zumal bei skeptischen Interessenten ein Vor-Ort-Termin mehr Wirkung entfalten kann als ein kalter Zoom-Call oder Telefonate.
Außerdem empfehle ich es, Wertgutachten anzufordern: Ein solches Gutachten ermittelt den Marktwert. Den präzisen Wert der eigenen Immobilie zu kennen, erleichtert den Verkauf, egal, ob durch einen Makler oder im „Do-it-yourself“-Verfahren – Transparenz wird so zusätzlich geschaffen.
Denn das Problem ist Folgendes: Eingestellte Preise auf den gängigen Portalen, orientieren sich noch am Preisniveau von Anfang 2022. Das sehen wir auch auf unserer Plattform. Drei bis sechs Monate nach Einstellung des Inserates merken die Verkäufer dann, dass sie so keine Käufer finden. Der finale Kaufpreis ist in der Praxis final zehn bis zwanzig Prozent niedriger. Das wissen viele Verkäufer leider nicht, inserieren dann ebenfalls zu dem “zu hohen” Preis, sodass der Blick auf die Immobilienportale nichts mit der aktuellen Marktsituation zu tun hat. Transparenz sieht anders aus.
Und: Verkäufer sollten nicht alle Hoffnungen in den Makler setzen, da diese den wirklichen Wert einer Immobilie in den meisten Fällen verzerren.
Entweder wird der Preis häufig zu hoch angesetzt, um an hohe Provisionen zu kommen bzw. um preislich in der Skala der anderen Objekte auf den Portalen zu sein. Oder es wird zu schnell auf niedrige Preise gesetzt, um möglichst fix einen Verkauf zu meistern.
Gibt es typische Fehler, die Käufer wiederum jetzt vermeiden sollten?
Käufer sollten vor allem ihr Eigenkapital auf Herz und Nieren prüfen, da dieser Punkt für Banken aktuell wichtiger als je zuvor in der jüngeren Vergangenheit geworden ist.
Mein Tipp: Wer Projekte vorweisen kann, die bereits mit einer intelligenten Strategie vollständig oder in großen Teilen getilgt wurden, ist klar im Vorteil.
Auch rund um das Thema ESG müssen Käufer heute wissen, dass es sich nicht bloß um einen kurzzeitigen Trend, sondern um einen der relevantesten Eckpfeiler der Branche handelt. Wer in diesem Segment nicht frühzeitig investiert, wird auf lange Sicht sowohl ökologisch als auch ökonomisch einen immer höheren Preis bezahlen.
Ein Blick in die Zukunft: Handelt es sich bei Rahmenfaktoren wie den hohen Bauzinsen eher um eine Langzeitentwicklung oder einen temporären Trend?
Das kann tatsächlich niemand seriös prognostizieren. Fakt ist, dass wir zwischen 2015 und 2022 sehr niedrige Zinsen von 1,0 Prozent bis 1,5 Prozent hatten.
Der Anstieg heute ist so gesehen eher die Normalität, die auf Ausnahmephasen folgt. Große Abweichungen nach oben oder nach unten halte ich insofern für eher nicht wahrscheinlich.
Hendrik Richter ist seit 2018 Geschäftsführer von ohne-makler.net. Die Immobilienplattform setzt sich das Ziel, den Verkauf von Immobilien provisionsfrei zu vereinfachen.