Leipzig (dapd-lsc). Einen Tag nach der Razzia in ihren Büros wehrt sich die Leipziger Internetfirma Unister gegen den Verdacht der Steuerhinterziehung sowie des Versicherungsbetrugs und kritisiert die Ermittlungen der sächsischen Generalstaatsanwaltschaft. „Entgegen mancher Verlautbarung ist kein steuerlicher Schaden entstanden“, teilte das Unternehmen am Mittwochabend mit. „Wir sind überzeugt, dass die Anschuldigungen alsbald entkräftet sind und die betroffenen Manager entlastet werden.“ Die Geschäfte gingen normal weiter.
Zuvor mussten zwei Topmanager des Internetanbieters, zu dem Seiten wie fluege.de, ab-in-den-urlaub.de und auto.de gehören, wegen Betrugsverdachts und möglicher Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft. Ein Richter habe Haftbefehl erlassen, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Wolfgang Klein, am Mittwoch der Nachrichtenagentur dapd.
Es bestehe dringender Tatverdacht, außerdem Flucht- und Verdunklungsgefahr, also die Gefahr der Vernichtung von Beweismitteln, sagte der Sprecher. Laut „Leipziger Volkszeitung“ ist Firmenchef Thomas Wagner einer der Inhaftierten in der Justizvollzugsanstalt Dresden. Die Staatsanwaltschaft wollte das weder dementieren noch bestätigen.
Internetfirma nennt Behördenvorgehen unverhältnismäßig
Das Landeskriminalamt hatte am Dienstag bundesweit an zahlreichen Standorten des Unternehmens eine Razzia durchgeführt und in etwa 20 Wohnungen und Büros Computer sowie Akten beschlagnahmt. Die Firma steht im Verdacht, unerlaubt Versicherungen über ihre Internetportale verkauft und Steuern hinterzogen zu haben. Es gehe um einen möglichen Schaden in Millionenhöhe.
Unister teilte mit, den Vorwurf sehr ernst zu nehmen. Allerdings empfinde die Firma das Vorgehen der Untersuchungsbehörden als unverhältnismäßig, „da der zugrunde liegende Sachverhalt schon 2011 durch uns offen gegenüber den Behörden kommuniziert wurde und die Rechtsfrage nach wie vor ungeklärt ist“.
Bei den Versicherungsprodukten, welche im Fokus der Ermittlungen stehen, sei noch nicht geklärt, ob es sich um einen „Umbuchungsservice“ und „Stornoschutz“ als Versicherungsprodukte handele oder nicht, teilte Unister weiter mit. „Faktisch ist zu klären, ob Unister statt der bereits gezahlten Umsatzsteuer eine Versicherungssteuer hätte bezahlen müssen“, hieß es. Bis die Gerichte entscheiden, werde der Verkauf der umstrittenen Produkte eingestellt.
Verbraucherzentrale zweifelte schon lange an Unister
Die Verbraucherzentrale Sachsen hatte die Versicherungsgeschäfte der Leipziger Firma bereits im Sommer angezweifelt. „Wir haben uns im Juni und Juli mit rechtlichen Bedenken schriftlich an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gewandt“, sagte die Juristin der Verbraucherzentrale, Bettina Dittrich, der dapd. „Wir hatten den Verdacht des unerlaubten Versicherungsgeschäfts und wollten wissen, ob dagegen Maßnahmen eingeleitet werden“, sagte Dittrich weiter. Eine Antwort von der BaFin sei nie eingegangen.
Die zwei inhaftierten Manager machten laut Staatsanwaltschaft vor dem Haftrichter keine Aussagen. Die Behörde will nun die Beweise der einzelnen Durchsuchungen zusammentragen und Zeugen vernehmen. Es werde weiter gegen acht Führungskräfte des Unternehmens ermittelt, inklusive der zwei Inhaftierten. „Wir wollen zügig vorankommen und streben eine Anklage in den nächsten sechs Monaten an“, sagte Staatsanwalt Klein. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, drohen den Managern Geldstrafen und bis zu fünf Jahre Haft.
Unister hat seinen Hauptsitz in Leipzig und gehört zu den größten Internetanbietern Deutschlands. Das Unternehmen beschäftigt eigenen Angaben zufolge rund 1.500 Mitarbeiter.