Berlin. Führende Wirtschaftsforschungsinstute warnen vor zu hohen Tarifabschlüssen im neuen Jahr. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, sagte der Nachrichtenagentur ddp: «Ein zu kräftiger Schluck aus der Lohnpulle würde die vorsichtige Erholung unserer Wirtschaft wieder sehr rasch abwürgen und viele Betriebe mit einer durch die Finanzkrise geschwächten Liquidität zu einem zusätzlichen Stellenabbau veranlassen.» Dies könne niemand verantworten.
Ähnlich äußerte sich der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen, Christoph M. Schmidt. Er sagte in einem ddp-Interview, in Deutschland zeichne sich zwar eine konjunkturelle Wende ab. So erhielten die Unternehmen vor allem aus dem Ausland wieder mehr Aufträge. Diese Entwicklung sei aber «noch recht fragil». Der «Wirtschaftsweise» fügte hinzu: «Deshalb sollten sich die Lohnabschlüsse in einem moderaten Rahmen bewegen.»
Der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, warb für einen Verzicht auf «allgemeine Tarifverhandlungen in der Fläche». Diese seien unabhängig von der Wirtschaftskrise «nicht mehr zeitgemäß». Es gebe «sehr wohl immer wieder Betriebe, die Spielraum für Lohnerhöhungen haben – und andere, die diesen Spielraum nicht haben.»
Straubhaar wandte sich in einem ddp-Interview zugleich gegen das Argument, dass durch höhere Löhne der Konsum und damit das Wirtschaftswachstum angekurbelt werden könnte. Dies funktioniere «in der Wirklichkeit nicht so». Der HWWI-Direktor fügte hinzu: «Dass im Gegenteil hohe Löhne zunächst einmal hohe Kosten und damit eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen bedeuten, ist die eher wahrscheinliche Kausalität.»
DIW-Präsident Zimmermann sagte: «Die Verteilungsspielräume sind leider sehr gering.» Selbst Optimisten erwarteten für 2010 eine «allenfalls geringfügige Erhöhung der Produktivität». Daran müssten sich die Tarifverhandlungen orientieren.
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht für 2010 keinen Spielraum für Tariferhöhungen. Aufgrund der Kurzarbeit sei die Produktivität gesunken, sagte IW-Direktor Michael Hüther in einem ddp-Interview. Zudem gebe es auch keinen Bedarf für Tariferhöhungen, da die Inflationsraten 2009 und 2010 nur gering seien und die Anhebungen aus den bestehenden Tarifverträgen daher noch stärker nachwirkten.
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