Istanbul. Für die deutsche Konjunktur sieht der Internationale Währungsfonds (IWF) derzeit mehr Risiken als Chancen. «Für das kommende Jahr sehen wir immer noch leichte Abwärtsrisiken», sagte der Leiter der IWF-Abteilung für Weltwirtschaftsstudien, Jörg Decressin, am Rande der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Istanbul der Wirtschaftsnachrichtenagentur Dow Jones Newswires.
Derzeit stehe die «Erholung nicht auf festen Beinen», sagte Decressin. In seiner jüngsten Prognose hatte der Währungsfonds Deutschland für 2010 ein Wirtschaftswachstum um 0,3 Prozent nach einem erwarteten Rückgang von 5,3 Prozent in diesem Jahr vorausgesagt. Vor diesem Hintergrund plädierte er dafür, dass «die öffentliche Hand weiterhin die Erholung» unterstütze, doch sehe er keinen Bedarf, «einen neuen fiskalischen Stimulus einzuleiten».
Gründe für die Risiken seien die noch steigende Arbeitslosigkeit sowie die dadurch sinkende private Nachfrage. Zugleich wollte er jedoch nicht ausschließen, dass es wie zuletzt «weitere Überraschungen nach oben» geben könne, «wenn das Finanzsystem schneller wieder auf die Beine kommt, als wir uns das bisher vorstellen».
Zurückhaltend äußerte er sich zu Plänen der neuen Bundesregierung zu Steuersenkungen. Damit allein sei keine Konsolidierung möglich, sagt er. Stehe die Wirtschaftserholung erst einmal auf festen Beinen, müsse eine Haushaltskonsolidierung stattfinden.
Mit Blick auf die Einrichtung sogenannter Bad Banks forderte Decressin ein noch aktiveres Vorgehen, «um den Banken zu helfen, die faulen und zweifelhaften Kredite relativ zügig abzuschreiben, damit wieder neue Kredite vergeben werden können». Als «sehr wichtig» bezeichnete er zudem die Schaffung eines bankenspezifischen Insolvenzrechts, weil man Banken sonst nicht problemlos abwickeln könne. Hierzu hatten Bundesjustiz- und Finanzministerium jüngst einen Vorschlag gemacht, der aber aufgrund der Bundestagswahl nicht mehr umgesetzt wurde.